Der Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln kritisiert die geplante Darstellung von Missbrauch im Kölner Rosenmontagszug.
RosenmontagPersiflage-Wagen spaltet Betroffene – Kölner Verein findet Motiv „präzise“

Kritik, aber auch Lob gab es für diesen Persiflagewagen des Kölner Rosenmontagzug, der sich mit dem Missbrauch durch die katholische Kirche auseinandersetzt.
Copyright: Foto: Alexander Schwaiger
Der Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln schließt sich der Kritik an einem Persiflage-Wagen zum Thema Missbrauch im Kölner Rosenmontagszug an. „Dass das Thema auf diese Weise ‚verarbeitet‘ wird, ist ein erneuter Missbrauch unserer Verletzungen“, heißt es in einer Stellungnahme von Mittwoch, die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt.
Es sei wichtig, über sexuellen Missbrauch öffentlich zu reden, jedoch geschehe dies selten mit Fingerspitzengefühl: „In unserer Not und unserer Verletzung werden wir immer wieder mit großer Unwissenheit, Falschdarstellung und Abwertung konfrontiert.“ Erschreckend sei zudem, dass sexueller Missbrauch immer an der katholischen Kirche festgemacht werde. „Familien sind große Tatorte, die deutlicher öffentlich benannt werden müssen. Dazu wird geschwiegen“, so die Betroffenen weiter.
Seit einigen Tagen sorgt ein Motivwagen für den Kölner Rosenmontagszug für Kontroversen. Er zeigt einen jungen Messdiener, der vor einem Beichtstuhl steht. Aus diesem reckt sich ein Arm eines Geistlichen, der ihn mit einem lockenden Finger und den Worten „Jesus liebt dich“ hineinbittet.
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Betroffenen-Vertreter: „Motiv legt Finger in die Wunde“
Der Kölner Verein „Umsteuern!“, der sich als Interessenvertreter von Missbrauchsopfern gegenüber der katholischen Kirche versteht, widerspricht der Auffassung des Beirats: Der Mottowagen treffe ins Schwarze, heißt es in einer Mitteilung. „Das Motiv erfasst die Strategien kirchlicher Täter sehr präzise. Aus unserer Arbeit mit Betroffenen sexualisierter Gewalt wissen wir, dass sie den Glauben von Kindern und Jugendlichen ausgenutzt haben, um sie sich gefügig zu machen“, so Vereinssprecherin Maria Mesrian. „Umsteuern!“ ist Träger der unabhängigen Beratungsstelle „Leuchtzeichen“ in Köln.
Mesrian trat auch der Kritik des Erzbistums Köln entgegen, das Motiv des Mottowagens prangere Jesus als Sohn Gottes an. Kardinal Woelkis Verwaltungschef Frank Hüppelshäuser warf den Verantwortlichen des Rosenmontagszugs eine nicht zu rechtfertigende Grenzüberschreitung vor. „Der Vorwurf, hier werde Jesus selbst verunglimpft“, ist abwegig, hielt Mesrian dem entgegen und sprach von einem „durchsichtigen Manöver, um von der Schuld der Täter und dem kirchlichen Schutz für ihre Perversion der christlichen Botschaft abzulenken“. Es liege im Interesse der Kirche selbst, dies anzuerkennen und klar zu benennen. „Wir danken für diesen Mottowagen, der das entsetzliche Leid von Betroffenen sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche erneut ins öffentliche Bewusstsein rückt.“
Manche Kirchenvertreter finden Kölner Wagen gelungen
Der Münchner Priester Wolfgang Rothe, Mitglied im Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz, bezeichnete Motiv und Schriftzug des Mottowagens ebenfalls als gelungen: „Das konkrete Motiv legt den Finger trefflich in die Wunde. Es macht deutlich, dass es im Vorfeld von sexuellem Missbrauch sehr oft zu spirituellem Missbrauch kommt.“ Unter dem Deckmantel von Glauben und Frömmigkeit würden Menschen eingeschüchtert und in Abhängigkeit gebracht, sagte Rothe der KNA: „Das dadurch entstehende Vertrauen, das mit enormer Verletzlichkeit einhergeht, wurde ohne Scham und Skrupel ausgenutzt.“ Dieser Zusammenhang zwischen spirituellem und sexuellem Missbrauch werde in der Öffentlichkeit wenig thematisiert.
In den vergangenen Tagen hatten Vertreter aus Kirche und Politik den Wagen als Grenzüberschreitung kritisiert. Das Motiv prangere nicht einzelne Täter oder die Kirche an, sondern erwecke den Eindruck, dass Jesus selbst im Beichtstuhl sitze. Trotz anhaltender Kritik soll der Wagen aber im Kölner Rosenmontagszug mitfahren: „Wir sind auch gläubige Menschen. Wir wollen Jesus nicht verunglimpfen.“
Auch Zugleiter Marc Michelske verteidigte den Wagen. „Jesus liebt dich“ sei eine wunderschöne Botschaft. Leider seien die Worte aber von Missbrauchstätern ausgenutzt worden. Genau dies hätten ihm auch Missbrauchsbetroffene nach der Vorstellung des Wagenentwurfs bestätigt.