„Igor Levit – No fear“Kölner Filmemacherin begleitet Ausnahmekünstler mit Doku
Sie hat die Schauspielerin Adriana Alteras auf eine Reise ins ehemalige Jugoslawien begleitet und sich in „Kulenkampffs Schuhe“ dem BRD-Nachkriegsfernsehen gewidmet. Für ihre neue Dokumentation „Igor Levit – No fear“ hat die Kölner Filmemacherin Regina Schilling den weltberühmten Pianisten knapp zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet. Mit Axel Hill sprach sie über ihre Vorbilder, Tabus in Dokumentarfilmen und ihre Beziehung zu klassischer Musik.
Wonach suchen Sie sich die Themen für Ihre Filme aus?
Manchmal denke ich, die Themen suchen auch mich aus. Es ist die Mischung aus einer Idee von mir oder es kommt ein Impuls von außen, der bei mir hängen bleibt. Die Reaktionen auf „Kulenkampffs Schuhe“ haben mich überwältigt, so viele Mails von Leuten, bei denen der Film so viel ausgelöst hat und die mir ihre zum Teil sehr, sehr erschütternden Nachkriegsbiografien erzählt haben. Damit habe ich nicht gerechnet und dachte: Was kannst du jetzt noch für einen Film machen? In dieser Phase kam der Produzent Thomas Kufus, mit dem ich schon lange zusammen arbeite, und fragte: Kennst du Igor Levit? Er nimmt gerade alle Beethoven-Sonaten auf und hast du nicht Lust, dich damit zu beschäftigen.
Welche Beziehung haben Sie zu klassischer Musik?
Ich bin keine Klassik-Expertin, aber die Beethoven-Sonaten haben mich mal in meinen Zwanzigern durch eine Krise getragen. Igor Levit kannte ich nur aus den Medien – als ich mir ein Konzert, bei dem er die Hammerklavier-Sonate gespielt hat, anschaute, hat es bei mir klick gemacht: Das ist etwas, das ich ergründen möchte!
Wie ist die Auswahl der Drehs entstanden? Waren es Vorschläge von ihm oder durften Si frei wählen? Gab es Tabus wie etwa das Privatleben?
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Tabu war das nicht, aber ich habe gemerkt, dass er eigentlich nicht so gerne darüber spricht. Ich fand es auch wahnsinnig faszinierend, ihn bei der Arbeit zu beobachten – und beschloss: Ich will einen richtigen Musikfilm machen, bei dem wir alle in der Musik aufgehen und schwelgen.
Faszinierend ist eine Szene, bei einem Promotermin, wo man sieht, wie ihm beim Spielen der Schweiß vom Kopf auf die Tasten tropft, und man fragt sich, ob er Angst hat, dass seine Finger abrutschen könnten.
Wie das beim Dokumentarfilm ist: Es war ein Zufall, es war sehr heiß, es war kein klimatisierter Konzertsaal. Aber während Igor spielt, hat er vor gar nichts Angst – und was passiert, passiert.
Das sieht man auch als Nicht-Klavierspieler: Da ist Arbeit im wörtlichen Sinn schweißtreibend!
Genau!
Bei einer Taxifahrt bekommt er plötzlich so etwas wie eine Panikattacke. Zuvor hatten Sie unter anderem darüber gesprochen, dass er in den kommenden zwölf Monaten 108 Konzerte spielen wird. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?
Ich hatte mich dafür entschieden, dass die Zuschauer zumindest spüren, da ist eine Ansprechperson, die ihn mit der Kamera begleitet. In dieser Situation war es dann so – das sieht man nicht – dass er meine Hand genommen hat. Und es ging ihm dann doch schnell wieder besser.
Als Journalist geht es mir bei Dokumentarfilmen manchmal so, dass ich an der einen oder anderen Stelle noch Fragen gehabt hätte. Etwa, wenn er davon spricht, wie er, wenn er nach einem Auftritt allein im Hotel ist, sich an das Konzert nicht erinnern kann. Oder die Podiumsdiskussion, bei der Wolfgang Schäuble auf ein antisemitischen Erlebnis Igor Levits mit sehr lapidaren Worten reagiert. Sehen Sie sich in diesem Film selbst eher als Beobachterin, denn in der Auseinandersetzung mit ihm?
Ich hatte ein heimliches Vorbild: D.A. Pennebakers Doku über Bob Dylan von 1967, „Don“t look back“. Und da spielt er auch manche Information über Bande, in dem er Interviews filmt. Das ist mir bei dieser Arbeit relativ schnell klar geworden, dass ich beobachtend sein möchte, statt ihn mit psychologischen Fragen zu „grillen“. Ich wollte das den Zuschauern überlassen: Jeder soll sich seine eigenen Gedanken machen.
Haben Sie Lieblingsmomente im Film?
Als in der Kirche in Dahlem die Bachchoräle aufgenommen werden, sieht man an einer Stelle Igor nur von hinten, wie er sich mit dem Tonmeister Andreas Neubronner anhört, was er fünf Minuten zuvor gespielt hat. Mit was wir Menschen ausgestattet sind: Dass wir Musik produzieren können, die uns in solche Sphären versetzt – ist das nicht unglaublich?