Marie-Luise NikutaViel mehr als nur die Motto-Queen – Ein Nachruf
Lesezeit 5 Minuten
Marie-Luise Nikuta, die kölsche Sängerin und Ikone starb am Veilchendienstag im Alter von 81 Jahren.
Seit 1977 komponierte die Karnevalslegende fast jedes Jahr ein Mottolied zur Session.
Aber Nikuta war mehr als nur Motto-Queen, vor allem in ihren Anfängen im Kölner Karneval, findet unser Autor.
Köln – In den Sartory-Sälen, in den 70er Jahren muss das gewesen sein, hörte sie mal, wie zwei Narrenkappen über sie tuschelten: „Wat will denn die he?“ Die Frau mit dem roten Schopf hat sich umgedreht und die Männer angefahren: „Dasselbe wie ihr will ich, und ihr werdet mich noch sehr lange ertragen müssen.“ Nun, sie hat Wort gehalten.
Viereinhalb Jahrzehnte hat Marie-Luise Nikuta den Kölner Karneval mitgeprägt. Mit ihren skurril-spontanen Kompositionen zum Sessionsmotto hat sie etwas Unverwechselbares im Fastelovend geschaffen. Sie galt als „Motto-Queen“ des Kölner Karnevals, knapp 40 Sessionssongs hat sie geschrieben.
Doch dieses Etikett, das sie wie eine Scherpe über der Schulter trug, verdeckt, dass sie in einer Zeit in den Karnevalssälen vorangegangen ist, als Frauen dort nur als Funkemariechen und Thekenkraft vorkamen.
„Eine flotte Frau im Fasteleer“ titelte die Rundschau, als sie 1969 als weiblicher Köbes ihre ersten Auftritte hinlegte. „Kölsch, Kölsch, Kölsch“ war der erste Titel der gelernten Versicherungskauffrau aus Weidenpesch, die schon als 13-Jährige kölsche Lieder sang. Der Köbesdress wurde zu ihrem Markenzeichen, und weil Tochter Andrea erst ein Jahr alt war, musste sie von Anfang an Kind und Karriere unter einen Hut bringen. Nur dass sich damals niemand dafür interessiert hat.
Festkomitee-Chef Christoph Kuckelkorn hat zur ihrem Tod mit 81 Jahren gesagt: „Sie hat die Bühnen erobert und den Karneval weiblicher gemacht.“ Tatsächlich bereitete „die Nikuta“, wie sie später ehrfurchtsvoll genannt wurde Sängerinnen wie Renate Fuchs oder Marita Köllner („Et Fussich Julche“) den Boden.
Dass die Männer im Saal ihre Auftritten schon mal zum Ausflug an die Theke nutzten, dass sie Spott ertragen musste, hat sie geärgert. Vermutlich mehr als sie zugeben wollte. „Wenn man solange dabei ist, gibt es eben auch Neider.“ „Sie war immer im Kampfmodus“, urteilt ein langjähriger Weggefährte, „auch als sie niemandem etwas beweisen musste.“
Der „Straßenbahn-Song“ ist bis heute in den Karnevalskneipen zu hören, auch „E paar Grosche für Ies“ oder „Dat ahle Sofa us dr Kösch“ sind unverwechselbare Stücke der Sängerin aus Mauenheim. Ihr Mann Willi fuhr sie bis zu seinem Tod vor zwölf Jahren zu den Sälen, auch zur schwul-lesbischen Community, die sie fest ins Herz schloss. Vor einigen Jahren musste sie eine Hirnblutung überstehen, die letzte Zeit verbrachte sie in einem Seniorenheim. Auf die Frage, was für sie Glück sei, sagte sie zu ihrem 75. Geburtstag: „Wenn es der Familie und Freunden gut geht. Und wenn meine Liedergut ankommen, auch das ist Glück.“
Reaktionen zum Tod von Marie-Luise Nikuta
Henning Krautmacher, Höhner: „Ich kann mich noch gut an die ersten Begegnungen mit Luise Nikuta erinnern. Vor rund 30 Jahren traf ich sie auf den Programmfahrten der KD. Sie war eine gewaltige Entertainerin. Eines ihrer wichtigsten Lieder ist für mich bis heute: ,Weißte wat, mer fahre met d’r Stroßebahn noh hus’. Damit hat sie die Latte sehr hoch gelegt. Natürlich konnte nicht jedes ihrer Lieder ein Hit werden. In unserer Branche ist der Flop die Regel, der Hit die Ausnahme.“
Ludwig Sebus, Krätzjer-Sänger: „Wir haben viele Auftritte gemeinsam gehabt. Sie hat den Vortrag, die Geschichte und das Lied vorgetragen, so wie es lange im Karneval gefragt war. Mehr als die Mottolieder haben mich Titel wie „Ich han dis Naach gedräump“ beeindruckt.“
Henriette Reker, Oberbürgermeisterin: „Marie-Luise Nikuta hat als Frau den Fastelovend geprägt wie kaum eine andere. 38 Mal hat sie das Sessionsmotto vertont und sich mit zahlreichen Hits für die kölschen Jecken unsterblich gemacht. Sie ist aus dem Karneval nicht weg zu denken und wird für ganz viele Kölner unvergessen bleiben.“
Hartmut Priess, Bläck-Fööss-Mitbegründer: „Sie hat es als Frau im Karneval sehr schwer gehabt. Das hat sicher viel Energie gekostet. Ihre Mottolieder habe ich immer als charmantes Spiel im Fastelovend empfunden. Kritik und Spott waren ungerecht und haben sie beeindruckt.“Bernd Stelter, Redner und Comedian: „Als ich 1988 anfing im Karneval, gab es noch das Colonia Duett, aber Marie-Luise Nikuta war schon ein Star. Das Straßenbahn-Lied wird in Köln immer unvergessen bleiben. Sie war die Grande Dame des Karnevals.“
Tom Buhrow, WDR-Intendant: „Marie-Luise Nikuta war ein kölsches Original. Mit ihren traditionellen Motto-Liedern und ihrem vielseitigen Engagement verkörperte sie das Wesen des kölschen Karnevals: Menschen jeder Herkunft und jedes Alters miteinander zu verbinden. Wir danken ihr für unvergessene Momente.“
Oliver Lau, Kölner Lesben- und Schwulentag: „Marie-Luise Nikuta war eine frühe Unterstützerin. Mehrfach bereicherte sie mit ihren Auftritten auf der Bühne am Heumarkt den Cologne Pride und brachte unseren Gästen das offene und tolerante Köln mit ihren kölschen Tönen und ihrer Herzlichkeit ein Stück näher. Sie unterstütze den Come-Together-Cup und war Fördererin der Stattgarde Colonia Ahoj. Wir werden sie vermissen.“
Jupp Menth, Redner („Ne kölsche Schutzmann“): „Sie hat über mehrere Jahrzehnte Erfolg gehabt und anderen Frauen den Weg bereitet. Sie hat nie gesungen, um etwas darzustellen, das kam alles aus ihr selbst heraus. Man sagt das so leicht: Das war ne echte Kölsche. Bei ihr hat es gestimmt. Sie war ein echt kölsches Mädchen.“