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Serie „Spurensuche“Meister der Materialien – Joseph Beuys und sein Wirken in Köln

Lesezeit 5 Minuten

Streitbarer Geist: Joseph Beuys, 1976, zu sehen in der Ausstellung im Schloss Moyland 

  1. In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Kölner Zeit vor.
  2. Wo hat Romy Schneider Böll getroffen? Wo hat Christo seine erste Verpackungskunst gezeigt?
  3. Heute: Welche Spuren hat Joseph Beuys, der 100 Jahre alt würde, hinterlassen?

Wer hätte an diesem 18. Juli 1963 wohl gedacht, dass in der Kölner Galerie Rudolf Zwirner Geschichte geschrieben würde? An diesem Tag stellte Joseph Beuys am Kolumbakirchhof 2 eine Arbeit aus, die als seine erste Beschäftigung mit dem Material gilt, für das er so berühmt werden sollte: „Fettecke in Kartonschachtel“. Ohne Einverständnis des Galeristen übrigens. „Ich habe einen Abend mit Allan Kaprow geplant“, erzählte Rudolf Zwirner in einem Interview. „Herr Beuys war natürlich eingeladen. Er kam und stellte die Fettecke einfach aus. Gegen meinen Willen! Er hat die Veranstaltung benutzt, um auf die Fettecke aufmerksam zu machen. Heute ist das Kunstgeschichte, aber mit mir hat das nichts zu tun.“

Schon vorher hatte Beuys in Köln gewirkt – allerdings vor allem als Gehilfe seines Lehrers Ewald Mataré. Dem hatte man einen besonderen Auftrag gegeben. Trotz der allgegenwärtigen Verheerungen des Zweiten Weltkriegs sollte 1948 ein großes Fest gefeiert werden: 700 Jahre Grundsteinlegung des Kölner Doms. Hierbei sollte auch am 15. August eine Prozession durch die Mitteltüren des Südquerhauses in jene Kathedrale einziehen, die wie durch ein Wunder aus dem Trümmermeer emporragte.

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Der Künstler gestaltete die Bischofstür des Doms mit einem Teil seines Rasierspiegels.

Dafür nun, dass diese Türen im neuen Glanz erstrahlten, sollte der berühmte Künstler Mataré sorgen. Weil das aber viel Arbeit war, ließ sich Mataré, Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf, von Studenten helfen. Einer davon: Joseph Beuys. Der erwies sich besonders bei der Materialbeschaffung als sehr kreativ. Auf der sogenannten Bischofstür sollten nicht nur sieben Kölner Schutzheilige dargestellt werden, sondern auch Wappen und Wahlspruch des damaligen Kölner Erzbischofs, Josef Kardinal Frings. Woher aber in diesen an Allem knappen Zeiten die Materialien für die prächtigen Mosaike besorgen? Etliche Steine organisierte Beuys aus dem Schwimmbad eines zerstörten Hauses in Meerbusch.

Aber beim Wappen mit dem schwarzen Kreuz auf weißem Grund fehlte immer noch, so fand jedenfalls Beuys, etwas Licht. Also setzte er in die Mitte des Kreuzes einen quadratischen Spiegelstein – ein Stück seines eigenen Rasierspiegels.

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An der Gereonsdriesch pflanzte er drei Linden

Das Schicksal wollte es jedoch, dass sich gerade dieser besonders persönliche Bestandteil bald aus dem Mosaik löste und einfach durch einen schwarzen Mosaikstein ersetzt wurde. Als dann 1980 100 Jahre Domvollendung gefeiert und etliche renommierte zeitgenössische Künstler eingeladen wurden, sich für eine Ausstellung im Museum Ludwig mit dem Thema „Mein Kölner Dom“ zu beschäftigen, beteiligte sich Joseph Beuys mit einer vierteiligen Arbeit: Auf Fotoleinen ließ er drei Meter hohe Reproduktionen der vier Türen des Südportals aufziehen, die er teils verfremdete.

Die Bischofstür versah der inzwischen zu Weltruhm gelangte Künstler mit einem Pfeil und dem lapidaren Schriftzug: „Mein Rasierspiegel fehlt“.

