#OutInChurchDiese zwei Kölnerinnen bekennen sich in ihrer Kirche zu ihrer Sexualität
Köln – Sie weinten vor laufender Kamera und gaben die Bilder trotzdem fürs Fernsehen frei. Für „Die Story im Ersten – Wie Gott uns schuf“ brachten bundesweit über 100 katholische Gläubige, denen ihre Kirche wichtig ist, den Mut auf, Gesicht zu zeigen. Ein Risiko, das Existenzen vernichten könnte. Denn die Porträtierten sind Priester, Ordensangehörige, Lehrende oder in sozialen Einrichtungen Tätige, die nicht ins Schema heterosexueller Männer und Frauen passen.
Zwei Mitwirkende sind Sabine Hengmith und Ramona Krämer. Beide haben Religionswissenschaften studiert und sind bei katholischen Einrichtungen in Köln angestellt. Sie kennen den Katechismus, das Lehrbuch der Glaubensgrundlagen, und die Verlautbarungen des Vatikans gut: Schwere Kost für Homosexuelle und Menschen, die sich nicht auf ein Geschlecht festlegen lassen. „Schlimme Abirrung“, „gegen das natürliche Gesetz“, „traurige Folge einer Zurückweisung Gottes“ und sogar „Kultur des Todes“, ist dort zu lesen. Solche Kategorisierungen fechten sie inzwischen kaum mehr an.
Offen lesbisch leben können – auch in der Kirche
Beide Frauen können sich des Rückhalts im Privat- und Berufsleben sicher sein. „Mir war von Anfang an wichtig, ohne Angst die Arbeitsstellen anzutreten und offen lesbisch leben zu können, oder ich arbeite bei einem nicht-kirchlichen Träger“, dachte die Pädagogin Sabine Hengmith, als sie sich beim Caritasverband der Stadt Köln bewarb. Mit ihrer Partnerin besprach sie ausgiebig, ob sie am Film mitwirken sollte. Schließlich gingen beide gemeinsam vor die Kamera, wären auch bereit gewesen, ihre Namen zu nennen. Dennoch erwartete Sabine Hengmith die Ausstrahlung „nicht völlig gelassen“. Obwohl sie schon beim Vorstellungsgespräch darlegte, wie sie lebt und beim Arbeitgeber ein Leitfaden der Vielfalt gilt, bleibt das Restrisiko, dass eine übergeordnete Stelle den Loyalitätsparagrafen gegen sie anwendet.
Pflicht zum Leben nach der katholischen Glaubens- und Sittenlehre
Die Crux ist das Sonderarbeitsrecht der katholischen Kirche. Eine Loyalitätsklausel verpflichtet Mitarbeitende zu einem Leben nach der katholischen Glaubens- und Sittenlehre, also heterosexuell und möglichst kirchlich verheiratet.
Für Sabine Hengmith steht die Liebe über allem, deshalb sieht sie in ihrer Lebensweise keinen Loyalitätsbruch. Und hält fest: „Ich möchte katholisch leben, und ich lasse mir von niemandem meinen Glauben absprechen.“ Erst vor zehn Jahren gelangte die 39-Jährige an den Punkt, dass sie sich ihrer wahren sexuellen Orientierung sicher sein und offen dazu bekennen konnte. Die innerliche und äußerliche Befreiung will sie sich nun nicht mehr nehmen lassen. Sollte es dennoch hart auf hart kommen, ist sie zuversichtlich, eine gefragte Fachkraft auf dem Arbeitsmarkt zu sein.
Für eine Kirche ohne Angst
Ramona Krämer, Bildungsreferentin bei der Katholischen jungen Gemeinde (KjG), gehört zu der Steuerungsgruppe der Kampagne #OutInChurch um den Hamburger Theologen Jens Ehebrecht-Zumsande. „Out In Church“, im Untertitel „Für eine Kirche ohne Angst“, formierte sich nach dem Vorbild von #ActOut, einem Manifest, mit dem queere Schauspielerinnen und Schauspieler vor einem Jahr an die Öffentlichkeit gingen. Die 29-Jährige wuchs in einem Dorf auf. „Niemand dort schien homosexuell zu sein, jedenfalls lernte ich niemanden kennen. Aufklärung, dass ich nicht alleine so bin wie ich bin, bekam ich nur aus Medien“, erinnert sie sich.
Wie Sabine Hengmith ist Ramona Krämer im Film zu sehen, aber nicht namentlich genannt. Obwohl auch ihr negative Konsequenzen aufgrund der Mitwirkung kaum Sorgen bereiten. Vielmehr ist sie gespannt, wie die zeitgleich gestartete Kampagne #OutInChurch in der Öffentlichkeit ankommt.
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„Wir wünschen uns, dass die Politik unser Thema aufgreift, damit nicht länger staatlich geduldet wird, dass die Kirche Menschen diskriminiert“, sagt Ramona Krämer. Das klingt nach einer selbstbewussten Forderung. Die 29-Jährige ist erschüttert von Vanessa Paltens Bericht. Sie kennt das Vorstandsmitglied der Kölner KjG persönlich, hat aber kein ähnlich einsames Coming-Out durchmachen müssen.
Mit stockender Stimme schildert die namentlich genannte Vanessa Palten vor der Kamera, dass der Konflikt zwischen ihrem Streben, eine gute Katholikin zu sein, und der eigenen sexuellen Orientierung, die sich nicht mehr unterdrücken ließ, sie bis zum Versuch trieb, sich das Leben zu nehmen. In der seelischen Notlage vertraute sich Vanessa Palten einem Geistlichen an. Anfangs sei es noch um ihre Suizidgedanken gegangen, berichtet sie. „Das Gespräch wurde dann aber doch sehr gedreht in die Richtung, dass ich sehr fern bin von der Kirche. Aber nicht aufgrund meiner Suizidalität, sondern aufgrund meiner Sexualität.“
Das Maß der Doppelmoral
Für queere Kirchenmitarbeitende wie Hengmith, Krämer und Palten ist das Maß der Doppelmoral voll. Sie wollen sich nicht länger verletzen lassen durch Sätze wie „Ihre sexuelle Orientierung ist kein Problem, solange sie das nicht an die große Glocke hängen“. Sie wollen gesehen werden, und sie wollen, dass ihre Liebe gesegnet wird. „Die Menschen hoffen, der Einzelne erfährt Schutz, wenn es viele sind“, heißt es im Film-Schlusswort. „Wie Gott uns schuf“ ist in der ARD-Mediathek nachzuschauen.