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Urteil am 100. Verhandlungstag?Prozess gegen Thomas Drach in Köln auf der Zielgeraden

Lesezeit 3 Minuten
Der Angeklagte Thomas Drach sitzt auf der Anklagebank im Kölner Landgericht.

Thomas Drach hat am 100. Verhandlungstag das letzte Wort.

Die Staatsanwaltschaft hat für Drach eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert.

Nach fast zwei Jahren soll der Prozess gegen Deutschlands wohl bekanntesten Schwerverbrecher zum Ende kommen. Genau am heutigen 100. Verhandlungstag hat der Angeklagte Thomas Drach das „letzte Wort“. Möglicherweise wird das Kölner Landgericht auch heute noch das Urteil sprechen. Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind bereits durch.

Dem Reemtsma-Entführer werden vier spektakuläre Raubüberfälle auf Geldtransporter in Köln, Frankfurt am Main und im hessischen Limburg zwischen März 2018 und November 2019 zur Last gelegt. Der 63-Jährige ist zudem wegen versuchten Mordes angeklagt: Bei zwei der Taten soll er auf Geldboten geschossen haben, die beiden Männer erlitten schwere Verletzungen. Drach bestreitet alle Vorwürfe.

Prozess ist reich an überraschenden Wendungen

Ursprünglich waren für den Prozess, der im Februar 2022 begann, nur halb so viele Termine geplant. Aber die Verhandlung, reich an überraschenden Wendungen und schillernden Eklats, zog sich immer weiter hin. Unter anderem brachten die Verteidiger mehrere Befangenheitsanträge gegen die Kammer vor - über einige ist bislang noch nicht entschieden.

Zahlreiche Verhandlungstage fielen wegen Corona-Infektionen und anderer Erkrankungen aus. So klagte Drachs Mitangeklagter immer wieder über Schulterschmerzen. Schließlich trennte das Gericht das Verfahren des Niederländers ab, seit Sommer wird gegen ihn separat verhandelt.

1996 hatte Drach den Erben der Hamburger Tabak-Dynastie Reemtsma, Jan Philipp Reemtsma, entführt und nach 33 Tagen wieder freigelassen - gegen ein Lösegeld von 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken. Für die Tat war er zu vierzehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Drach wurde meist mit dem Hubschrauber eingeflogen

Beim jetzigen Prozess gelten hohe Sicherheitsvorkehrungen. An jedem Verhandlungstag sperrt die Polizei die Zufahrt zum Gerichtsgebäude weiträumig ab. Drach wird meistens per Hubschrauber von der Justizvollzugsanstalt Köln her eingeflogen.

Viele Sachverständige und Zeugen kamen in dem Prozess zu Wort. Ein Geldbote, der bei einem Überfall am Flughafen Köln/Bonn angeschossen worden war, berichtete, dass er bis heute psychisch unter den Folgen leide. „Ich träume jede Nacht davon“, sagte der Mann. Ein Wertbote, der in Frankfurt von einer Kugel in den Oberschenkel getroffen worden war, zeigte sich vor Gericht auch äußerlich noch schwer angeschlagen. Auf einen Rollator gestützt schleppte er sich in den Zeugenstand und berichtete von einem Schusswechsel, den er sich mit einem Räuber geliefert habe.

Die Staatsanwaltschaft hat für Drach eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Damit würde der Deutsche nach verbüßter Haft in den Maßregelvollzug überstellt und dort weiter hinter Gittern sitzen. Die Staatsanwältin sah es in ihrem Plädoyer als „zweifelsfrei erwiesen“ an, dass Drach drei der angeklagten Überfälle begangen und dabei knapp 142.000 Euro erbeutet hat. In zwei Fällen habe er auf Geldboten geschossen. Lediglich die Tat in Limburg sei ihm nicht nachzuweisen.

Die Verteidiger beantragten Freispruch für ihren Mandanten. Drach sei an keinem der Tatorte erkannt oder von Zeugen identifiziert worden.

Ob heute tatsächlich ein Urteil fällt, bleibt abzuwarten. Nach Angaben eines Gerichtssprechers will der Vorsitzende Richter erst an dem Tag bekannt geben, ob er einen weiteren Termin für die Urteilsverkündung anberaumt oder nicht. (dpa)