„Mutige Filme“ beim Film Festival CologneDie Branche verändert sich
Köln – Neu Delhi ist mit schon biblisch anmutenden Plagen gebeutelt: Vögel fallen wegen der Luftverschmutzung vom Himmel, auf den Straßen tobt die antimuslimische Gewalt. Die Brüder Nadeem und Saud fügen sich den apokalyptischen Zuständen jedoch nicht. Sie bauen im engen Kellerzimmer und auf dem Dach eine Art Tierklinik auf und päppeln Schwarzmilane auf, bussardgroßen Greifvögel. Mit seinem poetischen Dokumentarfilm „All that breathes“ setzt Shaunak Sen Zeichen der Hoffnung in dunklen Zeiten. In Sundance und Cannes wurde der Film dafür ausgezeichnet.
Die Branche ist in Bewegung
Das aktuelle Weltgeschehen nimmt das 32. Film Festival Cologne vom 20. bis 27. Oktober in den Fokus. Über 80 Programmbeiträge in gut 120 Einzelveranstaltungen gibt es vorweg im Filmpalast, aber auch im Cinedom und außerhalb der Säle. Martina Richter, Geschäftsführerin des Festivals, sieht die Branche in Bewegung. „Es gibt noch mehr mutige Filme“, sagt sie. Die Zeit der Pandemie habe womöglich dazu beigetragen, dass in der Detailverliebtheit und Qualität der Erzählungen noch tiefer geschürft wurde.
Facettenreich ist die Leinwandlandschaft und sie ist im Umbruch. Als Schlüssel-Bild zeigt das Festival ein sich veränderndes Gebilde, das einmal ausschaut wie eine Skulptur Alexander Archipenkos, des US-Bildhauers ukrainischer Herkunft. Doch im nächsten Moment plätschert alles dahin wie Schlagsahne in eine Küchenmaschine.
Es gibt eine breite Auswahl, darunter auch Kinofilme, die das Zeug haben, einen Oscar einzubringen. Das Festivalteam hat aus 800 Projekten aus über 50 Ländern gewählt. Zunehmend, und zwar international, sind Serien gern gesehen. Im Füllhorn des Festivals ist zum Beispiel die britische Krankenhausserie „Going to Hurt“ zu sehen.
Festival blickt in die Welt hinaus
Vorgestellt wird außerdem „Souls“, eine Mysteryserie von Alex Eslam und Hanna Maria Heidrich, die Anfang April 2022 im Rahmen des Serienfestivals in Cannes Premiere feierte und für die beste Musik und das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde. Die Ausstrahlung durch Sky Deutschland ist im Herbst, dahinter steht das Produktionsunternehmen Geißendörfer Pictures. Spannend dürfte die Doku über die „Kryptoqueen“ werden: Dahinter steht die Deutsch-Bulgarin Ruja Ignatova, die vor fünf Jahren untertauchte, nachdem ihr Betrug mit der vermeintlichen Kryptowährung OneCoin aufflog. Bei Europol steht die Milliarden-Betrügerin auf der „Most Wantet“-Liste.
Der Blick des Festivals geht zwar weit in die Welt, doch erhalten die unmittelbaren Nachbarn in „Benelux meets NRW“ ein bisschen Sonderstellung: Am 21. Oktober wird dort der Jubiläumstatort „Spur des Blutes“ mit Dietmar Bär als Kommissar Freddy Schenk und Klaus J. Behrendt als Max Ballauf gezeigt.
Dem Ganoven erklären sie, dass sie zu alt für Verfolgungsjagden zu Fuß sind. Der lacht sich ins Fäustchen und wird trotzdem geschnappt, da er es mit einem eingespielten Team zu tun hat. Altmeister Werner Herzog plaudert im Dokumentarfilm „Radical Dreamer“ aus dem Nähkästchen und diverse Filmstars staunen vor der Kamera nicht schlecht, was er schon alles bewegte. Ein Schiff über den Berg zu ziehen – gewagt.
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Fiktion, Realität, Comedy oder Western – auch als Lotse versteht sich das Film Festival Cologne. Streamingdienste seien zwar immer noch stark nachgefragt, doch von einem Boom wolle man nicht mehr reden. sagt Programmleiter Johannes Hensen: „Das Kino bleibt progressiv und energiegeladen.“