Rund vier Jahre nach dem Tod einer jungen Frau und ihres per Notkaiserschnitt zur Welt geholten Babys durch verunreinigte Glukose hat das Kölner Landgericht eine Apothekerin verurteilt.
Verunreinigte GlukoseKölner Apothekerin zu Bewährungsstrafe verurteilt
Im September 2019 macht eine Schwangere bei ihrem Frauenarzt einen Routinetest auf Schwangerschaftsdiabetes. Hierzu nimmt die 28-Jährige eine Glukosemischung zu sich, die sie zuvor in der Heilig Geist Apotheke in Longerich besorgt hatte. Bereits kurz nach der Einnahme klagte die Frau über Taubheitsgefühle in Mund und Rachen. Dann erleidet sie einen Krampfanfall und fällt ins Koma. Stunden später verstirbt sie an Organversagen, so wie auch ihr per Notkaiserschnitt zur Welt geholter Sohn einen Tag später. Der Grund: In der Apotheke war zuvor Glukose mit dem Betäubungsmittel Lidocainhydrochlorid vermischt worden.
Urteil nach vier Jahren
Am Donnerstag, fast genau vier Jahre nach dem tragischen Vorfall, verurteilte das Landgericht nun die Geschäftsführerin (52) der Apotheke wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung sowie unterlassener Hilfeleistung zu zwei Jahren Haft. Die Strafe setzte das Gericht zur Bewährung aus. Wegen der überlangen Verfahrensdauer aufgrund von Überlastung der Kammer, gelten zwei Monate bereits als vollstreckt.
Nach 16 Verhandlungstagen zeigte sich das Gericht überzeugt, dass die Angeklagte im Vorlauf zu der Tragödie einen „fatalen Fehler“ begangen habe. Beim „Ordnung schaffen“ in der Rezeptur — dort werden in einer Apotheke Medikamente hergestellt — habe die 52-Jährige einen Rest Lidocain, den sie für Glukose „gehalten“ habe, in einen Behälter mit Glukose geschüttet. Ein Vorgang, den die Vorsitzende Richterin Sabine Kretzschmar als „pflichtwidrig“ bezeichnete. Mit dem Zusammenschütten habe sie gegen„allgemein anerkannte Regeln des Berufs“ verstoßen, so Kretzschmar. Und weiter: „Das Zusammenschütten von Substanzen aus zwei Gefäßen“ gelte in der Pharmazie als „absolutes No Go“.
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Obwohl der Angeklagten der Verdacht gekommen sei, dass bei der 28-Jährigen eine Lidocain-Vergiftung vorliegen könnte, teilte sie dies laut Urteil den behandelnden Ärzten jedoch nicht mit, was das Gericht als unterlassene Hilfeleistung wertete. Dabei sei unerheblich, dass die entsprechende Information das Leben der Frau und ihres Babys nicht mehr gerettet hätte.
Zudem sei der Verdacht einer Verunreinigung von Glukose mit dem Betäubungsmittel bereits zwei Tage vor dem Vorfall mit der 28-Jährigen aufgekommen. Eine andere Schwangere hatte ebenfalls den Routinetest machen sollen, hatte die Einnahme der Glukosemischung bei ihrem Frauenarzt aber nach einem Schluck abgebrochen, weil die Mischung ungewöhnlich bitter schmeckte. Auch diese Frau war mit Vergiftungserscheinungen in ein Krankenhaus gekommen, hatte sich dann aber rasch wieder erholt — das Gericht wertete diesen Fall als fahrlässige Körperverletzung. Ursprünglich angeklagt war die 52-Jährige unter anderem wegen versuchten Mordes durch Unterlassen — einem Vorwurf, an dem die Staatsanwaltschaft festhielt.
Verteidigung kündigt Revision an
Für die Annahme eines versuchten Mordes fehlte dem Gericht aber der Vorsatz. Auch das von der Staatsanwaltschaft angenommene Mordmerkmal der Verdeckung einer Straftat, um Schaden vom Ruf der Apotheke abzuwenden, vermochte das Gericht nicht zu erkennen. Bereits im Vorfeld des Urteils hatte die Angeklagte, die das Geschehen zwar bedauerte, jedoch jede Schuld von sich wies, 75 000 Euro an die Hinterbliebenen gezahlt. Als Bewährungsauflage setzte das Gericht zudem eine Zahlung von 20 000 Euro an die Kinderintensivstation der Uniklinik fest. Die Verteidiger der 52-Jährigen kündigten Revision gegen das Urteil an.