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Überraschung im Kölner ProzessDrach lässt vor Gericht die Bombe platzen

Lesezeit 3 Minuten
26.04.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: Der Angeklagte Thomas Drach (l) hebt im Kölner Landgericht neben seinem Anwalt Andreas Kerkhof seine Hand zum Gruß.

Der Angeklagte Thomas Drach (l) im Kölner Landgericht neben seinem Anwalt Andreas Kerkhof (Archivbild)

Drach holte vor Gericht in Köln zu einem durchaus krude wirkenden Rundumschlag gegen seine beiden Verteidiger aus.

Es ist der 98. Hauptverhandlungstag im Prozess gegen den früheren Reemtsma-Entführer Thomas Drach. Als der 62-Jährige am Freitag von SEK-Beamten in den Saal gebracht wird, folgte nicht wie üblich ein Shakehands mit seinen beiden Verteidigern Andreas Kerkhof und Dirk Kruse. Nein, gruß- und blicklos zog Drach an den beiden Verteidigern vorbei und setzte sich deutlich Abseits auf die Anklagebank. Dem Vorsitzenden Dr. Jörg Michael Bern blieb das nicht verborgen, und er kommentiert trocken zu Beginn der Verhandlung: „Ah, neue Sitzordnung.“ Dann wendet sich Bern gleich an die Hauptperson in dem Prozess und fragt: „Es gibt Klärungsbedarf, Herr Drach?“ Der 62-Jährige knurrt ein kurzes: „Ja.“

Dann platzt die Bombe: Drach will tatsächlich seine Verteidiger loswerden. Die Rundschau hatte bereits am Donnerstag exklusiv unter Berufung auf Justizkreise von Drachs Vorhaben berichtet. In einem vom Blatt abgelesenen und durchaus krude wirkenden Rundumschlag gegen seine beiden Verteidiger, behauptete Drach, Verteidiger Kerkhof sei von einem Oberstaatsanwalt „gekauft“ worden. Darum müssten die beiden Verteidiger aus dem Prozess entfernt und der Prozess eingestellt werden.

Drach bezeichnet Anwalt als verrückt

Zudem bezeichnete Drach Kerkhof als „verrückt geworden“ und „Liebeskasper“. Dabei deutete er an, dass Kerkhof womöglich in die beiden Sitzungsvertreterinnen der Staatsanwaltschaft verliebt sei. Weiter machte Drach — wie bereits an Verhandlungstagen im August und Oktober — Andeutungen, dass eine von seinem früheren Entführungsopfer Jan Philipp Reemtsma initiierte Verschwörung gegen ihn laufe. Gegen diese Verschwörung vorzugehen, würden seine Verteidiger sich aber beharrlich weigern.

Drach hatte im August und Oktober bereits behauptet, Reemtsma verfolge ihn seit Jahren und bediene sich dabei auch staatlicher Institutionen wie dem Hamburger Landeskriminalamt. Reemtsma war 1996 von Drach entführt worden und befand sich 33 Tage i dessen Gewalt. Erst nach der Zahlung von 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken kam Reemtsma wieder frei. Später wurde Drach für die Tat zu vierzehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Weiter wurde am Freitag bekannt, dass der zweite Pflichtverteidiger, Dirk Kruse, von sich aus bereits am 7. Dezember beim Gericht seine Entpflichtung beantragt hat. Es bestünden „grundlegende Meinungsverschiedenheiten, die nicht behoben werden können“ in Bezug auf die weitere Verteidigung Drachs, hieß es in dem vom Vorsitzenden verlesenen Antrag Kruses.

Genauere Ausführungen machte Kruse wegen seiner Verschwiegenheitspflicht, die sich aus seinem Mandatsverhältnis zu Drach ergibt, jedoch nicht. Verteidiger Kerkhof gab jedoch eine „anwaltliche Versicherung“ ab und bekräftigte damit die Richtigkeit der Angaben Kruses. Die Kammer gab zum Abschluss des rund anderthalbstündigen Verhandlungstags bekannt, dass sie über die Anträge nun beraten werde. Der nächste Verhandlungstag ist für kommenden Mittwoch terminiert.

Drach werden in dem Prozess vier Raubüberfälle auf Werttransporter in Köln, Frankfurt am Main sowie im hessischen Limburg zur Last gelegt. zudem ist er wegen versuchten Mordes angeklagt, weil er bei zwei Überfällen auf Wertboten geschossen und diese erheblich verletzt haben soll.