Kasper König galt als einer der bedeutendsten Ausstellungsmacher in Deutschland. Im Alter von 80 Jahren ist der Kunstprofessor und Kurator nun gestorben.
Früherer Direktor des Museums Ludwig„Einer der ganz Großen“ - Kasper König gestorben
Die Eitelkeiten des Kunstbetriebs quittierte Kasper König gern mit seinem gewaltigen Lachen. „Ball flach halten, so doll ist das alles auch nicht“, schrieb er in einer launigen Lebensbilanz, denn seine Lieblingssprache war Klartext. Zur Architektur „seines“ Hauses fiel ihm auch schon mal der Palast der Republik ein. Und doch hat er in zwölf Jahren (2000 bis 2012) das Kölner Museum Ludwig risikofreudig, klug und querköpfig stärker geprägt als jeder Direktor vor und nach ihm.
Am Freitag ist der kantige Kunst-Ermöglicher in Berlin nach schwerer Krankheit mit 80 Jahren gestorben. Dies teilte die Familie mit, zu der Kunstbuchhändler Walther sowie die Söhne Leo und Johann gehören, die beide Galeristen sind.
Kasper König ist tot: Der Kunstprofessor war zwölf Jahre lang Direktor des Museums Ludwig
Kasper, im westfälischen Mettingen als Rudolf Hans König geboren, machte als 19-Jähriger ein Volontariat in der Kölner Galerie Rudolf Zwirner, trieb sich dann als „pazifistischer Wehrdienstverweigerer“ überall dort herum, wo es kreativ gärte. Also in New York und Stockholm, wo er im Atelier von Claes Oldenburg aushalf, dem er dann mit 23 eine Schau organisierte. Wenig später glückte ihm dort eine Warhol-Ausstellung: „Es ging darum, wie man mit wenig Geld etwas machte, das auf den Zeiger haut.“
Als Kulturdezernentin Marie Hüllenkremer den Umtriebigen nach Köln holte, hatte der die Zeiger schon kräftig traktiert: mit der „Westkunst“ in den hiesigen Messehallen (1981), „Von hier aus“ in Düsseldorf (1984) sowie als Rektor der Frankfurter Städelschule, deren Portikus er zur heißen Ausstellungsdrehscheibe machte. Nicht zuletzt war er Kurator jener Skulpturprojekte, die Münster seit 1977 alle zehn Jahre in ein Freilichtmuseum verwandeln.
Sein Kölner Auftrag: Das Museum Ludwig flott zu machen, nachdem Jochen Poetter das Kunstflaggschiff auf die Sandbank des internationalen Desinteresses manövriert hatte. Zunächst kalibrierte König den Kurs neu, indem er nach dem Auszug der Wallraf-Richartz-Bestände im „Museum unserer Wünsche“ 120 geliehene Werke präsentierte, die er als Verstärkung der Sammlung für unerlässlich hielt.
Dann das triumphale Fiasko. Köln zeigte im Sommer 2002 den genial ausufernden Filmzyklus „The Cremaster Cycle“ von Matthew Barney, samt nachgebauter Kulissen. Während die wächsernen Exponate zu schmelzen begannen, ergaben 35 000 Besucher ein Defizit von 820 000 Euro. Die Kulturpolitiker zürnten, doch New Yorks MoMA, Londons National Gallery und das Pariser Centre Pompidou hießen das Kölner Haus wieder in der Weltklasse willkommen.
Kasper König gab Außenseitern wie Richard Artschwager und Hans-Peter Feldmann gern Ausstellungsfläche, erreichte aber auch das große Publikum. Die Einsamkeitsstudien von Edward Hopper wollten 380 000 Besucher sehen, Mondrian zog scharenweise Neugierige an, und der „Blaue Reiter“ galoppierte munter in die schwarzen Zahlen. Seinem (glücklosen) Nachfolger Philipp Kaiser hinterließ er 2012 noch den Kassenknüller der David-Hockney-Schau.
Sein Credo „Museen sind keine Profit-Center“ verteidigte König dennoch leidenschaftlich. Zudem trug der bewusst Vorlaute Abmahnungen städtischer Vorgesetzter wie Ehrenzeichen und bot Sammlerinteressen Paroli. Eleonore und Michael Stoffel hätten ihre Schätze gern komplett in Köln gesehen, der Museumschef zeigte indessen nur an Highlights Interesse – das Konvolut zog 2006 nach München.
Die wichtigste Mäzenin indessen konnte dem Direktor immer trauen. Der wusste nicht nur zu schätzen, dass Irene Ludwig dem Museum gewissermaßen zu seinem Einstand 774 Picasso-Werke geschenkt hatte, sondern zeigte stets größten Respekt vor den hauseigenen Beständen: von Peter Ludwigs Pop-Art bis zur Sammlung Haubrich, der er eine Neupräsentation gönnte.
