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Sanae Abdi über die Frauenquote der SPD„Wir leben das jetzt in Köln vor“

Lesezeit 4 Minuten
Sanae Abdi

Am Rhein geht Sanae Abdi gern spazieren, sie wohnt in der Südstadt. Als erste Frau kandidiert sie für die SPD im Bundestagswahlkreis 93 Köln I, den Martin Dörmann 2002 bis 2017 vertrat.

  1. Bei der Bundestagswahl im September kandidiert Sanae Abdi (34) für die SPD im Wahlkreis 93 / Köln I (Porz, Kalk, Deutz, nördliche Innenstadt) – als erste Frau in der Geschichte der Kölner Sozialdemokratie.
  2. Michael Fuchs sprach mit ihr.

Bei der Nominierung haben Sie sich im ersten Wahlgang gegen zwei Männer durchgesetzt. Hatten Sie das erwartet?

Ich habe es gehofft, aber nicht damit gerechnet. Der Wettbewerb zwischen uns dreien war fair und transparent, das habe ich als sehr positiv empfunden. Dass das Ergebnis so klar war, hat mich natürlich sehr gefreut.

Die SPD erfüllt erstmals ihre eigene Frauenquote. Mit Marion Sollbach und Ihnen tritt sie in den vier Kölner Wahlkreisen mit zwei Frauen an. Wie fühlt sich das für Sie an?

Ich bin stolz darauf, für die SPD in den Bundestagswahlkampf ziehen zu dürfen. Und bin erleichtert, dass meine Partei entschieden hat, die Wahlkreise paritätisch zu vergeben. Es war immer mein Anspruch an die SPD, dass sie Frauen die gleichen Chancen gibt. Ich freue mich, dass wir das jetzt in Köln vorleben. Zumal die SPD auf Bundesebene Paritätsgesetze durchsetzen will.

Zur Person

1986 kam Sanae Abdi in der Mittelmeerstadt Tetouan in Marokko zur Welt. Ihren arabischen Vornamen spricht man „Se-na“ aus. Sie wuchs in Lüdenscheid auf. 2007 zog Abdi fürs Jurastudium nach Köln, lebt seitdem in der Südstadt. Sie arbeitet in der Entwicklungszusammenarbeit. Bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Bonn setzt sie sich für nachhaltige Lieferketten und faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie ein. Bei der Kommunalwahl holte Abdi im Wahlbezirk Innenstadt 2 mit 18,8 Prozent das zweitbeste Ergebnis. Als leidenschaftlicher FC-Fan besitzt sie eine Dauerkarte. (fu)

Der Parteivorstand empfahl im Vorfeld, die Wahlkreise paritätisch zu besetzen. Wie hilfreich war das bei Ihrer Wahl?

Das hat sicher eine Rolle gespielt. Aber man hat mir auch gesagt, ich hätte mit meiner Bewerbungsrede das sozialdemokratische Herz berührt.

Wie kamen Sie zur SPD?

Ich bin mit zweieinhalb Jahren aus Marokko nach Deutschland gekommen und in Lüdenscheid im Sauerland aufgewachsen. Da gab es damals eine schlimme Neonazi-Szene. Die Jusos waren vor Ort die lauteste Stimme gegen Rechtsextremismus – und einer der Gründe, warum ich politisch aktiv geworden bin. Die SPD ist die Partei, die schon immer für die Dinge gekämpft hat, die mir wichtig sind – gegen Faschismus und Rassismus, für Arbeitnehmerrechte, Gleichstellung und vieles mehr.

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Haben Sie Rassismus am eigenen Leib erfahren?

Zum Glück nie in Form körperlicher Gewalt. Erfahrungen mit Diskriminierung und Verbalattacken habe ich durchaus gesammelt. In Lüdenscheid bin ich nach 18 Uhr nie über den Rathausplatz gegangen. Dort versammelten sich früher Leute aus der rechten Szene. Jedem, den sie als „Ausländer“ ansahen, gaben sie lautstark zu verstehen, sie oder er gehöre nicht hierher. Das war bedrohlich.

Chancengleichheit ist für Sie „kein abstrakter Begriff, sondern eine ganz persönliche Erfahrung“. Inwiefern?

Meine Mutter war alleinerziehend, hat drei Kinder groß gezogen. Ich war auf der Gesamtschule, wollte Abitur machen, brauchte Nachhilfe in Mathematik. Meine Mutter musste putzen gehen, damit wir uns das leisten konnten. Ich habe mir geschworen, dafür zu sorgen, dass sie das nie mehr tun muss. Ich habe Abitur gemacht, studiert, einen guten Job bekommen. Dafür bin ich meiner Mutter wahnsinnig dankbar. Dass mir ein solcher Aufstieg möglich war, ist aber auch ein Verdienst der Bildungspolitik der SPD in diesem Land.

Bei der Kommunalwahl 2020 haben Sie für den Stadtrat kandidiert, jetzt zieht es Sie in den Bundestag. Warum der schnelle Wechsel?

Ich habe mit ganzer Kraft um ein Ratsmandat gekämpft, das hat leider nicht geklappt. Im Wahlkampf habe ich festgestellt, dass meine Themen eher bundespolitische als kommunale sind. Von daher ist meine Kandidatur für den Bundestag folgerichtig.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Neben Chancengleichheit in der Bildung oder Gleichstellung von Frauen will ich mich für eine sozial-ökologische Energiewende einsetzen, bei der niemand auf der Strecke bleibt. Beruflich engagiere ich mich für Nachhaltigkeit in den Lieferketten der Textilindustrie, gegen Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen. Es darf nicht sein, dass im Westen hohe Umweltstandards gelten und die Firmen die Verschmutzung einfach in Entwicklungsländer verlagern.

Die SPD hat Ihren Wahlkreis 2017 knapp an die CDU verloren. Wie wollen Sie ihn zurückerobern?

Die SPD ist die Partei der sozialen Gerechtigkeit und steht für viele gute Ideen. Ich denke, dass wir die Menschen mit unseren Inhalten erreichen werden. Ich werde mich mit voller Kraft dafür einsetzen, den Wahlkreis direkt zu gewinnen und Anwältin seiner Einwohner im Bundestag zu werden. In der Kommunalwahl habe ich gelernt, wie man auch in Pandemiezeiten engagiert Wahlkampf machen kann. Daran werde ich anknüpfen.