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Bundestagswahl 2025Wie entscheidet sich der „Swing State“ von Köln?

Lesezeit 5 Minuten
Diese Menschen stehen zur Wahl

Diese Menschen stehen zur Wahl

Am 23. Februar wird der 21. Deutsche Bundestag gewählt. Wir blicken auf die vier Kölner Wahlkreise. Hier gibt es alles Wichtige zum Wahlkreis 92 Köln I mit der nördlichen Innenstadt, Kalk und Porz.

Sanae Abdi (SPD), Serap Güler (CDU) oder Roman Schulte (Grüne): Zwischen diesen drei Bewerbern dürfte sich der Kampf um das Direktmandat im Kölner Südosten entscheiden. Sie sind die drei aussichtsreichsten Kandidaten im Wahlkreis 92 Köln I. Er umfasst Deutz und die Innenstadt nördlich der Aachener Straße/Cäcilienstraße sowie die kompletten Stadtbezirke Kalk und Porz. Als einer der 299 Bundestagswahlkreise in Deutschland trug er bis zur Wahl 2021 die Bezeichnung 93 Köln I und ist heute das, was US-Amerikaner einen „Swing State“ nennen würden – ein Gebiet, in dem sich die Wähler mal für die eine, mal für die andere Seite entscheiden.

Das war früher anders. In den vergangenen sechs Jahrzehnten waren es fast immer Kandidaten der SPD, die hier das Direktmandat erringen konnten. Der frühere Kölner SPD-Chef Hans-Jürgen Wischnewski holte es ab 1965 gar sieben Mal in Folge. Doch 2017 konnte hier wieder die CDU punkten. Die Grünen waren lange Zeit chancenlos, haben zuletzt aber stark aufgeholt.

Wie war es bei der vergangenen Wahl?

Bei ihrer ersten Kandidatur für den Bundestag konnte Sanae Abdi den Wahlkreis 2021 auf Anhieb für die SPD zurückerobern und zog neu ins Parlament ein. Sie siegte bei den Erststimmen mit vier Prozentpunkten Vorsprung vor Lisa-Marie Friede (Grüne) und verwies den CDU-Bewerber Karsten Möring auf Platz drei, er verlor dadurch sein Bundestagsmandat. Möring hatte 2017 hauchdünn gegen den langjährigen SPD-Abgeordneten Martin Dörmann gewonnen, der Unterschied betrug nur 884 Stimmen. Zum Vergleich: 2002 konnte Dörmann für die SPD noch 50,0 Prozent der Erststimmen holen.

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Von den anderen Direktkandidaten im Wahlkreis Köln I schafften es bei der Wahl 2021 Reinhard Houben (FDP) und Fabian Jacobi (AfD) über die Landesliste in den Bundestag.

Wie ist die Ausgangslage jetzt?

Kann Parlamentsneuling Sanae Abdi ihr Direktmandat nach einer Legislaturperiode verteidigen? Das ist alles andere als sicher, die Situation im Wahlkreis ist spannend wie nie. Mit Serap Güler tritt eine prominente, bundesweit bekannte CDU-Politikerin gegen sie an. Die Grünen haben mit Roman Schulte zwar einen „Frischling“ ohne große politische Erfahrung aufgestellt, und Kalk und Porz gelten nicht gerade als grüne Hochburgen. Doch seit 2019 gingen die Grünen aus allen Wahlen in Köln als stärkste politische Kraft hervor, vor allem in der Innenstadt und in Deutz, die einen erheblichen Teil des Wahlkreises I ausmachen. 2021 schnitten sie hier besser ab als die CDU. Es scheint also nicht mehr völlig unrealistisch, dass die Grünen auch hier erstmals siegen könnten. Damit läuft es voraussichtlich auf einen engen Dreikampf zwischen Abdi, Güler und Schulte hinaus.

Wofür stehen die drei Kandidaten?

Sanae Abdi ist in Marokko geboren, zog als Kleinkind ins Sauerland, studierte Jura in Marburg, Bonn und Köln. Sie engagierte sich bei den Jusos, arbeitete als Projektmanagerin. Abdi ist entwicklungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Vize-Vorsitzende der NRW-SPD, ihre Schwerpunkte liegen im Bereich Soziales, Klima und globale Verantwortung. Sie sagt: „Wir kämpfen dafür, dass alle Kinder frei von Armut aufwachsen können und die Chance auf ein gutes Leben haben. Und wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Familien ihren Alltag gut meistern können.“ Sie will sich einsetzen für mehr bezahlbaren Wohnraum und eine bessere Verkehrsanbindung in Köln.

Serap Güler ist in Marl geboren, sie hat Hotelfachfrau gelernt und Kommunikationswissenschaft studiert. Sie ist Vizevorsitzende der Kölner CDU, war Mitglied des NRW-Landtags und Staatssekretärin für Integration in NRW, seit 2021 ist sie im Bundestag. Zu ihren Themen gehören Außen- und Sicherheitspolitik, Wirtschaftspolitik sowie „Humanität und Ordnung in der Migrationspolitik“. Als Ziele, die ihr für Köln besonders wichtig sind, nennt sie zuerst mehr bezahlbaren Wohnraum. „Das schaffen wir nur, wenn wir mehr bauen – und dafür brauchen wir sowohl Bundesmittel als auch bessere Rahmenbedingungen.“ Zudem müsse der Bund die Städte bei Infrastrukturprojekten wie der Ost-West-Achse stärker unterstützen.

Der Wahlkreis 92

Der Wahlkreis 92

Roman Schulte ist in Porz geboren und aufgewachsen, auf seinen Plakaten wirbt er als „Schälsickjung“ mit seiner Lokalkompetenz. Er hat „Human Decision Science“ studiert, was übersetzt Wissenschaft der menschlichen Entscheidung heißt, eine Kombination aus Wirtschaft und Psychologie. Als Projektmanager einer IT-Beratung begleitet er die digitale Transformation bei Autoherstellern. Schulte betont, seine Devise sei: „Mehr über Lösungen sprechen, weniger über Probleme. So bringe ich mich auch in der Politik ein – pragmatisch und zielorientiert.“ Zu seinen Themen gehört moderne Mobilität, den Abriss der intakten Rodenkirchener Brücke zugunsten einer achtspurigen Rheinquerung will er verhindern.

Wer von den dreien hat Chancen auf ein Mandat?

Laut einer aktuellen Prognose des Portals „election.de“ liegt Güler derzeit im Rennen um das Direktmandat im Wahlkreis 92 Köln I in Führung. Sie hat außerdem gute Chancen, über ihren Platz 6 auf der CDU-Landesliste in den Bundestag einzuziehen. Das gilt auch für Abdi mit Platz 8 auf der SPD-Landesliste. Dagegen ist Schulte auf der Liste der NRW-Grünen nicht vertreten. Er kann nur ins Parlament einziehen, wenn er im Wahlkreis die meisten Erststimmen holt.

Welche Bewerber kandidieren noch?

Für die FDP bewirbt sich der Jurist FardadHooghoughi (35), er ist Mitglied der Bezirksvertretung Kalk. Direktkandidat der AfD ist der RechtsanwaltFabian Jacobi (51), er wurde 2017 und 2021 über Landesliste in den Bundestaggewählt. Für die Linke kandidiert „Mietrebell“ Kalle Gerigk (65).

Weitere Kandidaten sind der Techniker Dominik Meißner (Freie Wähler), Mihir Nayak von Volt (Professor für Hotel- und Tourismusmanagement) und die Lehrerin Elisabeth Höchtl (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands).