Wohnung gesucht!Mieterverein fordert höhere Strafen bei Zweckentfremdung
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Im Interview kritisieren die Vorsitzenden des Mietervereins den Mangel an Sozialwohnungen in Köln.
Zudem fordern sie von der Stadt höhere Strafen bei Zweckentfremdung von Wohnraum.
Im fünften Teil unserer Serie haben wir gefragt: Unternimmt die Stadt genug und sind die Vermieter zu gierig?
Köln – Der Mieterverein Köln ist der drittgrößte Verein im Deutschen Mieterbund, er vertritt die Interessen von 67 000 Mitgliedern in Köln und Region. Mit dem Vorsitzenden Franz-Xaver Corneth und Geschäftsführer Hans Jörg Depel sprach Michael Fuchs.
Die Mieten in Köln steigen zum Teil enorm, bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper, Sozialwohnungen fehlen – was sind die Gründe?
Corneth: Der Mieterverein hat bereits 2009 darauf hingewiesen, dass wir in Köln jedes Jahr 2000 öffentlich geförderte Wohnungen bauen müssten, um den Bedarf zu decken. Der Rat hat dann 1000 Wohnungen pro Jahr beschlossen. Diese Zahl wurde aber noch nie erreicht. Die Folge ist ein dramatischer Rückgang. 1990 hatten wir in Köln einen Anteil von 22,6 Prozent geförderten Wohnungen, 2018 waren es 6,9 Prozent. Wenn das so weitergeht, werden es 2030 nur 3,5 Prozent sein. Und das, obwohl mehr als 40 Prozent der Kölner Anspruch auf eine geförderte Wohnung hätten.
Corneth: Unter den insgesamt 3923 Wohnungen, die 2018 in Köln fertiggestellt wurden, waren nur 574 öffentlich gefördert. 436 davon – also drei Viertel – wurden von der GAG errichtet. Das heißt: Nach wie vor baut außer der GAG fast niemand geförderte Wohnungen in Köln – trotz aller Vorgaben. Das ist für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt eine Katastrophe.
Wie groß sind die Unterschiede bei den Mieten in Köln?
Depel: Je nach Alter und Ausstattung sowie Lage der Wohnung findet man tatsächlich noch Bestandsmieten ab vier, fünf Euro den Quadratmeter, das sind alte Wohnungen ohne Heizung. Das Gros der Bestandsmieten in Köln liegt zwischen etwa sechs und elf Euro, wie es auch dem Mietspiegel zu entnehmen ist. Aber in angesagten Vierteln wie Südstadt oder Ehrenfeld werden bei Neuvermietungen durchaus 14, 15 Euro und mehr aufgerufen. Und bei möblierten Apartments liegen die Preise teilweise sogar deutlich über 20 Euro pro Quadratmeter.
Sind angesichts hoher Mieten mehr Menschen gezwungen, aus Köln wegzuziehen und zur Arbeit zu pendeln?
Depel: Das nähere Umland ist heute kaum noch eine Alternative zu Köln. Wenn Sie über die Stadtgrenze nach Brühl, Frechen oder Bergisch Gladbach schauen, finden Sie dort vielfach Mieten, die fast genauso hoch sind wie in Köln. Der Speckgürtel wächst immer weiter. Köln gehört wie Aachen, Bonn, Düsseldorf und Münster zu den fünf „Schwarmstädten“ in NRW, deren Einwohnerzahl stark zulegt.
Viele Stadtteile wachsen, andere stagnieren. Woran liegt das?
Depel: Steigende Einwohnerzahlen finden wir vor allem dort, wo große Neubaugebiete entstehen, die für Familien interessant sind – zum Beispiel in Rondorf. Auch innenstadtnahe Lagen, wo durch Nachverdichtung zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird, wachsen, weil sie für junge Leute besonders attraktiv sind. Im Norden und am rechtsrheinischen Stadtrand fällt die Entwicklung dagegen verhaltener aus.
Die Stadt rechnet mit 1,15 Millionen Einwohnern bis 2040 – 70 000 mehr als 2017. Hat Köln noch genug Flächen, um die benötigten Wohnungen zu bauen?
