Bestsellerautor Frank Schätzing imponiert seinem Publikum im E-Werk mit Live-Gesang und KI-Figuren für seinen neuen Mittelalter-Roman „Helden“.
lit.Cologne SpezialFrank Schätzing begeistert mit Multimedia-Show für neuen Roman „Helden“
Auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt sexistisch klingt: Männer, die so hübsche Waden haben wie er, sollten öfter Kilts tragen. Frank Schätzing kann jedoch mit wesentlich mehr aufwarten, als nur mit attraktiven Unterschenkeln. Mit „Der Schwarm“ (2004) ging der Kölner Autor durch die Decke. Der Roman erreichte eine Gesamtauflage von 5,4 Millionen und wurde in 27 Sprachen übersetzt. Auch die drei Bücher danach waren Bestseller.
Freitag stellt Schätzing, im unifarbenen Designer-Kilt aus braunem Tweed mit dazu passender Weste und im Rahmen der „lit.Cologne spezial“, sein neues Buch „Helden“ vor. Das (bestuhlte) E-Werk ist ausverkauft, das Publikum begeistert von dem, was der 67-Jährige in fast zwei Stunden präsentiert.
Multimedia-Event statt eindimensionaler Lesung
Keine klassische, eindimensionale Lesung, sondern einen Multimedia-Mix aus Vortrag, digitaler Musik und Live-Gesang, aus Quiz, Bildern und Einspielern. Wobei die beiden letzteren mit Hilfe von KI generiert wurden. „Helden“ ist die Fortsetzung von „Tod und Teufel“, jenem Mittelalter-Roman, den Schätzing 1995 veröffentlichte. Zuvor war er schon mit einigen Novellen und Satiren in Erscheinung getreten, aber hauptberuflich als Mitbegründer einer erfolgreichen Kölner Werbeagentur tätig.
Warum jetzt, nach fast 30 Jahren, eine Fortsetzung? „Schuld ist die Dusche. Ich bin einer, der lange arbeitet und spät ins Bett geht. Die Dusche am Morgen, die schickt mir immer Signale. Manchmal ist das auch Bullshit. Ich war gerade beim Haarewaschen, da sagte die Dusche: ,Du musst eine Fortsetzung von ,Tod und Teufel’ schreiben. ,Ich schreibe keine Fortsetzungen', habe ich gesagt. Aber die Dusche bestand darauf. Da habe ich geglaubt, mich an etwas erinnern zu können – und noch mal nachgeschaut. Und tatsächlich: an einer ganz bestimmten Stelle gab es eine kleine Information, die ich nicht gegeben hatte.“
Was Schätzing als Impuls für den Nachfolger ausreichend erschien: „Ich bin wieder im Mittelalter heimisch geworden – uns deshalb sind es wieder 1 000 Seiten geworden. Ich kann halt nicht kurz.“ Während „Tod und Teufel“ zur Gänze in Köln spielte, geht es in „Helden“ bis nach Paris, London oder Brügge.
Jacob, der Fuchs, der liebenswerte Flötenspieler, Dieb und Herumtreiber, der im ersten Band zum Zeugen eines Mordes wurde, schickt sich nun an, ein achtbarer Mann zu werden. Er absolviert eine Lehre als Überseekaufmann.
Im Gespräch mit einer KI-generierten Romanfigur
Und liefert sich im E-Werk, als von KI generierte Figur auf der Leinwand, einen munteren Schlagabtausch mit seinem Schöpfer: „Ich bin der einzig wahre Jacob. Ich habe durch diesen Mann zu euch gesprochen!“ „Du bist ja auch ich. Du bist mein Geschöpf!“ Das ist witzig, kollidiert aber auch mit dem „Kopfkino“. Hat man sich, beim Lesen, Jacob mit dem „unbändigen Schopf roter Haare“ und den hellblauen Augen wirklich so putzig vorgestellt? Oder Richmodis von Weiden, Färberin und Jacobs Liebste, in Gedanken mit knallroten Lippen versehen, mit ultraweißen Zähnen und wie mit dem Faden in eine perfekt adrette Form gebrachten Augenbrauen?
Auch dass über den Burgen in den Highlands immerzu der Nebel wabert, kann man bezweifeln. Lieber lässt man sich von Schätzing etwas vorlesen. Weil er das ganz großartig macht. Und die Stimme eines besoffenen rheinischen Ritters ebenso treffend nachahmt wie die Rufe der taffen englischen Königin Eleanor, mit denen sie ihre Fahrer auf der Themse anfeuert: „Rudert, ihr seid meine besten Männer, rudert!“.
Oder man lässt sich von der bezaubernden Meta Luis etwas vorsingen. Und lernt beim Mittelalter-Quiz wie irre schnell die reitenden Boten damals waren: „Da hat die Post von Nippes zu uns in die Südstadt schon länger gebraucht.“ Auch wie man den Namen der schottischen Heerführerin Muirgheal ausspricht – Mir-Gell – weiß man nach diesem unterhaltsamen Abend. Der unbedingt Lust auf die (erneute) Lektüre von „Tod und Teufel“ und die der Fortsetzung „Helden“ macht.
Frank Schätzing: Helden. Kiepenheuer & Witsch, 1040 S., 36 Euro.
Frank Schätzing: Tod und Teufel. Emons, 528 S., 26 Euro.