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Museum Ludwig in KölnKasper König  schenkt Werke aus privater Sammlung

Lesezeit 4 Minuten
Gerichtshammer mit Spiegel von H. C. Westermann (vorne) und Thomas Hirschhorns Pappfigur mit dem Gesicht John Heartfields.

Gerichtshammer mit Spiegel von H. C. Westermann (vorne) und Thomas Hirschhorns Pappfigur mit dem Gesicht John Heartfields.

In wenigen Tagen feiert Kasper König 80. Geburtstag. Der Ausstellungsmacher prägte den Kunstdiskurs des vergangenen halben Jahrhunderts und schenkte dem Museum Ludwig nun eine Werkauswahl aus seiner Sammlung.

„Flat Daddy“ stand Pate. Ein Pappkamerad, dessen realer Doppelgänger im Ausland stationiert ist. Eine Idee, die vor 20 Jahren im Irakkrieg aufkam, als amerikanische Familienväter als lebensgroße Fotos zu Hause aufgestellt wurden, um den Trennungsschmerz etwas zu erleichtern. Im Museum Ludwig steht jetzt kein Pappsoldat, sondern der Fotomontagekünstler John Heartfield (1891 — 1968). Der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn zog 2008 eine Kopie dessen Konterfeis mit Klebeband auf Karton.

Vaterfigur

Womöglich spürt Kasper König gerade selbst Trennungsschmerzen, da er den Pappkameraden mit vielen anderen Arbeiten ins Museum abgibt. Der ehemalige Direktor des Museum Ludwig schenkt dem Haus eine Werkauswahl aus seiner privaten Sammlung, die nun in einem Raum innerhalb der permanenten Sammlung unter dem Titel „1000... miles to the edge – Schenkung Kasper König“ (1000 ... Meilen bis an den Rand) präsentiert wird.

35 von insgesamt 50 Werken unter anderen von Claudio Abate, Jonathan Borofsky, Maria Eichhorn, Jenny Holzer, On Kawara oder Annette Wehrmann sind zu sehen. Gut gelaunt begrüßte König zahlreiche Weggefährten und saß bei der Pressevorstellung neben dem heutigen Museumsdirektor, Yilmaz Dziewior, und Stephan Diederich, der die Schau kuratierte.

„Heartfield ist eine wichtige Figur“, sagte König. 1939 organisierte er in London die Ausstellung „One Man's War against Hitler“ (Der Krieg eines Einzelnen gegen Hitler). Für die 68er-Generation wurde er zur Vaterfigur. Hört man Yilmaz Dziewior zu, erweckt es den Eindruck, dass Kasper König bei ihm an ebensolche Stelle rückt: Das geschenkte Konvolut sei ein „Porträt des Museumsmanns“.

König spricht von den Dingen, die sich „angesammelt haben“ – er sei kein Sammler. Vielmehr seien Spontankäufe, Souvenirs, Jahresgaben und Geschenke über die Jahrzehnte zu einer persönlichen, oft sehr humorvollen Kollektion gewachsen. Es sind Spuren einer Arbeitsbiografie — die ein weltumspannendes Netzwerk knüpfte.

Blumensprengungen

Gut sichtbar an den unzähligen Postkarten des japanischen Künstlers On Kawara (1932 – 2014), der als kosmopolitischer Nomade in Paris, Tokio, New York oder anderen Städten lebte. Vom jeweiligen Aufenthaltsort schickte er täglich zwei Postkarten an Freunde. Die ersten Karten vom April 1968 gingen an Kasper König, der sich erinnert: „Zu Beginn gab ich On Kawara 200 Dollar, das war damals viel Geld, damit er mir Postkarten von seiner Reise nach Mexiko schickt.“

Minutengenau hielt der Künstler fest, wann er aufgestanden war. Das blieb bald seine einzige Information. Im Ludwig kann der Betrachter aber noch lesen, was er zum Beispiel am 12. April 1968 gegessen hatte: zu Mittag ein Ei, abends drei Tacos. König sieht darin auch „eine Art von soziologischer Untersuchung, was man sich leisten kann, zu essen.“ Politisch sind viele der Kunstwerke. Das spinnt sich wie ein roter Faden durch die gesammelten Werke. Imposant sind Annette Wehrmanns (1961 – 2010) „Blumensprengungen.“

Zu sehen sind Rabatten, öffentliche Grünflächen oder Kübel, in denen eine Mini-Detonation mit Chinakrachern im Foto festgehalten wird. Geknickte Primeln oder geköpfte Studentenblumen schauen aus, wie auf dem Schlachtfeld. Wehrmann übte dabei Kritik an der Stadtmöblierung, denn für Natur war in den Betonkübeln nicht richtig Platz. Ihr ging es um den „künstlichen bleischweren Frieden in den Städten der 1960er und 1970er Jahre, der aber auf Verdrängungsmechanismen beruhte.“

Auch der US-Bildhauer H. C. Westermann (1922 – 1981) schuf Objekte, die zum Ausdruck brachten, wie das „gute“ Amerika und seine Werte vor die Hunde gingen. Eine Art Gerichtshammer mit eingesetzten Spiegelflächen ist unbrauchbar.

Günter Brus, 1938 im österreichischen Ardning geborener Vertreter des Wiener Aktionismus, skizzierte 1971 „Das rasende Europa und seine unsterblichen Seelen“. Drei nackte Männer stehen im Gruppenportrait nebeneinander. Brus hat ein Kreuz auf der Stirn, Künstlerkollege Otto Muehls ist von einem Heiligenschein umfangen, und Hermann Nitsch trägt eine Bischofsmitra.

Ihre Geschlechtsteile verdeckt ein Gemälde, auf dem eine Kirche erkennbar neben einem männlichen Unterleib zu sehen ist, der die Augenhöhle eines Totenschädels penetriert. Die Sexualmoral der katholischen Kirche prangert Brus damit an.

König: „eigentlich heimatlos“

„Ich bin aus der Kathole ausgetreten. Ich finde es interessant und widersprüchlich, dass es hier immer noch einen Kardinal gibt, obwohl die Leute austreten“, sagte König. Der Dom wiederum sei ihm wichtig. „Ich hätte die Stadt nie verstehen können, wenn es ihn nicht geben würde.“ Er habe Bezüge zu Düsseldorf wie zu Köln und sei eigentlich heimatlos. Seiner Schenkung fügte er ein Bild der amerikanischen Künstlerin Nicole Eisenman zu.

Darin bezieht sie sich auf den Minimalisten Donald Clarence Judd (1928 – 1994). Ihre Brunnenskulptur für Diversität und Toleranz in Münster wurde zerstört, mit Hakenkreuzen besprüht. Eine private Initiative holte sie zurück.

Bis 17. März, Di bis So 10 – 18 Uhr, Bischofsgartenstr. 1.