Ebenfalls noch als Student war Beuys seinem akademischen Lehrer Mataré bei der Gestaltung eines Kriegsdenkmals in Köln behilflich. Die Skulptur „Die trauernden Eltern“ hatte Käthe Kollwitz für den Soldatenfriedhof in Flandern entworfen, auf dem ihr im Ersten Weltkrieg gefallener Sohn beerdigt liegt. Dieses Werk sollte auch in Köln dem Gedenken an die Toten dienen.

Trauernde Eltern von Kollwitz nachmodelliert

Nun war die 1945 verstorbene Kollwitz selbst kein Steinmetz gewesen. Sie hatte Gipsfiguren gefertigt, die zwei Steinmetze nachmodellierten. Also schien es legitim, dieses Werk nochmals nachzubilden. Wieder fragte man Mataré. Der beschloss, das sei doch eine schöne Gelegenheit für seine Meisterschüler, um sich mit dem Material Stein auseinanderzusetzen, die Figuren sollten zehn Prozent größer sein als die Originale und aus Muschelkalk statt Granit. Beuys gestaltete den Vater, die Mutter Erwin Heerich. Aufgestellt sind die Figuren in der Kirche Alt Sankt Alban, die in Erinnerung an den Krieg als Ruine belassenen ist.

Auch später verschlug es Beuys nicht selten nach Köln, das nicht zuletzt Dank des Kölner Kunstmarkts ein Zentrum zeitgenössischer Kunst war. Ein neues Werk von Beuys stellte dann auch der Galerist René Block bei dem 3. Kölner Kunstmarkt im Oktober 1969 in der Kunsthalle Köln aus: „Das Rudel“, das aus einem VW-Bus sowie 24 Holzschlitten besteht, die unter anderem mit Fett und Filzdecken ausstaffiert wurden.

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Als Galerist Block nun mitbekam, dass auf der gleichen Veranstaltung ein imposantes Gemälde des amerikanischen Pop-Art-Künstlers Robert Rauschenberg für 110 000 DM angeboten wurde, beschloss er spontan, „dass die Plastik von Beuys soviel kosten sollte wie ein großes Bild von Rauschenberg oder Wahrhol“. Und tatsächlich, am letzten Messetag erwarb der Erbe der Lackfabrik Herbol-Werke die Plastik – wodurch Beuys in Köln zum ersten zeitgenössischen Künstler wurde, der mit dem Verkauf eines Werkes die magische Schallmauer von 100 000 Mark durchbrach. Das hinderte ihn nicht daran, bei der Eröffnung des 4. Kölner Kunstmarkts am 12. Oktober 1970 zusammen etwa mit Wolf Vostell und Klaus Staeck bei der Aktion „Wir betreten den Kunstmarkt“ gegen jenen Kunsthandel zu wettern und eine Öffnung der Ausstellung für alle zu fordern.

Volksnah gab sich Beuys 1971 in die Hohe Straße mit seiner Aktion „So kann die Parteiendiktatur überwunden werden“, bei der er beidseitig mit Diagrammen bedruckte Tragtaschen aus Polyäthylen verteilte, gefüllt mit Infomaterial, das auf seine „Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ aufmerksam machen sollte – später engagierte sich Beuys für eine andere junge Partei: Die Grünen.

Bis heute in Köln präsent ist Joseph Beuys Köln aber vor allem mit einem oftmals übersehenen Kunstwerk, das am Gereonsdriesch, östlich von Sankt Gereon, steht. Dort pflanzte er am 23. Mai 1985 im Kontext der Ausstellung „Raum Zeit Stille“ des Kölnischen Kunstvereins drei Linden neben drei Basaltsäulen. Es handelt sich um eine Fortführung seiner Aktion „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“, bei der er für die documenta in Kassel 7000 jeweils von einer Basaltsäule flankierte Bäume pflanzte, um mit Kunst die zubetonierte Stadt nachhaltig zu ändern. Und tatsächlich: Die Beuys-Linden spenden in Köln heute noch Schatten.

Anselm Weyer hat in Köln Literaturwissenschaften studiert, in Germanistik promoviert und Stadtführungen angeboten