Initiator aus KölnMusiker-Netzwerk richtet sich gegen 2- und 3G-Regeln
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Osnabrück/Köln – Eigentlich könnte es allmählich wieder ganz gut laufen mit der Kultur. Vor allem die 2G-Regelung erlaubt die Rückkehr zum Normalbetrieb, wenn auch das Publikum aus Unsicherheit noch verhalten reagiert, wie Veranstalter und Künstler allerorten beklagen. Umso bizarrer mutet die Forderung des „Netzwerk Musik in Freiheit“ an: den Wegfall von Beschränkungen – weil 2- und 3G-Regeln einen Teil des Publikums ausschließen.
Initiator Roger Hanschel kommt aus Köln
Initiator und Musiker Roger Hanschel aus Köln argumentiert ästhetisch: „Wenn ein Drittel der Menschen ausgegrenzt wird, fühle ich mich nicht frei in meiner Kunst.“ Im Netz haben bundesweit über 2000 Musiker das„Manifest“ unterzeichnet, so Hanschel. Darunter auch mehrere Musiker und Mitglieder des Gürzenich-Orchesters, des WDR-Sinfonieorchesters und Concerto Köln. Doch was genau will das „Netzwerk Musik in Freiheit“? Es grassiere Angst, sagt Hanschel: nicht die Angst, sich mit dem Covid-19-Virus zu infizieren, sondern die vor Arbeitslosigkeit. Es drohe eine „Zwei-Klassengesellschaft“ aus Geimpften und Nicht-Geimpften, Diskussion würde „nicht zugelassen“, Medien bildeten die Regierungsmeinung ab.
Das „Manifest“ beruft sich auf Grundgesetz, Erklärung der Menschenrechte, Charta der Grundrechte der EU, spricht von Menschenwürde und vom Recht auf Teilhabe an der Kultur. Dem gegenüber stehe der „Druck, sich impfen zu müssen.“ Doch Hanschel betont, kein Impfgegner zu sein: „Wer sich impfen lassen will, soll das tun. Wer nicht, der soll nicht unter Druck gesetzt werden.“
Hanschel pflegt offenbar Skepsis, was den Sinn der Impfung angeht. Das belegt er mit einem Video, das Christoph Josten, den Medizinischen Vorstand des Universitätsklinikum Leipzig, im Gespräch mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zeigt: „Von unseren 18 Intensivpatienten sind acht Geimpfte“, sagt Josten. Daraus leitet Hanschel ab: „Impfstoffe immunisieren nicht ausreichend.“
Was er nicht zeigt, ist die Fortsetzung: Da ergänzt Josten auf Nachfrage des Ministerpräsidenten, ein Teil der geimpften Intensivpatienten bringe „erhebliche Begleiterkrankungen“ mit, und dann schaltet sich Michael Albrecht, Leiter des Universitätsklinikums in Dresden, ein und präzisiert, aus den Zahlen lasse sich keine statistische Gültigkeit ableiten.
Eine Debatte soll angestoßen werden
Unterstützt von Oboistin Kirsten Klopsch, sagt Hanschel, das Infektionsschutzgesetz habe die Grundrechte zum großen Teil „ausgehebelt“ und fordert weiter Teilhabe für alle. Wie das gehen soll, beantworten die beiden nicht. „Wir wollen Öffentlichkeit herstellen, um eine Debatte möglich zu machen“, so Hanschel. Das „gemeinsame Erleben von Musik“ sei „in weiten Teilen verfassungswidrig verboten worden“, so das Manifest. Die Maßnahmen und Regeln erzeugten „ein Menschenbild, das jeden Mitmenschen als potenziellen Gefährder ansieht“. Dass Kultur wieder anläuft, und zwar gerade wegen der 2G-Regelung, sieht das Netzwerk nicht als positive Entwicklung, sondern als Schritt hin zur Spaltung der Gesellschaft. Klopsch appelliert an die „Eigenverantwortung“: „Gesundheitsvorsorge ist eine persönliche Sache.“
Explodierende Infektionszahlen, steigende Belegung von Intensivbetten: Davon schweigt das Manifest, schweigen Hanschel und Klopsch im Gespräch mit dieser Zeitung. Für sie lauert die Gefahr an anderer Stelle: „Es droht bundesweit 2G.“ Derweil stellt die Bayrische Staatsoper ihren Spielbetrieb für einige Tage ein. Grund sind zahlreiche Corona-Infektionen vor allem bei den Musikern des Staatsorchesters. (mit dpa)