Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner im Interview über die Ergebnisse der Bundestagswahl in Köln - und ob sich daraus Schlüsse für die anstehende Kommunalwahl ziehen lassen.
Forsa-ChefZeigen die Kölner Wahlergebnisse eine Trendwende, Herr Güllner?
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Manfred Güllner, Geschäftsführer des Forsa-Instituts
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Wie kann es sein, dass die CDU nach einiger Zeit wieder die meisten Zweitstimmen in Köln erhalten hat, aber ihre Direktkandidaten keinen einzigen Wahlkreis holen konnten?
Es ist auffällig, dass die SPD-Kandidaten beliebt zu sein scheinen. Sie haben ja alle deutlich mehr Erst- als Zweitstimmen, so vor allem Karl Lauterbach, aber auch Rolf Mützenich, selbst wenn er seinen Wahlkreis am Ende nicht geholt hat. Und das dürfte daran liegen, dass die SPD-Kandidaten bekannter und populärer sind als die CDU-Direktkandidaten.
Die Verteilung der Zweitstimmen in Köln insgesamt ist etwas anders als im Bund. Etwa die Grünen schneiden besser ab als auf Bundesebene, die AfD schlechter. Woran könnte das liegen?
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Was in Köln zunächst auffällt, ist, dass die Wahlbeteiligung sogar noch etwas höher ist als im Bundesdurchschnitt. Köln war eigentlich traditionell eine Stadt, wo die Wahlbeteiligung eher niedrig war. Jetzt ist das anders. Außerdem gibt es in Köln Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur, die dazu führen, dass einerseits die Grünen seit einiger Zeit so stark sind - begünstigt auch durch den Dunstkreis der vielen Bildungseinrichtungen in der Stadt.
Wir sehen aber auch, dass die Linke in Köln deutlich stärker ist als im Bundesdurchschnitt. Möglicherweise könnte sie den Grünen bei den kommenden Kommunalwahlen gefährlich werden, in dem Sinne, dass sie den Grünen Stimmen wegnehmen. Jetzt plötzlich 15 Prozent in Köln zu bekommen, ist ja schon ein enormer Erfolg für die Linke. Auf der anderen Seite ist die AfD unterdurchschnittlich stark. Das ist aber auch schon früher in Köln so gewesen: Köln war eine der Städte, wo die Nationalsozialisten am schlechtesten abgeschnitten haben.
Eine andere Stadt, wo dies der Fall war, war Dortmund mit einer starken proletarischen Kultur. In Köln war die starke Verankerung im Katholizismus ein Bollwerk gegen Rechtsradikalismus. Insofern scheint diese Tradition in Köln fortgesetzt zu werden und die AfD schwach zu bleiben.
Kann man aus der Bundestagswahl für die anstehenden Kommunalwahlen eine Tendenz ableiten? Also markiert der Sonntag eine Trendwende oder ist das lediglich eine Momentaufnahme?
Die Kölner sind ja genauso schlau wie die Wahlberechtigten generell und wissen immer, um was es bei der Wahl geht. Diesmal ging es eben um die Mehrheit im Bundestag und nicht um die Mehrheit im Rathaus. Deswegen kann man nicht unbedingt schon Schlüsse für die nächste Kommunalwahl ableiten, zumal es bei der Kommunalwahl ja auch keine Sperrklausel gibt.
Bei der Kommunalwahl gibt es deshalb einen viel höheren Anteil von sonstigen Parteien, die gewählt werden. Zum Beispiel Volt und andere, die dann auch im Rat vertreten sind. Man kann deshalb die Tendenzen dieser Wahl nicht eins zu eins auf die Kommunalwahl übertragen. Spannend wird aber unter anderem werden, ob die Linke sich noch stärker in der Wählerschaft verankern kann und so die Grünen weiter schwächt.
Sie sprachen die Linke an, die ihren Zweitstimmenanteil in Köln im Vergleich zur letzten Bundestagswahl mehr als verdoppeln konnte. Ist das einfach eine Reaktion auf den Erfolg der rechten AfD, den wir ja auch im Bund sehen?
Das dürfte in Köln wie überall eine Entwicklung sein, die erst in der Endphase des Wahlkampfes eingetreten ist, und zwar nach dem Vorgehen von Merz im Bundestag und der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD. Das hat der CDU auch bundesweit nichts genutzt, sondern eher geschadet. Nach dem Bruch der Ampel lag die Union ja bundesweit bei 33 bis 34 Prozent. Jetzt ist sie bei 28,5 Prozent gelandet.
Das heißt, es war ein schwerer strategischer Fehler von Merz. Genutzt hat es aber der Linken, die auch bundesweit in den Umfragen ihren Anteil zwischen Ende letzten Jahres bis zur Wahl mehr als verdoppelt hat. Und dieser Effekt ist auch in Köln zu beobachten. Die strategische Fehleinschätzung von Merz hat somit der Linken auch in Köln genutzt.
Man wird aber darauf schauen müssen, ob die Linke ihren Höhenflug langfristig fortsetzen kann.
Ja. Aber zumindest denkbar ist es schon, dass die Jungen hier eine Partei entdeckt haben, der sie auch bei den nächsten Wahlen noch treu bleiben.
Ein großer Verlierer dieser Bundestagswahl ist die SPD. Selbst Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, hat seinen Wahlkreis am Ende nicht verteidigen können. Welche Lehren sollten die Sozialdemokraten jetzt daraus ziehen?
Herr Mützenich hat ja nur ganz knapp verloren. Und das liegt nicht an seiner Person, sondern in erster Linie an der Unzufriedenheit mit der SPD und der Ampel-Politik generell. Aber als Person ist Mützenich offenbar noch hoch akzeptiert. Er hat ja nur rund 400 Stimmen weniger bekommen als Frau Dröge.
Was können die Sozialdemokraten als Partei tun, um ihr Profil wieder zu schärfen und einigermaßen wieder auf Kurs zu kommen?
Ich fürchte, da muss man lange nachdenken. Die SPD ist aber in der Vergangenheit immer stark geworden, weil sie zunächst auf kommunaler Ebene Vertrauen gewonnen hatte. Das kann man gerade auch in Köln sehen, wenn man sich die Wahlgeschichte anguckt. In den 50er und 60er Jahren hat die SPD auf kommunaler Ebene Vertrauen gehabt, das sich dann auch auf die Landes- und Bundesebene übertragen hat.
Aber diese lokale Verankerung hat sie auch in Köln schon lange verloren. Die SPD kann eigentlich nur dann auf Dauer eine Renaissance erleben, wenn sie wieder auf der kommunalen Ebene beginnt, Vertrauen bei den Bürgern zu zurückzugewinnen. Da müsste sie für die anstehende Wahl in Köln schauen: Gibt es genügend vertrauenswürdige und bürgernahe Kandidaten für die kommende Wahl des Rates, mit denen wieder vernünftige Kommunalpolitik gemacht werden kann?