Köln – 22 Jahre ist es her, dass der Grundsatzbeschluss gefasst wurde, vor fünf Jahren hat der Stadtentwicklungsausschuss grünes Licht für das Planfeststellungsverfahren gegeben: Wären vom ersten Schritt an bis heute nur wenig mehr als drei Meter des Tunnels für die Stadtbahnlinie 18 an der Kreuzung Luxemburger Straße/Militärring pro Jahr gebaut worden, das Projekt wäre längst beendet. Doch die Realität ist eine andere. Es liegt noch nicht einmal eine Baugenehmigung vor. Wann jemals mit dem Bau des Tunnels begonnen werden kann, wagt mittlerweile keiner mehr zu sagen.
Eine der kompliziertesten Kreuzungen Kölns
Handlungsdruck ist mehr als reichlich vorhanden. Die Kreuzung Luxemburger Straße/Militärring gehört zu einer der stau- und unfallträchtigsten Kölns. Das liegt nicht zuletzt an ihren komplizierten Verflechtungen. Zwei große Pendlerachsen treffen dort aufeinander. Südlich grenzt die A4-Abfahrt Klettenberg an, weiter östlich mündet die A555 in den Verteilerkreis Süd. Durch die Kreuzung selbst fährt die Stadtbahnlinie 18 im Zehnminutentakt.
Dieser Takt wird den Anforderungen längst nicht mehr gerecht. Jenseits der Kreuzung, in Hürth, befinden sich große Studentenwohnheime. Weil vor der Corona-Pandemie Berufspendler und Studenten gemeinsam nicht mehr genug Platz in den Stadtbahnen fanden, setzten die Kölner Verkehrs-Betriebe parallel Zusatzbusse ein. Es bräuchte einen Fünf-Minuten-Takt auf der Linie. Doch das würde die komplizierte Kreuzung endgültig paralysieren.
Also herrschte schon vor über zwei Jahrzehnten Einhelligkeit darüber, dass diese Kreuzung entflochten gehört. Und obwohl vor sechs Jahren die Verkehrswende noch nicht in aller Munde war, herrschte Einmütigkeit darüber, dass die Stadtbahn freie Fahrt bekommen muss. Die Linie 18 sollte in eine sogenannte Troglage geführt werden. Ein Deckel drauf, über den dann der Individualverkehr fließen kann. Der Fachmann bezeichnet so etwas nicht als Tunnel, landläufig geht ein solches Bauwerk aber als Tunnel durch. 2018 sollte mit dem Bau begonnen werden. Die Bauzeit wurde auf drei Jahre angesetzt.
Ein Geflecht von Zuständigkeiten
Allerdings ist nicht nur der Kreuzungsverlauf kompliziert, auch die Zuständigkeiten sind es. Die Stadtbahnlinie 18 ist ein „Gemeinschaftsprojekt“ der KVB und der Bonner Stadtwerke. Die Gleisanlage gehört der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK). Die Stadt Hürth ist beteiligt. Die Stadt Köln ist es sowieso. Genehmigungsbehörde ist allerdings die Bezirksregierung Köln. Für den Straßenbau zeichnet der Landesbetrieb Straßen.NRW verantwortlich.
Zurzeit steckt das Verfahren bei der Bezirksregierung fest. Sie muss das Planfeststellungsverfahren durchführen, im Grunde also die Baugenehmigung erteilen. Wie es denn nun um die Genehmigung stehe, das hat die FDP-Fraktion im Regionalrat mal angefragt. Verkürzt kann gesagt werden: Es steht nicht so gut.
Gutachten sind mittlerweile veraltet
Anfang 2017 wurden die Pläne öffentlich ausgelegt. Nicht unüblich: Einwände machten Nachbearbeitungen notwendig. Es wurde gefordert, die Verkehrsfläche der Kreuzung zu minimieren, um mehr Raum für den Radverkehr zu gewinnen. Bereits 2016 gab es Sondergutachten zu Flora und Fauna. Doch die sind mittlerweile veraltet, der Landesbetrieb muss neue liefern. Und wie geht es jetzt weiter? „Die abschließende Fertigstellung [...] erfolgt in Abhängigkeit verfügbarer Personalressourcen. Folglich wird das Planfeststellungsverfahren in 2023 fortgeführt werden können“, heißt es in der Antwort. Voraussichtlich für 2024 stellt die Bezirksregierung den Abschluss des Verfahrens und damit die Baugenehmigung in Aussicht.
Keine belastbare Perspektive
Also kann es 2024 los gehen mit den Bauarbeiten? Wohl kaum. Die Bezirksregierung führt aus: Es brauche noch eine „Eisenbahnkreuzungsvereinbarung“ zwischen der HGK und dem Landesbetrieb. Auch die Finanzierung ist offen: Welcher Kostenanteil wird vom Bund, vom Land und von der HGK übernommen? Der Grunderwerb ist noch zu regeln, der Bauablauf zu planen, es braucht eine Kampfmittelräumung und eine archäologische Sondierung. Dann folgen Ausschreibung und Vergabe sowie ein Verkehrskonzept für die Bauphase. Und wenn noch jemand klagt? Unter dem Strich kommt die Bezirksregierung zu dem Ergebnis: „Eine belastbare Perspektive zum Baubeginn kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht werden.“
Kommentar zum Thema: Schieflage
Die Verkehrswende hat Schlagseite. An Maßnahmen zum Zurückdrängen des Autoverkehrs fehlt es mittlerweile in Köln nicht. Wer allerdings im Gegenzug auf eine Angebotserweiterung im öffentlichen Personennahverkehr wartet, schaut frustriert in die Röhre.
Seit der jüngsten Kommunalwahl, seitdem die Grünen das Ratsbündnis mit CDU und Volt anführen und mit dem neuen Verkehrsdezernenten Ascan Egerer einen verlängerten Arm in der Verwaltung haben, geht es Schlag auf Schlag: Straßensperrungen, Fahrspurreduzierung, Parkplatzverringerung. Statt des Autos sollen Rad, Bus und Bahn genutzt werden. Doch während Fahrspuren und Parkplätze schnell gestrichen sind, gelingt es über Jahre und auf unabsehbare Zeit nicht die Pendlerlinie 18 flott zu machen. Ein weiteres Beispiel für die Schieflage auf der Angebotsseite: Der Radschnellweg Frechen/Köln. An dem wird nun seit rund 15 Jahren herumgeplant.
Solange sich die Bürokratie bei solchen Projekten dank unheilvoller Überreglementierung selbst in den Füßen steht, wird die Verkehrswende keine Akzeptanz finden.