Köln – In der Auseinandersetzung um die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln sind neue Details bekannt geworden. Das Erzbistum hatte dem damaligen Betroffenenbeirat im Jahr 2020 nach Rundschau-Informationen ausdrücklich eine Bedenkzeit angeboten, bevor dieser über seine Haltung zu dem bis heute nicht veröffentlichten Gutachten der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) und das weitere Vorgehen entschied.
Die Bistumsvertreter sollten dafür in der entscheidenden Sitzung vom 29. Oktober 2020 den Raum verlassen. Der Beirat schlug diese Bedenkzeit aus und votierte mit den Stimmen aller sieben anwesenden Mitglieder dafür, das WSW-Gutachten nicht zu veröffentlichen und die Kölner Anwaltskanzlei Gercke Wollschläger einem neuen Gutachten zu beauftragen. Die Rundschau konnte das Protokoll der Sitzung einsehen.
Betroffenenrat stimmte gegen Veröffentlichung von WSW-Gutachten
Das Erzbistum Köln steht wegen seiner Vorgehensweise auf dieser Sitzung unter Druck. Eine PR-Firma hatte vorgeschlagen, dass Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki und der damalige Generalvikar Markus Hofmann „Emotionen, Glaubhaftigkeit und Echtheit“ zeigen und das WSW-Gutachten als nicht scharf genug darstellen sollten.
Nach dem Protokoll betonte Hofmann zwar, dass Mängel im WSW-Gutachten „den Kardinal und ihn sehr verärgert und alarmiert“ hätten. Er argumentierte aber nicht mit mangelnder Schärfe, sondern verwies auf Lücken in der Untersuchung zum Fall des später in Köln zu zwölf Jahren Haft verurteilten Priesters Hans-Bernhard U. und auf Nachprüfungen anderer Juristen. Anschließend kritisierten die Juristen Björn Gercke, Kerstin Stirner und Matthias Jahn mangelnde Präzision und Unvollständigkeit im WSW-Gutachten.
Ferner informierte das Erzbistum darüber, dass Gercke bereits mit einer Neufassung begonnen habe. Laut Protokoll folgte die Frage an die Betroffenen, „welches Vorgehen sie dem Kardinal und dem GV (Generalvikar) in Anbetracht dieser Lage rieten“. Nach dem einstimmigen Votum erklärte der damalige Beiratssprecher Patrick Bauer zudem, dass ihm auch wichtig sei, die „Wut“ des Beirats auf die Kanzlei WSW zum Ausdruck zu bringen. Dies erfolgte dann auch in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom Folgetag.
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Bauer wirft Erzbistum Instrumentalisierung vor
Bauer war gestern für eine Reaktion nicht zu erreichen, hatte aber früher eingeräumt, dass seine Zitate in der Pressemitteilung so gefallen seien. Er änderte kurz nach dieser Mitteilung seine Meinung, verließ den Beirat und kritisierte später, das Erzbistum habe ihn instrumentalisiert. Das ebenfalls zurückgetretene Beiratsmitglied Karl Haucke sagte der Rundschau, er und ein weiterer Betroffener hätten nicht an der kurzfristig anberaumten Sitzung teilgenommen. Sie hätten mit Bauer über die Pressemitteilung gesprochen. „Da wurde uns immer klarer, die machen etwas mit uns.“
Peter Bringmann-Henselder, der bis Anfang 2022 Sprecher des Gremiums war, betonte, der Ausgang der Sitzung sei völlig offen gewesen. In der Öffentlichkeit werde aber ein Szenario geschildert, „das in keiner Weise dem tatsächlichen Ablauf entspricht“: „Wenn also jemand die Betroffenen manipuliert und instrumentalisiert, dann sind es diejenigen, die solche Äußerungen machen.“