Köln – Frau Kebekus, auf Ihrer neuen DVD begrüßen Sie das Saalpublikum mit dem Satz: „Es ist Pussy-Zeit - die Rückkehr der Frau, die das Land entzweit“. Auf was genau spielen Sie an?
Na ja, an Carolin Kebekus scheiden sich die Geister. Ich zähle nicht unbedingt zu den Künstlerinnen, die alle ganz toll finden.
Was sind die massivsten Kontroversen?
Meine Äußerungen zu „#MeToo“ und zum Sexismus. Ich dachte eigentlich, ich hätte schon alles an Shitstorm erlebt.
Aber?
Ich habe mich wohl geirrt. Dass selbst harmlose Aussagen von mir solche Wogen schlagen, ist echt traurig.
Was war der Auslöser?
Ich hatte in einem Interview angemerkt, dass ich sexuelle Belästigung selbst erfahren habe. Ich habe lediglich gesagt: Ich bin auf Partys auch schon begrapscht worden, man hat mir an den Arsch gepackt.
Wie wurde darauf reagiert?
Es gab in den sozialen Netzwerken massive Unterstellungen, ich wolle mit solchen Aussagen nur auf einen Zug aufspringen. Man hat mir das nicht geglaubt.
Was schließen Sie daraus?
Wenn selbst vergleichsweise harmlose Äußerungen wie dieses Beispiel von der Party nicht geglaubt werden, erkennt man die Dimension, warum sich Frauen einfach nicht trauen, darüber zu sprechen, welche Erfahrungen sie in diesem Bereich gemacht haben. Wenn man mir in meiner prominenten Position das schon nicht abnimmt, wer glaubt es dann der Angestellten aus dem Supermarkt?
Also ist die Debatte mehr als überfällig?
Auf jeden Fall.
Wäre eine Debatte ohne die medialen Reflexe, die der Fall des Filmproduzenten Harvey Weinstein ausgelöst hat, nicht möglich gewesen?
Zumindest führt die Diskussion dazu, dass sich mittlerweile mehr Frauen trauen, darüber zu sprechen. Die Filmbranche ist dabei nur eine Blaupause für viele andere Bereiche. Und es wäre vermessen, davon auszugehen, das sei nur ein amerikanisches Problem. Solche Machtstrukturen herrschen hierzulande auch.
Sie bewegen sich selbst im Showbusiness. Wie hat die Branche hierzulande reagiert?
Ich finde es gut, was die Debatte bei vielen Männern ausgelöst hat. Einigen fällt jetzt auf: Stimmt, manchmal ist man schon sehr sexistisch in seinen Gedanken und auch im Spektrum der Witze, die man seit Jahren erzählt. Okay, ist nicht immer ganz so schlimm, und manchmal finden's die Mädels ja auch lustig. Aber man hinterfragt sich jetzt eher, schaut genauer hin. Das ist für alle gut.
Sie erleben viele Shitstorms. Was macht Sie so sicher, dass es sich beim Verfasser eines unflätigen Kommentars um einen echten „Peter Müller“ handelt - und nicht um ein Social Bot?
Ich glaube, dass man den Unterschied durchaus erkennen kann, wenn man auf die Profile geht. Ich bekomme ja auch eine große Anzahl an richtigen Briefen von Leuten, die mit ihrem Gedankengut nicht hinter dem Berg halten. Ich habe nicht den Eindruck, dass die meisten Verfasser in den Netzen eine Rolle erfinden, um eine Diskussion zu befeuern. Dahinter steckt - leider - ein ernsthaftes Interesse.
Auch „Bitch der AfD“, Ihr Video über Frauke Petry, hat heftige Reaktionen ausgelöst. Können Sie damit leben?
Auf jeden Fall. Ich lese einen Querschnitt der Kommentare, um mir einen Überblick zu verschaffen. Es ist schon viel unterwegs, aber wenn ich vorher über eine Nummer nachdenke, wie das wohl ankommt, kann ich es gleich ganz lassen.
Welche Themen interessieren Sie grundsätzlich?
Solo auf der Bühne bin ich komplett frei. Bei Einsätzen wie in „Heute-Show“ oder „Die Anstalt“ spricht man die Inhalte ab, mein Beitrag muss zum Thema der Sendung passen.
Auch dort haben Sie offenbar Spaß daran, die Political Correctness auf Links zu drehen. Oder täuscht der Eindruck?
Es ist in der Tat ein Stilmittel, das mir in Fleisch und Blut übergegangen ist. Ich empfinde es als Segen, wenn ich auf Kollegen wie Max Uthoff, Claus von Wagner oder Oliver Welke treffe, die genauso ticken. Die nehmen ihren Job unglaublich ernst, so lustig die Inhalte auch sein mögen. Die „Heute-Show“ und „Die Anstalt“ sind ziemliche Meinungsmacher - mit Dutzenden an Rechercheuren, die jedes Wort und jede Zahl prüfen.
