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Mahnende Revue in KölnJuden im Kölner Karneval – ein dunkles Kapitel

Lesezeit 3 Minuten
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Die mahnende Revue mit Brigitte und Burkhard Sondermeier

Köln – Zu den frühen Bräuchen im Karneval des alten Rom gehört auch dieser: Die jüdische Bevölkerung muss eine Abgabe leisten, um die Feierlichkeiten in der Stadt zu finanzieren. Im 15. Jahrhundert werden sie während des Festes in der Stierkampfarena von Pferden verfolgt und von Zuschauern mit Dreck beworfen. Noch Ende des 19. Jahrhunderts drohen den Juden Peitschenhiebe, sollten sie kostümiert im Karnevalstreiben erwischt werden.

Der Künstler Burkard Sondermeier hat intensiv in Archiven gestöbert, um die Rolle der „Juden im Karneval“ zu erforschen, seine Erkenntnisse hat er jetzt in einer „mahnenden Revue“ auf die Bühne gebracht. Im Grunde bietet Sondermeier mit seiner Frau Brigitte eine Lesung und arbeitet sich von der Renaissance bis in den Karneval der Neuzeit vor. Angereichert werden die Textauszüge durch das Spiel des starken Pianisten Igor Kirillov. In der Volksbühne verlieren sich weniger als 100 Besucher – massenkompatibel ist die Vorführung sicherlich nicht, will es auch gar nicht sein.

Eine amüsierte Verächtlichkeit entgegengebracht

Sondermeier begibt sich auf die Spuren des Komponisten Erich Lutz, der in der NS-Zeit den „Faschingsgeist“ schrieb, er zitiert aus einem Dekret von Papst Martin V. aus dem Jahr 1418, ebenso aus dem Text „Winter in Rom“ der deutschen Schriftstellerin Fanny Lewald. Bei seiner Recherche stößt er auf einen Brief des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy an seine Eltern, in dem er den Karneval in Rom des Jahres 1831 als befremdliches Spektakel schildert – den Juden sei allseits eine amüsierte Verächtlichkeit entgegen gebracht worden.

Das Ehepaar Sondermeier präsentiert in seiner Revue das Ergebnis einer kulturhistorischen Fleißarbeit. Der Karneval hat es Sondermeier schon länger angetan, zu seinen Werken zählt auch die Revue „Camarata Carneval – Karneval klassisch“. Nun also die Juden im Karneval, wobei der Künstler Wert legt auf die Feststellung, seine Arbeit sei „keine wissenschaftliche Abhandlung“, vielmehr wolle er einen „Denkanstoß“ liefern. Die wesentliche Erkenntnis ist wohl die, dass der Karneval in der Geschichte immer wieder als Plattform für die Diffamierung des jüdischen Volkes diente, nicht erst im Nationalsozialismus.

Karl Küpper bot Paroli

Natürlich ist die NS-Zeit eine Fundgrube für allerlei Abscheulichkeiten öffentlicher Demütigungen. Während Karnevalisten in Mülheim an der Ruhr den „Auszug ins gelobte Land“ als Fastnachtsspiel inszenieren, rollt in Köln ein Persiflagewagen mit der Aufschrift „Däm han se op dr Schlips jetrodde“ durch die Straßen – eine Hommage an die Nürnberger Gesetze, mit denen die Nazis einst ihre rassische Ideologie festigten. In den Kölner Karnevalssälen war es der Büttenredner Karl Küpper, der den Nazis standhaft Paroli bot. Doch Sondermeier liefert auch Hinweise auf einen neu aufflammenden Antisemitismus, etwa beim Umzug im belgischen Aalst, wo voriges Jahr orthodoxe Juden verunglimpft wurden.

Der Künstler zeigt sich in der Revue am Ende auch als guter Sänger, denn er präsentiert Lieder von Willi Ostermann und das Stück „Die hinger de Gardine stonn un spingse“ von Jupp Schlösser. Da kann dann auch das Publikum die Zuhörerrolle verlassen und mitsingen.