Kunstfreunde aus dem Geldadel mag Königs schnoddrige Direktheit befremdet haben, intern war dies anders. Die Tür zu seinem Büro stand stets offen – eine Einladung, diese Assemblage aus überquellenden Bücherregalen, Zeitungsstapeln, Katalogbergen und Souvenirs befreundeter Künstler zu bestaunen. Die gleiche Offenheit ertrotzte sich der Hausherr für das Museums-Entrée, obwohl mancher befürchtet hatte, die breite Nord-Süd-Schneise würde als Skateboard-Bahn missbraucht werden.
Wie sehr die Drähte zwischen ihm und den Künstlern glühten, sah man, als König seine Korrespondenz dem Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (ZADIK) überließ. Da bedankt sich Beuys beim „lieben König„ für „Ihre Sendung mit Hopper usw.“, da rühmt der spätere Kunststar Gerhard Richter 1964 Vermittlerdienste, die ihm „mit 12 bis 14 Bildern„ die Teilnahme an einer Gruppenschau sicherten.
Skepsis gegenüber der Szene und größenwahnsinnigen Künstlern
Vor allem dank dieser Nähe hat der Direktor dem Museum in seiner Amtszeit rund 2000 neue Exponate verschafft. Die eigenen Kunsttalente spiegeln jene verfremdeten Bildpostkarten, mit denen er auserwählten Empfängern gern sarkastische Fußnoten zur Kulturpolitik zusandte. Und was für ein kundiger Sammler er selbst war, wird man Anfang Oktober bei Van Ham sehen, wo rund 400 Werke seiner Privatkollektion auf mehrere Millionen Euro taxiert sind. Allein das Spitzenstück, ein „Date Painting“ von On Kawara, ist auf 500.000 bis 700.000 Euro geschätzt.
Dabei fremdelte der radikale Beobachter schon am Ende seiner Kölner Zeit mit einer Szene, in der das Verticken wichtiger ist als das Vermitteln, mit einem Publikum, das Exponate lieber per Handy abknipst, als sie im Original zu betrachten, oder größenwahnsinnigen Künstlern. Mit seiner vorletzten Ausstellung „Vor dem Gesetz“ wollte er ergründen, „ob es überhaupt noch jene Kunst gibt, die existenzielle Fragen stellt“.
Obwohl er in vielen Jurys saß und ihn das New Yorker Guggenheim Museum 2009 für sein Lebenswerk geehrt hat, blieb er bescheiden. „Ich habe das Rad nicht neu erfunden“, bilanzierte Kasper König – aber so brillant wie er hat es kaum jemand rotieren lassen.
Stimmen zum Tod von Kasper König
Der gebürtige Mettinger galt als einer der bedeutendsten Ausstellungsmacher in Deutschland.
Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig: „Kasper König war einer der ganz Großen im Kunstbetrieb. Mit seiner Kenntnis, seinem Urteilsvermögen und seiner Unbestechlichkeit hat er das Museum Ludwig wieder auf Weltniveau gehoben."
Das Team des Museum Ludwig trauert um einen „großzügigen, unabhängigen, humorvollen, energiegeladenen Menschen, der uns in seiner Begeisterung für die Kunst stets mitgerissen hat. Wir werden die Begegnungen und Gespräche mit Kasper König und seine Postkarten nicht vergessen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie“.
Kölns Kulturdezernent Stefan Charles zum Tod des früheren Leiters des Museum Ludwig: „Kasper König war für die Kulturstadt Köln von herausragender Bedeutung. Ich bin überzeugt, dass dies auch für die Zukunft gilt, denn König hat nicht nur zwölf Jahre das Museum Ludwig geprägt, sondern auch die gesamte, internationale Kunstwelt mitgestaltet. Vor seiner Ausstellungstätigkeit in Köln war er Professor und Rektor an der Städelschule in Frankfurt. Sein Engagement für die nachfolgende Künstler*innengeneration ist bemerkenswert und bleibt für mich persönlich vorbildhaft.
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Hermann Parzinger, äußerte sich zu Königs Tod: „Kaum jemand hat die zeitgenössische Kunst als Kurator so sehr geprägt wie er, in Deutschland wie international", sagte er. "Kasper König wird nur schwer zu ersetzen sein, wir werden ihn vermissen und seine Leistungen immer im Gedächtnis bewahren.
Der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Georg Lunemann, sagte: „Kasper König hat die Skulptur Projekte über Jahrzehnte geprägt und Münster nicht nur zu einem Treffpunkt internationaler Kunstproduktion gemacht, sondern auch dafür gesorgt, dass die Arbeiten der Skulptur Projekte sich tief in das kulturelle Gedächtnis der Region eingeschrieben haben.“