Präsenzunterricht beginntKölner Pflegschaftsvorsitzende: „Die Nerven liegen blank“
Köln – Montag geht die Schule wieder los: Über große Herausforderungen im neuen Jahr unter Corona-Bedingungen sprach Martina Windrath mit Nathalie Binz, Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft Köln.
Nächste Woche beginnt wieder der Präsenzunterricht. Viele Familien sorgen sich angesichts steigender Infektionszahlen und der Omikron-Variante – wie sehen Sie die Lage?
Nathalie Binz Die Stadtschulpflegschaft sieht die Entwicklung mit Sorge. Die wenigsten Kinder unter zwölf Jahren sind bereits geimpft, etwa die Hälfte der 12- bis 18-Jährigen. Es werden mit steigenden Inzidenzen wohl auch viel mehr Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher ausfallen, es wird mehr Quarantänefälle und positive Tests geben. Wie soll Schule dann funktionieren? Da gibt es viele offene Fragen.
Häufiges Testen in Schulen und Kitas ist zwar gut, aber das Warten auf die Ergebnisse eine Zitterpartie. Ich persönlich habe familiäre Unterstützung und Homeoffice-Möglichkeiten, aber für viele Eltern sieht das anders aus. Da ist zum Teil die Furcht groß, dass sich Kinder infizieren und dies in Familien tragen, wo auch vulnerable Personen leben. Dort liegen die Nerven blank.
Was tun?
Es müsste mehr getan werden, um eine Übertragungsgefahr von Infektionen in den Schulen zu verringern, besonders durch Luftfilter. Die Ausschreibung durch die Stadt ist erfolgt, aber noch keine Vergabe. Das wird leider noch dauern. Wir fordern: Das Land muss flächendeckend Luftfilter in allen Fach- und Klassenräumen fördern. Die NRW-Landesregierung spricht sich derzeit dafür aus, dass Schulen offen bleiben. Eine von uns initiierte Umfrage ergab, dass die Elternschaft in der Frage zwiegespalten ist. Die einen plädieren fürs Offenhalten der Schulen, die anderen für Maßnahmen wie Präsenz- und Wechselunterricht oder das Aussetzen der Präsenzpflicht. Offene Schulen wären das Beste. Aber unter den jetzigen Bedingungen halte ich ein Aussetzen der Präsenzpflicht für das Beste.
Es sollte Eltern freigestellt sein, ob sie ihr Kind in die Schule schicken oder es zuhause beschult wird? Dann müsste es überall hybriden Unterricht geben, die nötige Ausstattung, Betreuung...
Das stellt alle vor größte Herausforderungen, ich weiß. Aber einige Schulen sind dabei schon gut aufgestellt. Wir müssen auf längere Sicht mit Corona leben und uns darauf einstellen.
Weitere akute Herausforderung: Bald startet das umstrittene Anmeldeverfahren für weiterführende Schulen mit Mehrfachanmeldungen. Fürchten Sie ein Chaos?
Klare Kommunikation und höchste Transparenz sind jetzt das Wichtigste. Die Stadt hat schon angefangen, über das Verfahren zu informieren. Aber ich weiß nicht, ob klar wird in den Anmeldebögen, dass Mehrfachanmeldungen nicht nur an Gymnasien möglich sind, sondern auch an Gesamtschulen, Real- und Hauptschulen. Es bleibt abzuwarten, wie viele Vergaberunden es gibt und wie oft Plätze ausgelost werden müssen. Mir graust es davor. Meines Erachtens macht es keinen Sinn, sein Kind nun an allen möglichen Schulen anzumelden. Das macht auch die Kinder kirre. Wir sprechen uns dafür aus, dass Schulen eine Liste mit den von ihnen festgelegten Auswahl-Kriterien veröffentlichen. Die meisten wählen Losverfahren, Geschwisterkindregelungen.
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Grundprobleme sind fehlende Schulplätze besonders an Gesamtschulen und Gymnasien sowie der Schulbaunotstand.
Das ist neben Corona das größte Problem. Verzögerungen und lange Prozesse gibt es bei Neubauten und auch im Bestand von marodesten Schulen: Zum Beispiel fürs Gymnasium Kreuzgasse wurde vor über zehn Jahren der Sanierungsbeschluss gefasst – passiert ist bis jetzt nichts. Es gibt auch Listen der Verwaltung, wo Container schon für 2019 vorgesehen waren, aber sie sind immer noch nicht da. Das finde ich traurig. Bildung ist keine Kür, sondern Pflicht: Die Stadt muss für ausreichend und gut ausgestattete Plätze sorgen. Im Bereich der Digitalisierung hat sich einiges bei der Infrastruktur getan, viele Schulen haben Breitbandanschluss und digitale Endgeräte. Das ist voranzutreiben.