Im Prozess um eine vergiftete Glukosemischung sagte eine frühere Angestellte aus. Offenbar sollte nicht über das gesprochen werden, was in der Apotheke geschah.
Prozess um vergiftete GlukosemischungEhemalige Mitarbeiterin sagt vor Gericht aus – Apotheken-Angestellte sollten schweigen
„Alle, die gerade Zeit haben, füllen Glukose-Tütchen ab.“ Sinngemäß diese Anweisung soll die angeklagte Apothekerin im Prozess um die vergiftete werdende Mutter und ihres ungeborenen Kindes gegeben haben, als es im Spätsommer 2019 zu Lieferengpässen bei den Fertigbeuteln für den Schwangerschaftsdiabetestests kam.
Die frühere pharmazeutisch-technische Mitarbeiterin, die jetzt vor Gericht aussagte, kennt die meisten Geschehnisse allerdings nur aus Erzählungen von damaligen Kolleginnen. An eine Anweisung - aber auch die habe sie nicht direkt aus dem Mund der Apothekenleiterin gehört - hielt sich die 48-Jährige jedoch nicht: Stillschweigen zu bewahren, solange die Vermutung nicht bewiesen ist, dass die Verunreinigung in der Apotheke passiert ist.
Gerüchte über Verwechslung mit Betäubungsmittel
Die PTA schickte trotzdem Sprach- und Textnachrichten im Freundeskreis herum, in denen sie sinngemäß äußerte: „Asozial. Keiner informiert das Krankenhaus über unseren Verdacht. Das kann die Frau deshalb nicht richtig versorgen, so dass sie vielleicht stirbt.“
Intern soll unter anderem vermutet worden sein, dass der Hersteller vergiftete Glukose auslieferte. Oder die ähnlich aussehenden Behälter des Betäubungsmittels Lidocainhydrochlorid und der Glukose wurden in der Apotheke verwechselt.
Von der hauptsächlich in der Rezeptur beschäftigten Kollegin will die Zeugin die dritte Mutmaßung gehört haben, die Apothekerin selbst könnte den Rest aus einem Lidocainhydrochlorid-Gefäß in den Glukose-Behälter geschüttet haben, in der irrtümlichen Annahme, bei dem Rest handele es sich ebenfalls um den Traubenzucker.
Nur am Rande will die PTA die Beschwerde eines werdenden Vaters über die Glukose mitbekommen haben. Die Patientin hatte die vollständige Einnahme der Lösung verweigert, weil sie einen unnormal bitteren Geschmack bemerkte – was ihr und ihrem Baby am Ende das Leben rettete. Die Apothekerin und eine PTA sollen aufgrund der Beschwerde die Glukose aus dem Behälter probiert und gemeint haben, ein bitterer Nachgeschmack wäre normal und die Wahrnehmung bei Schwangeren sowieso verändert.
Zeitpunkt der Abfüllung fraglich
Der Umgang mit Rohstoffen habe ihr in den drei Jahren, in denen sie in der Heilig-Geist-Apotheke angestellt war, missfallen, gab die Zeugin an. „Auch wenn Glukose ein Nahrungsergänzungsmittel ist, habe ich nichts davon gehalten, dass jeder sie abfüllen durfte und dass die Abfüllung nicht protokolliert wurde. Immerhin ist das etwas, was jemand einnimmt“, erklärte sie.
Die 11. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Sabine Kretzschmar ist immer noch bemüht, den Zeitpunkt, zu dem vor vier Jahren die tödliche Dosis Lidocainhydrochlorid in die Glukose gelangt sein könnte, einzugrenzen. Eine Apotheken-Angestellte hatte ausgesagt, dass sie die Chefin am Dienstag, den 3. September, beim Tütenabfüllen in der Rezeptur gesehen habe.
Deshalb wurde jetzt eine Zeugin gehört, die am Montag davor einen frisch für sie abgefüllten Beutel kaufte, um am selben Tag einen Test auf Schwangerschaftsdiabetes zu absolvieren. Die daraus in der gynäkologischen Praxis im selben Haus hergestellte Lösung habe extrem süß geschmeckt, berichtete sie. Außer Ekel habe die Einnahme keine Nebenwirkungen hervorgerufen.