Corneth: Definitiv ja. Köln ist ein Drittel größer als München, das 1,5 Millionen Einwohner hat. Fläche ist genug da, es gibt rund 189 Hektar unverplante Flächen in Köln. Man muss die Möglichkeiten aber auch konsequent für den Wohnungsbau nutzen. Das Problem ist, dass die Kölner Politik viel darüber redet, dann aber kaum etwas passiert. Das ist frustrierend.
In Zeiten des Klimawandels brauchen Städte aber zunehmend Freiflächen als Frischluftschneisen. Steht das dem Wohnungsbau im Wege?
Corneth: Nein, diese Aspekte müssen aber bei der Planung künftig stärker berücksichtigt werden. Man kann nicht einfach alles zubauen. Wir brauchen Freiflächen, auf denen Wasser versickern kann. Wir müssen Bäume pflanzen, um die Stadt zu kühlen. Das alles gilt es bei der Entwicklung neuer Quartiere am Stadtrand wie Kreuzfeld zu bedenken. Aber das ist machbar.
Wäre ein Mietendeckel wie in Berlin sinnvoll für Köln?
Corneth: Nachdem der Bund die Mietpreisbremse verlängert hat, wird gerichtlich überprüft, ob das Land Berlin überhaupt einen Mietendeckel einführen durfte. Diese Prüfung wird fünf bis zehn Jahre dauern, in dieser Zeit wird der Wohnungsbau brachliegen. Der Mietendeckel ist also kontraproduktiv. Wir halten ihn auch für unsozial. Während man sich am Prenzlauer Berg darüber freuen kann, werden die Mieten in Marzahn für viele trotzdem zu hoch sein.
Depel: Wir halten andere Instrumente für wirksamer, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu erhalten.
Worauf spielen Sie an?
Depel: Die Kappungsgrenzenverordnung sollte schärfer gefasst werden. Sie regelt, dass bei Bestandsmietern in Köln, Bonn und anderen Städten die Miete innerhalb von drei Jahren nur um bis zu 15 Prozent bis zum Erreichen der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden darf, bundesweit sind 20 Prozent erlaubt. Auch den Paragrafen 5, Wirtschaftsstrafgesetz, wonach unangemessen hohe Entgelte bei Vermietungen eine Ordnungswidrigkeit darstellen, gilt es zu schärfen.
Sind die Vermieter zu gierig?
Corneth: Wir haben in Köln viele Vermieter, denen solide, stabile Mietverhältnisse wichtiger sind als maximale Rendite. Das ist ein Geben und Nehmen zwischen Mieter und Vermieter, das völlig in Ordnung ist. Andere jedoch setzen bei Neuvermietungen extreme Preisaufschläge durch. Und wir wissen auch von Fällen, in denen Vermieter rechtswidrig exorbitante Mieterhöhungen verlangen. Dagegen gehen wir vor.
Unternimmt die Stadt genug gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum?
Corneth: Nein. In Köln werden rund 7000 Wohnungen als Touristenunterkünfte vermietet und so dem Wohnungsmarkt entzogen. Um gegen illegale Vermietung vorzugehen, hat die Stadt anfangs nur zwei Mitarbeiter eingesetzt, jetzt sind es immerhin 18. In Barcelona kümmern sich 100 Mitarbeiter darum. Köln muss das Problem ganzheitlicher angehen.
Was meinen Sie konkret?
Corneth: Das Wohnungsamt sollte gemeinsam mit Ordnungsamt und Steueramt gegen illegale Vermietung vorgehen. Denn dabei geht es ja oft auch um Steuerhinterziehung und Ruhestörung. Als Mieterverein werden wir außerdem beim Land NRW darauf hinwirken, dass das Wohnraumschutzgesetz verschärft wird. Man muss den Kommunen mehr Rechte geben, ihre Wohnraumschutzsatzungen durchzusetzen. Dazu gehören auch höhere Bußgelder bei Zweckentfremdung von Wohnraum. Die Obergrenze sollte nicht 50.000 Euro betragen, sondern 500.000 Euro.