Kölner Serie „Spurensuche“Kaiser Heinrich IV. – Die Geisel des Erzbischofs
- Wo hat Napoleon genächtigt? Wo stieg Max Schmeling in den Ring? In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Zeit in Köln vor, Orte ohne Gedenktafeln.
- Anselm Weyer widmet sich heute dem Kaiser Heinrich IV.
Köln – Obwohl er versucht haben soll, den Kölner Erzbischof mit seinem Schwert zu töten, ist Kaiser Heinrich IV. als Statue auf der Westseite des ersten Geschosses vom historischen Rathausturm in Köln vertreten. Dargestellt ist er im Büßergewand, das er getragen hat, als der damals 26 Jahre alte deutsche König im Januar 1077 drei Tage lang barfuß im Schnee vor der Burg Canossa ausharrte. Vorausgegangen war ein Kampf zwischen ihm und Papst Gregor VII. um die Macht im Reich. Auf dem Höhepunkt hatte der Papst den König aus der Kirche ausgestoßen und ihn damit quasi handlungsunfähig gemacht.
Heinrich war nämlich nicht nur von den kirchlichen Sakramenten ausgeschlossen. Vor allem erklärte der Papst alle gegen Heinrich geleisteten Treueschwüre für null und nichtig. Die Fürsten setzten ihrem König schließlich eine Frist bis Anfang 1077, um die Angelegenheit zu klären. Also reiste Heinrich zum Papst, der sich zunächst weigerte, seinen Widersacher zu empfangen. Nachdem der König sich aber über Tage hinweg öffentlich erniedrigt und um Verzeihung gebeten hatte, sah sich Papst Gregor gezwungen, ihm zu verzeihen und vom Kirchenbann loszusprechen.
Aus Kaiserswerth von Bischof Anno nach Köln entführt
Zu Köln hatte Heinrich eigentlich ein gutes Verhältnis. Hier hatte der damals amtierende Kölner Erzbischof Hermann II. den 1050 geborenen Jungen am Osterfest, 31. März 1051, getauft. Und am 17. Juli 1054 salbte er ihn in Aachen zum König. Als Erzbischof Hermann 1056 starb, bestimmte Kaiser Heinrich III., Vater von Heinrich IV., Anno zum Nachfolger. Dieser soll heiße Tränen der Andacht und Demut vergossen haben, als er am 3. März 1056 in Anwesenheit des Kaisers die bischöfliche Weihe und den Kölner Erzstuhl empfing. Die Kölner Bevölkerung hingegen war von ihrem Hirten wenig begeistert. Das sollte sie später mit Heinrich IV. verbinden.
Nach dem Tod des erst 40 Jahre alten Vaters im Oktober 1056 übernahm die Mutter, Kaiserin Agnes, die Regierungsgeschäfte für ihren minderjährigen Sohn, der schnell zum Spielball unterschiedlicher Interessen wurde. Über die Jahrwuchs die Zahl jener Amts- und Würdenträger, die meinten, dass das Reich besser nicht durch eine Frau und ein Kind geführt werden sollte. Für eine prima Alternative bei der Führung der Regierungsgeschäfte hielt sich allen voran der Kölner Erzbischof Anno.
