Köln – In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Zeit in Köln vor, Orte ohne Gedenktafeln. Anselm Weyer widmet sich heute dem Besuch von Queen Elizabeth II. im Jahr 1965, die Monarchin wurde wie ein Pop-Star gefeiert. Nächsten Donnerstag feiert die Königin ihr 70. Thronjubiläum.
Symbolischer Besuch der Queen am 18. Mai 1965
Das war kein einfacher Staatsbesuch, es war fast schon eine Absolution: Mit dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle 1962 und dem US-Präsidenten John F. Kennedy 1963 hatten die zwei anderen westlichen Siegermächte Westdeutschland bereits ihre Aufwartung gemacht.
Am 18. Mai 1965 betrat nun auch Königin Elizabeth II. auf dem Flughafen Köln-Wahn deutschen Boden – als erster britischer Monarch seit 1909. Mit der elftägigen Rundreise wurde der ehemalige Gegner auch von britischer Seite zwanzig Jahre nach Kriegsende wieder symbolisch im Kreis der zivilisierten Nationen aufgenommen.
Sippvisite der Queen in Köln dauerte nur 110 Minuten
Das deutsche und das britische Volk seien während des größten Teils ihrer Geschichte Freunde und Verbündete gewesen, betonte die Queen beim Staatsempfang, den Bundespräsident Heinrich Lübke auf Schloss Augustusburg gab.
Der „tragische Abschnitt“ in den deutsch-britischen Beziehungen sei überwunden, verkündete sie und betonte die Wichtigkeit Europas: „Meine Anwesenheit hier an diesem Abend ist ein Beweis für die feste Überzeugung meiner Regierung und meines Volkes, dass die vor uns liegenden wichtigen Aufgaben nur in engster Zusammenarbeit gelöst werden können.“
Die Völker Europas könnten sich die Konflikte und Spaltungen früherer Jahrhunderte nicht mehr leisten. Es sei eine gemeinsame Aufgabe, die Zivilisation in Freiheit und Frieden zu verteidigen und weiter „geduldig auf eine bessere Verständigung und auf gleiche Gerechtigkeit unter den Völkern“ hinzuarbeiten. Und so gab man sich auch in Köln jegliche erdenkliche Mühe, Elizabeth bei ihrer nur 110 Minuten dauernden Stippvisite am Dienstag, 25. Mai 1965, ein würdiger Gastgeber zu sein.
„Es hat Einfahrt der Sonderzug Ihrer Majestät“
Die Innenstadt wurde drei Stunden gesperrt. Zwischen 9 und 12 Uhr fuhren weder Straßenbahn noch Bus im Umfeld des Hauptbahnhofs. Zwischen 10 und 11 Uhr wurden Bahnen und Busse von der Deutzer Brücke über die Severinsbrücke umgeleitet. Vor der Ankunft des rollenden Domizils der Königin, 15 Wagen, 400 Meter lang und 800 Tonnen schwer, eruierten Bundesbahner präzise mit dem Metermaß, wo die Queen Kölner Hauptbahnhofboden betreten würde.
„Achtung Gleis eins: Es hat Einfahrt der Sonderzug Ihrer Majestät, der Königin von England“, hieß es dann Punkt 10 Uhr am Kölner Hauptbahnhof. Die Queen entstieg in türkisfarbenem Komplet und passendem Hut ihrem Abteil. Ihrer harrte ein Empfangskomitee auf rotem Teppich: Oberbürgermeister Theo Burauen, mit goldener Amtskette angetan, und seine Frau mit einem Strauß von 25 Nelken in den Stadtfarben Rot und Weiß, dazu Polizeipräsident Theodor Hochstein und der britische Generalkonsul in Düsseldorf nebst Gattin.
Zusammen schritt man die mit einem roten Läufer ausgelegte Treppe zur Bahnhofshalle herunter, vorbei an der jubelnden Menschenmenge und rein in die bereitstehenden Wagen: Queen und der Oberbürgermeister in einen offenen Mercedes 600, Prinz Philip und Frau Burauen in einen Mercedes 300. Hinter den Absperrungen sah das gemeine Volk, wie sich der königliche Konvoi langsam über Domkloster und Unter Goldschmied Richtung Rathaus bewegte. Geradezu Logenplätze hatten die Bauarbeiter auf den Gerüsten, mit denen die Ruine des Rathausturms umhüllt waren.
