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„Grüne Moderne““ Museum Ludwig geht mit Ausstellung neue Wege

Lesezeit 3 Minuten
Mann mit Palme

Otto Feldmanns Park mit Palme und Herr in Blau aus den Jahren 1911/1913.

Köln – Ein Wonneproppen wie aus der Zwiebackwerbung strahlt unter der Glashaube. Doch so betulich die Szene auch ausschauen mag, eröffnete das Buchcover zu James Smalls „Geheimnisse der Botanik“ von 1929 dem Leser doch ganz neue Welten. Der schottische Professor der Botanik beleuchtete Kürbis oder Gummibaum auf einmal als Lebewesen, die Pflanze als Verwandte. Es war die Boomzeit der Topfgewächse und Blumengestecke. Wer etwas auf sich hielt, ließ Exotisches auf lichtdurchfluteten Fensterbänken der neuen Bauhausvilla klettern und sich räkeln.

Ausgedruckte Exponate

„Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“ heißt die Ausstellung, mit der das Museum Ludwig ab Samstag einerseits die Zeit zwischen 1900 und 1930 beleuchtet. Anderseits gilt es vordem Hintergrund der durch Klimawandel bedrohten Biodiversität neue Wege in der nachhaltigen Kunstvermittlung einzuschlagen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth als Schirmherrin bezeichnet die Schau in ihrem Grußwort als „wegweisend und nachahmenswert“.

Aber es ist auch gewöhnungsbedürftig. Schon im Eingangsbereich versprüht die Ausstellungsarchitektur den Charme eines schwedischen Möbelhauses. Die Regale sind recycelt und aus der vorhergehenden Schau mit Skulpturen Isamu Noguchis blieb das Mobiliar einfach stehen – wobei es jetzt nur vereinzelt Plastiken gibt. Um die Umwelt zu schonen, wurden rund 30 Leihgaben online verschickt und im Museum als Plakat mit schwarzem Klebeband an die Wand genudelt.

Klimabotschafter

Begleitend zur Ausstellung gibt es Vorträge sowie Workshops zur Ausbildung zum Klimabotschafter für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Der Katalog zur Ausstellung erscheint digital und kann gratis unter www.gruene-moderne.de oder www.green-modernism.de heruntergeladen werden. (jan)

Bis 22. Januar, Di bis So 10 – 18 Uhr, Bischofsgartenstraße 1.

Die Qualität der Drucke lehrt jedem Buchdrucker das Grausen, einen Katalog gibt es nur als PDF. Dafür liegen überall Bücher: Kuratorin Miriam Szwast , ihre zahlreichen Unterstützer aus dem Museumsteam für Nachhaltigkeit und die amerikanische Öko-Beraterin Suzanne Pierre haben einige Seiten mit bunten Post-its markiert. Ein bisschen wirkt das Ganze wie ein illustriertes Referat aus Bordmitteln der Pfarrbücherei.

Kritische Gegenwartsbezüge, wie zum Beispiel die zwiespältige Effekte von Samenbomben der Guerillagärtner, findet der Besucher nicht. Vielmehr erhält er Samen beim Eintritt. Zwar lässt so etwas Industriebrachen aufblühen – aber was sich im Boden verbreitet, ist nicht immer für den Standort geeignet. Mitunter setzt ein Kampf der Gewächse ein. Der Nabu warnt, dass so das ökologische Gleichgewicht gestört werden kann.

Ein Regal mit Glasgärten steht im Eingang.

Eingriffe in die Natur sahen auch die Menschen vor 100 Jahren blauäugig. Im hintersten Abschnitt der Schau ist eine Kinostube: Im BASF-Unterrichtsfilm „Das Blumenwunder“ von 1926 grünt und windet es sich im Zeitraffer. Dazu schwelgt das WDR Rundfunkorchester in der Operettenmusik Eduard Künneckes, dass es eine Wonne ist. Daneben das Foto (1921) eines Explosionskraters im BASF-Stickstoffwerk. Es muss gehörig gekracht haben, die Produktionshallen liegen in Trümmern.

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Nach Auffassung des schwedischen Naturforschers Carl von Linné war die Blüte als Sexualorgan der Blume entweder männlich oder weiblich. „Das stimmt nicht, die meisten Blüten sind zwittrig“, so Szwast. Durch die Blume ließ sich einiges sagen: Die dänische Malerin und Transgenderpionierin Lili Elbe schmückte sich mit floralen Motiven. Auch die Pflanze als koloniales Raubgut betrachtet die Schau. Kakteenjäger griffen in Nord-, Mittel- und Südamerika in Ökosysteme ein, indem sie die exotischen Gewächse für den europäischen Markt rodeten. Expressionist Karl Schmidt-Rottluff gestaltete 1922 eine Postkartenmotiv mit der Botschaft: „Ein herzlicher Willkommensgruß zur Rückkehr ins Kakteenland.“