Als „Cœur de Pirate“ sorgt die Franco-Kanadierin Béatrice Martin in Frankreich für Furore, auch in Köln hat sie viele Anhänger. Ihr viertes Album ist soeben beim Kölner Label „Le Pop“ erschienen. Im November wird sie in der Kantine zu Gast sein. Jens Meifert sprach mit der 28-Jährigen.
Ihr neues Album heißt „En cas de tempête, ce jardin sera fermé“ („Bei Unwetter bleibt dieser Park geschlossen“). Hatten Sie Probleme mit den Parkanlagen in Paris?
(lacht) Nein, der Hintergrund ist schon etwas ernster. Ich hatte nach dem Erscheinen meines ersten Albums 2011 wirklich Panikattacken, ich habe plötzlich ungeheuren Druck verspürt. Und ich war zu dieser Zeit in Paris und sah dieses Schild an einem Park, und es beruhigte mich auf eine Art. Für mich wurde es dann wie ein Mantra. Es ist wie eine innere Warnung: Wenn alle Dinge schief gehen, verschließe nicht die Türen und schotte dich nicht ab. Geh heraus und öffne dich, sonst bist du verloren. Es gibt viele Dinge auf diesem Album, über die ich nie offen geredet habe.
Ein Kampf gegen innere Ängste. Setzt sich der fort?
Ja, schon. Ich beschäftige mich mit vielen Dingen, vieles macht mir Angst und ich tendiere dazu, mich zu verschließen.
Vieles davon findet sich auf dem Album. War das hilfreich?
Absolut, für mich ist das ein Durchbruch. Weil ich früher immer eine Art Opferrolle gespielt habe, ein bisschen wie Taylor Swift, nur aus Quebec. Diese Album handelt also viel vom Umgang mit mir selbst. Ich empfinde es als Befreiung.
Es ist das erste Album, das Sie komplett in Frankreich aufgenommen haben. Was war anders?
Die Leute denken immer: Oh mein, Gott, in Paris, wie schön, in der Stadt der Liebe und all das. Aber die wahre Geschichte ist, dass ich es mit dem Produzenten Tristan Salvati in einem ganz kleinen Studio im Untergeschoss eines großes Hauses aufgenommen habe, irgendwo im 12. Arrondissement. Es es war letztlich nur ein dunkler Käfig, in dem wir gearbeitet haben, ein Pariser Käfig allerdings (lacht). Zum Arbeiten war es genau richtig.
Sie leben in Quebec und in Paris? Wo fühlen sich zu Hause?
An beiden Orten. Ich versuche das Beste aus beiden Welten mit zunehmen. Wenn es mir im Winter zu kalt wird, gehe ich einfach nach Paris.
In Ihren Stücken singen Sie von großen gegensätzlichen Gefühlen, von Freude und Glück, dann von Trennung und Traurigkeit, manchmal in einem Song. Hat es Sie so durchgeschüttelt?
Es geht um Dinge, die mir passiert sind, und die nicht angenehm waren, ja. Es hat mit der „MeToo-Debatte“ zu tun, mit integriertem Sexismus, mit Abhängigkeiten und auch Traumata, wie ich sie erlebt habe. Ich denke, die Texte stehen für sich. Ich fand es aber reizvoll, sie zu kombinieren mit einer Musik, die schnell ist, die einen Beat hat und tanzbar ist.
Auf dem letzten Album „Roses“, das offenbar mehr für den britischen und amerikanischen Markt produziert worden ist, singen Sie auch auf Englisch, nun wieder nur noch auf Französisch. Bleibt es dabei?
Das weiß ich nicht. In Toronto singe ich auch englische Titel, bei französischen Konzerten nicht, das hat natürlich mit der Stadt zu tun. Aber grundsätzlich möchte ich mir beide Wege offen halten.
Als Sie 2015 das letzte Mal in Köln, im Stadtgarten, aufgetreten sind, wollten die Besucher unbedingt „Mistral gagnant“ von Renaud hören, ein Stück, das Sie selbst sehr erfolgreich interpretiert haben. Sie haben es nicht gespielt. Genervt?
Nein, ich habe einfach Nein gesagt. Ich kenne das schon von Konzerten in Frankreich. Ich habe das Stück 2013 mal gespielt, und ich bin da ein wenig speziell. Es ist einfach nicht mein Song. Vielleicht spiele ich ihn eines Tages wieder.
Es gibt eine Szene aus der französischen Version von „Deutschland sucht den Superstar“, sie ist in Frankreich sehr bekannt: Ein junger Mann aus Venezuela singt Ihren Song „Crier tout bas“ – und Sie, in der Jury sitzend, beginnen zu weinen. Was hat Sie so berührt?
Das ist eine schöne Geschichte. Das Lied, das er gesungen hat, bedeutet mir viel, es handelt von Depressionen, und zu dem Zeitpunkt als es entstand, wusste ich nicht, wie ich neue Songs aufnehmen sollte. Und dann kommt dieser 18-Jährige, und er erklärte mir, dass er einen Wettbewerb gewonnen hat und damit auch diese Reise nach Frankreich. Dann sah ich ihn singen, das war einfach sehr ergreifend. Für mich war es ein großer Moment, der mich überwältigt hat. Und am Ende hat es dann etwas ausgelöst. Manchmal ist das ja so: Du vergisst, warum du Dinge tust, du machst sie einfach. So habe ich mich danach sofort um neue Songs gekümmert.
Cœur de Pirate: En cas de tempête, ce jardin sera fermé. Le Pop Musik/Groove AttackAm 7. November ist Béatrice Martin in der Kantine in Nippes zu sehen, Karten bei KölnTicket, Tel. 0221/ 2801.