Köln-Sürth – Traumhafte, vertrocknete Grasflächen dank Hitze, eine großflächige Rodung und möglichst keine Bäume, die alles verdrängen. Wenn Holger Sticht über Naturschutz spricht, klingt das zunächst befremdlich. Die Grannies for future Köln hatten den Vorsitzenden des Landesverbands des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), zu einer klimapolitischen Erkundung der südlichen Sürther Aue gebeten.
Startpunkt am Godorfer Hafen
Startpunkt ist unweit der Industrieanlagen und dem Godorfer Hafen, einem Umschlagplatz für Flüssig- und Schüttgüter für Unternehmen wie Shell. Wir folgen dem Weg zum Rhein herunter. Hinweisschilder tauchen auf, die von „neuem Lebensraum“ künden. Auf der anderen Seite ragt eine graue Betonmauer auf, die bis zum Rhein herunter führt und sich so gar nicht in die Landschaft einfügen will. Die Mauer gehört zur Firma Theo Steil, einem Schrotthandel, der hier so Sticht „leider Gottes“ ein Ersatzgelände angeboten bekommen hat. Seinen Standort im Deutzer Hafen musste er verlassen.
Mit Genehmigung der Bezirksregierung entsteht hier eine moderne Metallrecycling-Niederlassung mit Umschlag-, Lager- und Behandlungsanlagen für Eisen- und Nichteisenschrotte. Direkt am Naturschutzgebiet. Das daneben liegende 23 Hektar große Areal hatte die Stadt Anfang Januar von der Hafengesellschaft HGK erworben, nachdem klar war, dass der Hafen nicht erweitert wird. Einträchtig nebeneinander stehen hier das Schild „Betriebsgelände der HGK“ neben dem Hinweis auf das Naturschutzgebiet. Stadt und BUND wollen den damaligen Zustand des Geländes, den der ehemalige Eigentümer, die HGK im Jahr 2009 geschaffen hat, als der Hafen ausgebaut werden sollte, wieder herstellen.
Aber zunächst muss der standortfremde Schotter beseitigt werden, den die HGK hinterlassen hat. Rund 70 Prozent der seit 2009 völlig zugewachsenen Fläche werden in ein Biotop für seltene Pflanzen, Insekten und Echsen zurückverwandelt – für wilde Möhren, Nachtkerzen, blaue Nattern und die Zauneidechse, die EU-weit streng geschützt wird.
Deshalb wird bald gerodet. „Nicht, dass die Leute meinen, der Hafen wird doch ausgebaut, bloß weil wir hier mit großen Maschinen auffahren und die Gehölze wegmachen“, bekräftigt Sticht. Nach der Rodung wird die Fläche mit hochwertigen Sand- und Gesteinsschüttungen sowie Forstmulch wieder aufgewertet. Bäume sieht der Naturschutz hier nicht vor. „Bäume sind die konkurrenzstärksten Pflanzenarten, die einen Großteil der biologischen Vielfalt verdrängen. Sie müssen daran gehindert werden, ihre Dominanz auszuüben“.
Einmal gerodet, wird zunächst ein natürlicher Rasenmäher angeschmissen, denn die Beweidung sollen vier bis sechs Esel übernehmen, die hier ein Zuhause finden sollen. Eingezäunt, versteht sich. Sticht spricht von den Vorzügen der Esel. „Der Esel repräsentiert einen Großteil der dynamischen Einflüsse, die die Rheinaue über hunderttausende Jahre mit gestaltet haben“, erklärt er. Die bestmögliche, natürliche Vielfalt wieder herzustellen, funktioniere nur mit beweideten Lebensräumen. Zum Teil ist das bereits auch schon ohne Esel sichtbar. Sticht zeigt auf Honiggras und Knäuelgras, die ihre Entwicklung abgeschlossen haben. Für den ein oder anderen Interessierten, der an der Führung teilnimmt, sieht das gelbe Gras einfach vertrocknet aus. „Die gehen kaputt, egal ob es regnet oder nicht“, erklärt Sticht und spricht von einer „traumhaften Situation“, weil Trockenheit aus Naturschutzperspektive wichtig für die Heuschrecken sei.
Die Führung endet dort, wo die Bebauung „In der Aue“ und am Sonnenblumenweg beginnt. Dort, zum Rhein hin, sind die Grünflächen nicht Teil des Naturschutzgebietes, sondern Privatbesitz. Im September soll es eine Informationsveranstaltung für die Bürger geben, warum und wann gerodet wird. Über dem „wann“ schwebt derzeit noch das Damoklesschwert, da Überlegungen im Raum stehen, die Stadtbahnlinie 17 durch das Naturschutzgebiet zu führen. Eine Alternative sieht eine Bahnbrücke über den Rhein nach Langel und weiter bis Bonn vor. „Was sollen wir renaturieren, wenn hier eine Brücke hin soll?“, meint Sticht, der die Pläne skeptisch sieht. „Hier treffen insgesamt drei Naturschutzgebiete aufeinander, die zerschnitten und zerstört würden“.