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Bibel-Epos bei NetflixMaria als Actionheldin – geht das wirklich gut?

Lesezeit 3 Minuten
Mary. Noa Cohen as Mary in Mary. Cr. Christopher Raphael/MM FILM LLC  2024.

Mary. Noa Cohen as Mary in Mary. Cr. Christopher Raphael/MM FILM LLC 2024.

Noa Cohen spielt die Titelrolle im Netflix-Weihnachtsfilm „Maria“. Eine dramatische Inszenierung im Action-Stil, der das Leben der Mutter des Heilands ohne Rücksicht auf Verluste erzählt.

Nach diesem Film müssen die Krippen all überall auf der Welt neu organisiert werden. Denn statt Ochs und Esel sind im Stall zu Bethlehem ihre Mutter Anne und ihre Kusine Elisabeth an der Seite Marias, um ihr bei der Geburt zu helfen. Der neue Netflix-Schinken über die jungen Jahre der Mutter des Heilands stiftet aber nicht nur an dieser Stelle Verwirrung.

„Ihr mögt glauben, dass ihr meine Geschichte kennt, aber glaubt mir, ihr kennt sie nicht“, orakelt die Protagonistin (dargestellt von Noa Cohen) zu Beginn von D. J. Carusos knapp zweistündigem Epos. Hat man es bis zum Abspann geschafft, muss man nicht sonderlich bibelfest sein, um zu spüren, dass für diese Version nicht nur auf die vier Evangelisten zurückgegriffen wurde. Zwischen den Eckdaten hat Drehbuchautor              Timothy Michael Hayes beherzt die eigene Fantasie eingesetzt.

Und so erzählt er von der Geburt Marias, des Schwures ihres Vaters Joachim, sie Gott zu weihen, den Jahren, die das Mädchen im Tempel im Jerusalem verbringt – und sich als recht rebellisch entpuppt. Sie trifft auf Josef (Ido Tako), die beiden werden miteinander verlobt. Bevor sie heiraten verkündet ihr der Engel Gabriel (Dudley O'Shaughnessy), dass sie Gottes Sohn zur Welt bringen wird — was dazu führt, dass sie aus dem Tempel vertrieben und von einem Mob gejagt wird: Maria soll gesteinigt werden, Joseph den ersten Stein werfen. Er rettet sie stattdessen – wie die beiden dem tobenden Mob entkommen können, bleibt rätselhaft. Im Zweifel kann ein Drehbuchautor bei dieser Art von Stoff halt immer mal wieder auf himmlische Hilfe zurückgreifen.

Gemeinsam stark: Noa Cohen als Maria und Ido Tako als Joseph. Der größte Teil des Ensembles stammt aus Israel.

Gemeinsam stark: Noa Cohen als Maria und Ido Tako als Joseph. Der größte Teil des Ensembles stammt aus Israel.

Doch zusammen mit Regisseur Caruso macht Hayes aus dem hoch heiligen Paar zwei veritable Actionfiguren. Nicht nur in der Steinigungsszene wissen die beiden auch ihre Fäuste einzusetzen. Wenn sie später auf der Flucht nach Ägypten von Herodes Häschern in einem Bauernhaus aufgespürt werden, rettet Maria sich und ihr Neugeborenes mit einem beherzten Tritt gegen den Fensterladen auf ein Vordach, bevor das Gebäude in Flammen aufgeht. Sekunden zuvor noch hatte sie sich wild über den Boden des Speichers gerollt, immer knapp verfehlt vom Schwert des Soldaten, das dieser durch die Decke sticht. Spannend ist das allemal, die Szene besticht mit Tempo und schnellen Schnitten. Auch die Folterung des Priesters Baba ben Buta (Mehmet Kurtuluş) einige Szenen zuvor gerät arg blutig. Da wähnt man sich streckenweise schon im sprichwörtlich falschen Film.

Anthony Hopkins als König Herodes: Nicht die Krönung der Karriere

D.J. Caruso hat sich schon in verschiedenen Genres ausprobiert, die Mehrzahl seiner Arbeiten tragen aber Titel wie „Für dein Leben würde er töten“, „Eagle Eye – Außer Kontrolle“ oder „The Terror Room“. Wahrscheinlich wurde er aus genau diesem Grund ausgewählt, um die Geschichte Marias auch für Zielgruppen jenseits des Erwartbaren kompatibel zu machen.

Anthony Hopkins als König Herodes.

Anthony Hopkins als König Herodes.

Aber das doch überschaubare Action-Angebot wird den Fans des Genres am Ende nicht langen. Außerdem muss man sich durch arg süßliche Sequenzen, noch mehr süßliche Musik und Dialoge, die zwischen biblisch und banal pendeln, quälen.

Bei all dem darf man Anthony Hopkins nicht vergessen, der mit seinem Auftritt als Herodes seiner beeindruckenden Filmografie nicht unbedingt die Krone aufsetzt. Klar, spätestens seit Hannibal Lecter ist er mehr oder minder abonniert auf Bösewichte, da würde sich doch ein König, der alle männlichen Babys einer Stadt umbringen lässt, praktisch nahtlos einreihen.

Allein, sein optisch als King Lear angelegter Herrscher gerät zur Karikatur. Gegen ihn ist Peter Ustinovs Nero in „Quo Vadis“ ein fast ernstzunehmender Zeitgenosse. Und warum ihm noch lebende, lauthals krakelende Babys in ihren Körbchen in den Thronsaal gebracht werden, weiß sicherlich nicht mal der Himmel.