Römische Henkelkanne überraschte die Königin
Vor dem Rathaus selbst wartete neben einem weiteren Empfangskomitee ein makelloser roter Teppich. Um diesen nicht zu verschmutzen, hatten die Ehrengäste des anstehenden Empfangs das Rathaus durch ein Seitenportal betreten müssen. Kritisch merkte die Presse an, dass einige Damen ohne Hut erschienen seien, obwohl doch die Königin vor 18 Uhr keine Dame ohne Hut zu sehen wünsche.
Weil laut Protokoll nicht viel Zeit war, gingen einige Augenbrauen hoch, als Oberbürgermeister Burauen seine Rede im festlich geschmückten Ratssaal mit der Römerzeit beginnen ließ, um dann aber doch zügig in der Hoffnung zu münden, der Besuch der Königin möge den Frieden und die Freundschaft zwischen dem britischen und dem deutschen Volk besiegeln.
Überrascht soll die Monarchin gewesen sein, als sie daraufhin eine prunkvolle 30 Zentimeter hohe römische Henkelkanne aus dem 3. Jahrhundert geschenkt bekam. Sie selbst überreichte ein von ihrer Unterschrift geziertes Foto. Eine Unterschrift setzte das königliche Ehepaar auch noch ins Goldene Buch der Stadt, bevor es um 10.30 Uhr weiter ging, an jubelnden Massen vorbei über Quatermarkt, Cäcilienstraße und Neumarkt.
Kölner Dom als letzter Programmpunkt
Das während des Vormittags beständig in der Luft liegende Gewitter hatte die Freundlichkeit erst auszubrechen, als die Gesellschaft das schützende Dach des eigens renovierten British Council, genannt „Die Brücke“ erreicht hatte. Hier an der Hahnenstraße 6 warteten 300 Gäste auf Elizabeth II. Der offene Wagen der Queen ist durch einen geschlossenen ausgetauscht, als es ab 10.55 Uhr über Rudolfplatz, Ringe, Christophstraße und Unter Sachsenhausen zum letzten Programmpunkt ging: dem Kölner Dom.
Hier versuchten Polizisten verzweifelt, die im Sturm wehenden roten Teppiche zu bändigen. Kardinal Frings und Mitglieder des Domkapitels in prächtigem Ornat begrüßten am Westportal weniger die Königin als das Haupt der Anglikanischen Kirche.
Während der Kölner Domchor „Jubilate Deo“ von Orlando di Lasso intonierte, durften Queen und Gatte auf jenem mit roter Seide ausgeschlagenen Sitz im Chorgestühl Platz nehmen, das im Mittelalter den deutschen Kaisern vorbehaltenen war, um somit, so Frings, „dem Gedenken des Friedens und der Freundschaft zwischen England und Deutschland Ausdruck zu geben“.
Queen Elizabeth II. war mehrfach in Köln
Die Queen bekam vom Kardinal dann persönlich die Geschichte des Doms erläutert und in Beziehung zur Westminster Abbey gesetzt, bevor sie 11.45 Uhr durch das Nordportal entschwand und trotz leichten Regens ohne Regenschirm und zu Fuß zurück zum Hauptbahnhof ging, von wo ihr Zug sie nach Benrath brachte.
Die Queen war nicht das letzte Mal in Köln. 40 Schulkinder von der englischen Schule in Bonn wedelten am Dienstag, dem 20. Oktober 1992, zum Empfang der schwarzen Limousine vor dem Gebäude des Europäischen Transschall-Windkanals (ETW) in der Ernst-Mach-Straße mit Papierfähnchen, wo sie das noch nicht in Betrieb genommene europäische Gemeinschaftsprojekt erklärt bekam und anschließend wortlos zunächst eine Gedenktafel und den Prototyp eines Flügels aus dem Tunnel-Gebläse enthüllte, um sich dann ins Gästebuch einzutragen. Die Strahl- und Symbolkraft des Besuchs von 1965 konnte dabei aber nicht entfaltet werden. In Dresden wurde sie 1992 sogar mit Eiern beworfen.
Anselm Weyer ist promovierter Germanist, schreibt Architekturführer und beschäftigt sich vielfältig mit der Kölner Stadtgeschichte.