Es war im April 1062, als der elfjährigen König und seine Mutter die Kaiserpfalz Kaiserswerth nahe Düsseldorf besuchten, wo sich neben anderen Reichsfürsten auch Erzbischof Anno befand. Nachdem man gemütlich zusammen gegessen hatte, lud Anno den jungen Heinrich ein, doch mal einen Blick auf sein tolles Schiff zu werfen, mit dem er selbst von Köln angereist war. „Kaum aber hatte er das Schiff betreten“, so berichtet der Chronist Lampert von Hersfeld, „da umringten ihn die vom Erzbischof angestellten Helfershelfer, rasch stemmen sich die Ruderer hoch, werfen sich mit aller Kraft in die Riemen und treiben das Schiff blitzschnell in die Mitte des Stroms. Der König, fassungslos über diese unerwarteten Vorgänge und unentschlossen, dachte nichts anderes, als dass man ihm Gewalt antun und ihn ermorden wolle, und stürzte sich kopfüber in den Fluss, und er wäre in den reißenden Fluten ertrunken, wäre dem Gefährdeten nicht Graf Ekbert trotz der großen Gefahr, in die er sich begab, nachgesprungen und hätte er ihn nicht mit Mühe und Not vor dem Untergang gerettet und aufs Schiff zurückgebracht.“ Den knapp dem Tod von der Schippe gesprungenen König brachte Anno als eine Art Geisel in den erzbischöflichen Palast in Köln, an der Südseite des Hildebold-Doms. Nachdem Anno Kaiserin Agnes auch noch dazu bewegt hatte, ihm die Reichsinsignien auszuhändigen, lag mit dem König sowie dessen Symbolen der Macht in seinen Händen die gesamte Staatsgewalt bei ihm. Der Kölner Erzbischof war faktisch Herrscher des Deutschen Reiches. Die ohnehin rege Bautätigkeit fiel nun noch prächtiger aus. Heinrich erlebte unter anderem den Bau der 1067 eingeweihten Säulenbasilika St. Georg und der 1065 vollendeten Kirche St. Maria im Kapitol mit.
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Wenn er schon einmal dabei war, versuchte Anno auch gleich, Heinrich in seinem Sinne, wie die Chronisten schreiben, „mit aller Sorgfalt“ zu erziehen. Das sollte ihm vollkommen misslingen. Nach drei Jahren erzbischöflicher Bevormundung wurde Heinrich IV. mit 14 Jahren volljährig. Sinnbild hierfür war seine sogenannte Schwertleite, begangen am 29. März 1065 in Worms. Als Heinrich der Tradition gemäß mit Schwertgurt und Sporen ausgerüstet worden war, soll er das Schwert gezogen haben und nur mit äußerster Mühe von seiner Mutter davon abzuhalten gewesen sein, über seinen Entführer und Erzieher Anno herzufallen. Später arrangierte sich Heinrich mit Anno, obwohl die Kölner selbst selbstverständlich ihn um Hilfe baten, nachdem sie ihren Oberhirten mit Waffengewalt aus der Stadt geworfen hatten.
Köln besuchte Heinrich noch oft. Zwei Jahre, nachdem seine erste Ehefrau Bertha gestorben war, heiratete er hier im Sommer 1089 die Sächsin Praxedis. Quellen berichten, dass die Ehe weniger der Liebe als politischem Kalkül entsprungen sein soll. Heinrich habe sie entsprechend weniger als Gattin, sondern als Kriegsgeisel behandelt.
Papst Urban wiegelt die Söhne gegen den eigenen Vater auf
Auch mit dem neuen Papst, Urban II., bekämpfte sich Heinrich bis aufs Blut, so dass der Kirchenfürst schließlich sogar Heinrichs ältesten beide Söhne gegen ihren Vater aufwiegelte. Als einer davon schließlich als Heinrich V. zum Herrscher erklärt wurde, kam es zum Bürgerkrieg. Heinrich IV. zog sich 1105 nach Köln zurück, während sein Sohn Mainz zu seinem Hauptstützpunkt wählt. Schließlich wurde beschlossen, Weihnachten eine Reichsversammlung zur Klärung des Thronstreites einzuberufen. Als Heinrich IV. heranrückte, zog ihm sein Sohn vermeintlich freundlich entgegen, um den sich in Sicherheit wiegenden Vater plötzlich zu übertölpeln und einzukerkern. Heinrich IV. wurde zur Abdankung gezwungen. Doch dann entkam er der Gefangenschaft und floh abermals nach Köln, das sein Sohn vergeblich belagern sollte. Bevor es allerdings zu einer Entscheidungsschlacht kommen konnte, erkrankte Heinrich IV. im Juli 1106 bei einem Ausflug nach Lüttich, wo er am 7. August verstarb. Vom Sterbebett hatte er seinem Sohn noch die Reichsinsignien und seinen Segen geschickt.