Sie sind im Februar selbst zu politischen Ehren gekommen. Bei der Bundesversammlung in Berlin haben die den Bundespräsidenten gewählt. Wie war es den im Hohen Haus?
Wahnsinn. Das erlebt man nicht alle Tage. Eine ganz besondere Stimmung. Da gibt es eine ganze Menge Leute, die leidenschaftlich Politik machen, ständig diskutieren. Und man spürt die Spannung, wenn man plötzlich einer Frauke Petry gegenüber sitzt.
Waren Sie versucht, im Kostüm von Frauke Petry zu erscheinen?
Nein, dazu hatte ich zu viel Respekt vor der Veranstaltung.
Ihre DVD haben Sie in Göttingen aufgenommen, weil Sie, wie sie erzählt haben „endlich mal vor normalen Menschen spielen wollten“. Sagen Sie das nicht in jeder Stadt?
Ja, aber es ist tatsächlich schön dort. Die Lokhalle ist ein toller Veranstaltungsort. Dafür habe ich in Bonn meinen Tourneeabschluss, dort werde ich das allerletzte Mal „Alpha Pussy“ spielen.
Zufrieden mit der Tour?
Sehr zufrieden. Wir hatten mehr als 300.000 Besucher.
Wie bringen Sie sich vor den Shows in Stimmung?
Ich trinke sehr viel Wasser. Dann gibt es ein paar Rituale. Ich setze mich auf meinen Stuhl, der die Aufschrift „Alpha Prinzessin“ trägt, ich wechsle mein Schuhwerk, weil ich mit meinen hohen Bühnenschuhen natürlich nicht vorher durchs ganze Gebäude latsche. Dann lasse ich mir von meinen Jungs noch einmal den Namen der Stadt sagen, damit man sich auf der Bühne nicht verspricht.
Kommt das vor?
Es ist nur einmal passiert, aber sicher ist sicher.
Bei soviel Erfolg: Ist Ihnen bewusst, was in den vergangenen drei, vier Jahren mit Carolin Kebekus passiert ist?
Okay, manchmal muss ich mich zwicken. Mein Glück ist: Ich bin mit einem festen Team unterwegs, super nette Leute. Ich habe nie das Gefühl, ganz allein für alles verantwortlich zu sein. Das sage ich im Team auch: Der Dennis hat die Lampe aufgehängt, und wenn sie runter fällt, ist das seine Schuld. Dieses Wir-Gefühl hat was.
Die hohen Besucherzahlen bei ihren Auftritten machen Sie nicht nervös?
Man darf nicht zu sehr darüber nachdenken, sonst wird man vielleicht größenwahnsinnig. Kann mir aber nicht passieren, weil: Ich habe einen großen Respekt davor, dass sich die Leute für mich eine Karte kaufen, die Anreise auf sich nehmen, vorher einen Babysitter organisieren, sich zwei Stunden in den Saal setzen - und sich von mir anschreien lassen. Ich weiß schon, dass ich mit diesem Beruf sehr gesegnet bin.
Können Sie in Köln eigentlich noch unbehelligt über die Straße gehen?
Es geht schon. Manchmal spricht man mich an: „Sie sehen aus wie die Kebekus - sind Sie die Schwester?“
Mittlerweile hat sich Carolin Kebekus mit ihren scharfzüngigen Sketchen und Videos in den Olymp der deutschen Wortkünstler gespielt. Heinz Dietl sprach mit der Kölner Komikerin über Sexismus, ihren Humor und ihre Eindrücke bei der Wahl des Bundespräsidentin, bei der sie in der Bundesversammlung saß.
Zur Person
Geboren am 9. Mai 1980 in Bergisch Gladbach, aufgewachsen in Köln-Ostheim. Sie absolviert ein Praktikum bei der RTL-Sendung „Freitag Nacht News“ und wird von Produzent Hugo Egon Balder als Comedy-Talent entdeckt. Es folgen Auftritte in Comedy-Sendungen. 2011 startet sie mit „Pussy Terror“ ihr erstes Programm. Seit 2015 moderiert sie die Fernsehshow "PussyTerror TV". Auszeichnungen: u. a. Prix Pantheon (2008), fünf Mal Deutscher Comedy-Preis (2013 bis 2017) Veranstaltungen „Alpha Pussy“, Live-Show, Bonn, WCCB, So 11. März (19 Uhr, ausverkauft) Leverkusen 22. Februar, ostermann-Arena 20.00 Uhr (aus DVD-Tipp „Alpha Pussy“, Live-Programm auf DVD und Blu-ray, 196 Minuten inklusive Blick hinter die Kulissen der Show in Göttingen sowie Auftritte beim Comedy-Preis plus Helene- Fischer-Parodie)