Das Projekt ist das erste Wind-Energie-Rad auf Kölner Stadtgebiet und soll einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität leisten.
Steb in Köln150 Meter hohe Windkraftanlage im Klärwerk Stammheim geplant
Es ist ein im wahrsten Sinne des Wortes ein herausragendes Projekt. Eines, das nun seinen Schatten vorauswirft. Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (Steb) planen den Bau eines 150 Meter hohen Windrades auf dem Gelände des Großklärwerks Stammheim. Am Freitag hat der Verwaltungsrat den Plan nach Rundschau-Informationen abgenickt. Und das Projekt hat großes Potenzial, in die Geschichte einzugehen: Als erstes Wind-Energie-Rad auf Kölner Stadtgebiet. Zwar liefern sich die Steb in dieser Sache ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Rheinenergie, die auch Windräder in Köln plant. Doch wenn das Konzept von Joachim Vasen, Leiter des Großklärwerks, und Jonas Bachnick, Sachgebietsleiter, aufgeht, könnte sich das Stammheimer Windrad bereits in zwei Jahren drehen.
Dreht da jemand am Rad bei den Steb?
Wofür braucht ein Großklärwerk ein 150 Meter hohes Windrad? Nicht zum Selbstzweck, so viel kann gesagt werden. Es geht bei dem Projekt nicht ums Renommee, es geht in letzter Instanz um die Klimaneutralität, die Köln laut Ratsbeschluss 2035 erreicht haben will. Dazu wollen die Steb ihren Beitrag leisten – und sie müssen es auch. 37 Prozent der für dieses Ziel notwendigen Co2 -Einsparungen müssen aus den Beteiligungen der Stadt Köln kommen und damit eben auch von den Stadtentwässerungsbetrieben. Das Windrad allein wird das nicht schaffen. Muss es auch nicht. Denn es ist nur ein Rädchen – wenn auch ein beachtliches – in einem weitaus größeren Räderwerk. Der Betrieb in Stammheim ist nämlich auf dem Weg vom Klärwerk zum Energiewerk.
Der Punkt, an dem das Umdenken einsetzte, lag wohl im Jahr 1989. Bis dahin wurde das Biogas, dass bei der Vergärung innerhalb im Großklärwerk Stammheim entstand, einfach abgefackelt. Und das bei dem Energiebedarf, den so ein Werk hat. Mittlerweile hat sich aber viel getan. Heute wird das Biogas aus den Faulbehältern in einen Gasspeicher geleitet. Von dort strömt es in ein Blockheizkraftwerk. Der so erzeugte Strom und die dabei „abfallende“ Wärme werden wesentlich für die Abwasserreinigung genutzt.
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Photovoltaikanlagen sind zudem in den vergangenen Jahren entstanden. Die an sonnigen Tagen gewonnene Energie fließt ebenfalls in den täglichen Betrieb. Um die Menge des Biogases noch zu erhöhen werden Fette, die beispielsweise als Abfallprodukt in der Gastronomie entstehen, den Faulbehältern zugegeben. „So kämpfen wir jedes Jahr um die 100-prozentige Eigenversorgung mit Energie“, sagt Betriebsleiter Joachim Vasen. Mal liegt die eigene Energieerzeugung knapp unter der 100-Prozent-Marke, mal etwas drüber. Wird mehr Strom und Wärme erzeugt als benötigt, geht der überschüssige Strom ins öffentliche Netz, die überschüssige Wärme in das Nahwärmenetz der Wohnungsbaugesellschaft GAG. Wird weniger Energie erzeugt, als es bedarf, muss Erdgas fürs Blockheizkraftwerk zugeführt werden.
Klärbecken mit Solarmodulen „überdachen“
Um diesen Prozess im positiven Bereich zu stabilisieren, wird nun die zweite Stufe gezündet. Zum einen wird der Anteil der zugeführten Speisefette, die als Abfallprodukt aus der Gastronomie kommen erhöht. Die Photovoltaikanlage wird deutlich vergrößert. Dafür Planen die Steb unter anderem, Klärbecken mit Solarmodulen zu „überdachen“. Weitere Dach- und Freiflächen werden genutzt. Doch wofür braucht es dann noch ein Windrad, wenn die Energieerzeugung mit diesen Maßnahmen noch einmal angekurbelt wird?
Weil die Steb ihr Biogas ab kommenden Frühjahr aufarbeiten möchte. Dann wird eine Klärgasaufbereitungsanlage in Betrieb gehen. Die Arbeiten dafür laufen zurzeit auf dem Betriebsgelände in Stammheim. In ihr wird die Qualität des Biogases aus den Faulbehältern durch Abscheiden von Co2 auf Erdgas-Niveau gehoben. Dieses „Erdgas“ strömt aber nicht mehr direkt in das Blockheizkraftwerk des Großklärwerks, sondern wird in ein Netz eingespeist, an dessen Ende Heizungsanlagen der Stadt Köln stehen. Mit dem „Erdgas“ aus Stammheim sollen städtische Bürogebäude und Schulen geheizt werden.
An dieser Stelle tritt das Windkraftrad in den Plan. Mit Windenergie sollen die Versorgungslücken gefüllt werden, die durch die Erdgasabgabe entstehen. Dabei darf das eine Windrad nicht zu klein bewertet werden. Am Ende wird es mehr und vor allem konstanter Strom erzeugen als die erweiterte Photovoltaikanlage auf dem Betriebsgelände.
Ein Windrad kann in Deutschland aber nicht einfach so aufgestellt werden, die Hürden sind hoch. Der notwendige Abstand zur Wohnbebauung ist durch den geplanten Standort an der Rhein-Seite des Klärwerksgeländes gegeben. Auch die Schallemission unterliegt klaren Regeln. Das Windrad auf dem Stand der Technik für Stammheim wird im betrieb noch am linksrheinischen Ufer mit rund 35 Dezibel wahrnehmbar sein. Was weniger als ein Flüstern ist. Das entspricht alles den Auflagen.
Etwas anders sieht es mit dem Schattenwurf aus. Die Schattenwurfdauer darf nicht mehr als 30 Stunden im Jahr betragen. Messeinrichtungen kontrollieren permanent den Wert. Bei strahlend blauem Himmel und tief stehender Sonne kann das nicht für alle Gebiete eingehalten werden. Dann muss das Windrad stillstehen. „Wir gehen davon aus, dass dies in sechs Prozent der Betriebszeit notwendig sein wird“, sagt Vasen. Ein Wert, der den angestrebten Zielen nicht im Wege steht. Ein gerade fertiggestellte Machbarkeitsstudie bestätigt das den Steb.
Und wenn dieser Plan ungesetzt ist, war es das dann mit der Transformation vom Klärwerk zum Energiewerk? „Wir denken noch weiter“, sagt Jonas Bachnick. „Besonders in Hinblick auf die Erzeugung von Wasserstoff“, wirft er einen Blick in die Zukunft.