Schläge, SticheRazzia mit 600 Polizisten nach tödlicher Gruppen-Attacke in Köln
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Köln – Geschlagen, getreten und erstochen: Was am 10. März 2021 am helllichten Tag auf der Bamberger Straße in Höhenberg geschah, ist auch in einer Großstadt wie Köln eine Seltenheit. Etwa 30 Männer stoppen einen Wagen, zerren den Fahrer (37) aus dem Auto und schlagen wie wild auf das Opfer ein.
Danach ist der Mann blutend auf der Straße liegend zurückgelassen worden. Mit mehreren Fahrzeugen gelang den Angreifern die Flucht. Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer spricht von einem „Gewaltexzess“. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Opfer gezielt abgepasst wurde.
Ein Polizist, der das Video mit der Tat gesehen hat, sagt: „So etwas habe ich noch nie gesehen“. Immer wieder hätten die Angreifer auf den am Boden liegenden 37-Jährigen eingeprügelt: Faustschläge gegen den Körper, Fußtritte und Messerstiche. 18 Tage nach dem brutalen Angriff starb das Opfer. Mehrfach versuchten Ärzte das Leben des Mannes zu retten – vergeblich.
Flüchtlingsunterkünfte und Wohnungen in Köln und Wuppertal durchsucht
Nach einem tödlichen Angriff auf den 37-Jährigen hat die Polizei am Donnerstag mehrere Flüchtlingsunterkünfte und Wohnungen in Köln, und Wuppertal durchsucht. In einer Unterkunft in Riehl gab es ab 6 Uhr Durchsuchungen, zeitgleich in Deutz gegenüber der Messe. Ermittelt werde gegen 18 Männer im Alter zwischen 17 und 60 Jahren, teilte die Polizei mit. Gegen sie sei wegen des dringenden Verdachts des gemeinschaftlichen Totschlags Untersuchungshaft angeordnet worden. Insgesamt sind 18 Haftbefehle ausgestellt worden – ein in der jüngsten Vergangenheit einmaliger Vorgang bei der Polizei und der Justiz.
Falscher Zugriff
Zweimal innerhalb einer Woche ist die Polizei in falsche Wohnungen eingedrungen. Beim Versuch, einen Drogendealer in Mülheim festzunehmen, waren Spezialkräfte Anfang der Woche in die Räume eines unbescholtenen Bürgers eingedrungen und hatten den Mann (59) verletzt.
Bei der Razzia am Donnerstagmorgen auf der Suche nach den brutalen Angreifern aus Höhenhaus, drangen Polizisten fälschlicherweise in die Wohnung eines älteren Ehepaares ein. Dies bestätigte ein Polizeisprecher gegenüber der Rundschau. Eine 85-Jährige habe Kreislaufprobleme bekommen. Alarmierte Rettungssanitäter hätten sich um die Frau gekümmert. Später sei die Seniorin von Angehörigen ins Krankenhaus gefahren worden.
Die Beamten waren eigentlich auf der Suche nach einem 42-Jährigen. Die Polizisten lokalisierten die Klingelgeräusche im 1. Obergeschoss, da niemand öffnete, wurde die Tür aufgebrochen und die Beamten standen in der Wohnung des älteren Paares. Die Polizei entschuldigte sich. (ta)
Allerdings wurde bei der Aktion keiner der Gesuchten angetroffen, wie der Oberstaatsanwalt Bremer weiter sagte. Die Männer würden nun europaweit zur Festnahme ausgeschrieben. An dem Einsatz im Morgengrauen waren mehrere Hundert Polizisten beteiligt – nach Rundschau-Informationen rund 600 Beamte.
Hintergrund der Tat soll ein schon länger schwelender Streit zwischen zwei aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Großfamilien sein, die überwiegend in Köln leben. Worum genau es dabei ging, sei aber unklar, sagte Bremer.
Verdächtige können mithilfe von Videoüberwachung ermittelt werden
Eine fest installierte Videokamera im Bereich des Tatorts habe das Geschehen von Anfang bis Ende aufgezeichnet. Dadurch sei es gelungen, 18 teilweise polizeibekannte Verdächtige zu identifizieren. Dabei hätten auch sogenannte Super-Recognizer der Polizei geholfen – Beamte, die eine besondere Fähigkeit haben, Gesichter wiederzuerkennen. Bekannt geworden war das Super-Recognizing vor allem nach der Kölner Silvesternacht 2016.
Auch damals halfen die Spezialisten bei der Identifizierung von mutmaßlichen Räubern und Sexualstraftätern auf der Domplatte und im Kölner Hauptbahnhof. Die weiteren mutmaßlichen Tatbeteiligten sind noch nicht identifiziert. „Das gesamte Geschehen von dem Angriff bis hin zum Abtransport des Opfers im Rettungswagen ist auf dem vorhandenen Video dokumentiert“, berichtete Oberstaatsanwalt Bremer. Die Ermittler der Mordkommission würden nun vor der schwierigen Aufgabe stehen, zu bewerten und herauszufinden, wer von den Beschuldigten genau was gemacht hat.
Da in einer der durchsuchten Unterkunft an der Boltensternstraße derzeit auch ukrainische Kriegsflüchtlinge wohnen, waren dort nach Angaben der Polizei ukrainisch sprechende Beamte dabei, um die Menschen über die Hintergründe des Einsatzes zu informieren. „Es galt für uns, mit der größtmöglichen Sensibilität vorzugehen. Die Menschen sollten nicht retraumatisiert werden, wenn sie Beamte in Uniform sehen“, sagte ein Polizeisprecher. Die Einsatzkräfte hätten darauf Wert gelegt, dass die Maßnahmen in dem Gebäude ruhig ablaufen.