Charts-KolumneWarum ich ohne Billy Eilish länger leben würde
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Alle zwei Wochen hört sich unser Kolumnist Marcus Bäcker in seiner Glosse „Neu in den Charts” durch die Hitliste – und findet dabei Entsetzliches wie Schönes.
Und manchmal versucht er auch, Konzertkarten für Popstars zu bekommen. So wie für das heiß begehrte Konzert von Billie Eilish in de Kölner Lanxess-Arena.
Sie denken, das sei einfach gewesen? Von wegen! Lesen Sie hier seinen amüsanten Leidensbericht und weitere Kolumnen-Folgen.
Am 2. Oktober 2019 erwarb ich zwei Innenraumkarten für das Konzert von Billie Eilish im Sommer 2020. Das schreibt sich so leicht, allein: Die simple Feststellung wird nicht im Geringsten der Dramatik gerecht, die mich an diesem Vormittag durchschüttelte. Sollte ich eines Tages an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zugrunde gehen, wird auf dem Grabstein stehen: „Er hätte länger gelebt, wäre da nicht dieser 2. Oktober 2019 gewesen.“ Da bin ich mir sicher.
Dabei war ich denkbar gut vorbereitet. Zum Beispiel hatte ich rechtzeitig genug die limitierte Version von Billie Eilishs Debütalbum im offiziellen Billie-Eilish-Shop vorbestellt, um am offiziellen Billie-Eilish-Konzertkarten-Pre-Sale teilnehmen zu können. Der Blutdruck stieg erstmals deutlich, als die Übersendung des Zugang-Codes für den offiziellen Billie-Eilish-Konzertkarten-Pre-Sale-Bereich auf sich warten ließ. Dann aber kam er. Am 2. Oktober war ich um Punkt 9 Uhr zur Stelle, tippte den Code ein und erfuhr: Zugangscode nicht zulässig.
In den nächsten 30 Minuten wiederholte ich den Kaufprozess so oft, dass sich der Code dank der Einkerbungen auf den Tasten noch heute rekonstruieren lässt. Ich erlebte live mit, wie erst das Telefonsystem und dann die Internetseite der zuständigen Pre-Sale-Agentur in die Knie ging. Ich seufzte, schrie und war erstaunt, wie sehr man einen Telefonhörer malträtieren kann, ohne dass er zerbricht. Nebenbei machte ich erste Erfahrungen mit Re-Sellern, die bereits vor dem offiziellen Billie-Eilish-Konzertkarten-Pre-Sale-Start die Tickets für astronomische Summen verhökerten (nicht mit mir!). Und als ich mir immer plastischer ausmalte, wie ich meiner erwartungsfroh strahlenden Tochter vor die Augen trete und sage, Du, das mit den Karten hat leider ... Da stellte ich fest, dass es im offiziellen Billie-Eilish-Konzertkarten-Pre-Sale-Bereich einen Umweg zum Kaufbefehl gab. Ausprobiert, Code eingegeben, erledigt.
Als Stunden später eine E-Mail kam, man bedaure die Probleme, nun würde alles funktionieren, gab es bereits keine Innenraumkarten mehr. Ich hatte zwei. Ich wurde: der Vater des Jahres –mit stressbedingtem Herzschaden.
Von wegen Opfer
Nun ist es nicht so, dass der Besuch des Konzertes für mich ein Opfer darstellen würde. Unter all den Künstlerinnen, die regelmäßig in den Charts auftauchen, ist Billie Eilish die mit Abstand interessanteste. Das zeigt sich auch diese Woche wieder: „Everything I Wanted“ ist eine herzergreifend schöne Ballade, die geschmackvoller arrangiert ist als jedes andere Pop-Stück, mit dem ich mich in diesem Jahr beschäftigen musste/durfte: Die Beats sind punktgenau gesetzt, das Spiel aus Reduktion und Sound-Verdichtung funktioniert prächtig, es ist: eine Freude. Und wir, wir haben Innenraumkarten!
Warnung der Woche: Nach „Mamacita“, der extra-klebrigen Zusammenarbeit mit Santana, setzt der Rapper Tyga noch einen drauf und rappt zu einem „Macarena“-Sample. Platz 30, goldenes Black-Eyed-Peas-Abzeichen am Bande. Schlimm.