Kunstmuseum KolumbaJahres-Schau rückt prägende Plätze in Köln in den Fokus
Köln – Irmel Kamp redet sich keinen Ort schön. Die Tristesse der vor schlechtem Wetter geschützten Fassaden und Giebel fängt die Fotografin in gammligen Spitzrauten-Schindeln aus Zink ein. Nach dem chemischen Element ist auch ihr Bilder-Zyklus aus den Jahren 1978-1982 benannt. Sie fuhr mit ihrem Renault durch Ostbelgien, um systematisch Feldforschung zu betreiben. Dabei erschloss sie sich einen frühen Ort der Utopie – und zwar in der Zinkmine Vielle Montagne.
Die weckte ab dem 17. Jahrhundert die politischen Begehrlichkeiten zwischen den Mächten Zentraleuropas. Das Resultat war die Mikronation „Neutral Moresnet“. Hier sollte ein Esperanto-Staat mit dem Namen „Amikejo“ (Ort der Freundschaft) entstehen. Auch wenn Kamp keine Sehnsuchtsort abbildet, sind die belgischen Zink-Häuser doch Erinnerung an Ideen für eine bessere Welt.
Schriftzug der Nord-Süd-Fahrt
„making being here enough“ Ort & Subjekt lautet der Titel der Jahresausstellung im Diözesanmuseum Kolumba – angelehnt an das Zitat der amerikanischen Künstlerin Roni Horn: „Dafür sorgen, dass hier zu sein genügt.“ Ein Votum gegen Unrast. Während Horn die Weite Islands mit Gletschern und Vulkangestein einfängt, ist ein Großteil der Exponate im Kunstmuseum Kolumba im städtischen Bereich verortet. Und hier wird der Betrachter auch gleich abgeholt.
Im größten Raum des Hauses, den Architekt Peter Zumthor als Piazza anlegte, lagert Merlin Bauers riesiger Schriftzug „Liebe deine Stadt“, der seit 2007 an der Nord-Süd-Fahrt hängt und während der Sanierungsarbeiten nun für ein Jahr im Kunstmustmuseum Station macht. „Ich fürchte, viele halten das für Stadtmarketing“, sagt Kolumba-Direktor Stefan Kraus. Doch als soziale Plastik solle es zum Diskurs anregen. Auch darüber, wie eine Stadt mit prägenden Plätzen und Gebäuden umgehe.
Von der Sehnsucht nach einem Ort der Geborgenheit
Die Jahresschau zum 15. Jubiläum des Kolumba sei nachhaltig, nehme Ausstellungsstücke aus dem Fundus sowie Leihgaben aus Köln wie das Stadtpanorama (17. Jahrhundert) aus St. Gereon. Ausgangspunkt der Schau ist das leere Grab Christi. „Ein Ort, der eigentlich kein Ort ist, weil er leer ist“, erläutert Kuratorin Ulrike Surmann. Im 4. Jahrhundert dann seien Gräber ins kollektive Gedächtnis gerückt. Als sie mit Kirchbauten zu Erinnerungsorten wurden, Pilgerorten, bei denen die Erzählung eine Bedeutung spielt.
Wie gehen die Flüchtlinge weltweit mit ihrer Sehnsucht nach einem geborgenen Ort um? Braucht es sinnstiftende Narrative, Gedanken und Konventionen? Fragen, die unter anderem Gegenwartskünstler wie Lutz Fritsch und Éric Baudelaire in der Ausstellung nachgehen.
Letztlich ist die Ausstellung auch ein Plädoyer für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Orten, die prägend sind. Auch Kinder und Jugendliche sollen zu Wort kommen. An verschiedenen Stellen der Schau sind Videos zu sehen, die Éric Baudelaire mit jungen Menschen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren drehte – vielmehr ließ er sie die Kamera führen und es wurde klar, was sie bewegt. Eingeflossen sind die Statements in die Planung für eine Schule im Departement Seine-Saint Denis.
Nun gibt es eine Fahne, die in Köln durch die Institutionen gehen, und ebenfalls Fanal für ein Filmprojekt mit Jugendlichen werden soll. Den Auftakt macht Ende Oktober die Adolph-Kolping-Schule in Kalk. Im Kolumba hat ein inklusives Projekt des Kunsthauses Kalk-Atelier donnerstags ein Forum.
Lutz Fritsch hat –wie am Bonner Verteiler – einen signalroten Stab in den Boden des Museumsgartens gesteckt. „Wie eine Akupunkturnadel“, sagt Kraus. Geweckt werden Erinnerungen an mittlerweile überschriebene Orte an dem Platz. Einst Friedhof, Kapelle.Architekt Zumthor wird mit einem Satz zitiert, mit dem er sich 2006 klar für den Erhalt des Opernensembles aussprach. „Wäre man in New York, dann würde man das jetzt entdecken.“ Für Merlin Bauer war der Wunsch nach dem Erhalt des Bühnenensembles Auslöser für seine Aktion. In seiner Videoinstallation sprechen Städtebauer und Architektursoziologen über den Wandel und die zu beobachtende Unsitte, das Tafelsilber zu verkaufen.
Viel sei bislang über die Kosten der Sanierung und die Sinnhaftigkeit des Erhalts der Bühnen diskutiert worden, so Kraus. Für das Wiederfinden der Identität nach 1945 sei das Operngebäude eine Zierde, der man in der Schau Tribut zolle.
Bis 14. August, täglich 9.30 – 19 Uhr, Kolumbastraße 4.