Köln – Seifenspender, Papierhandtücher, Kanister mit Nachfüllseife – das stapelt sich gerade im Konferenzraum des Dreikönigsgymnasiums in Bilderstöckchen. „Wir sind vorbereitet“, sagt Direktorin Barbara Wachten. In den Osterferien sei viel passiert, auch mit Unterstützung von Stadt und Bezirksregierung. Die Ferien hat die Direktorin fast durchgängig in der Schule verbracht. Es gab viel zu tun, um die Schule hygienisch für einen Betrieb nach den Osterferien fit zu machen. Jetzt wartet die Direktorin darauf, dass die angehenden Abiturienten ab nächsten Donnerstag wieder in die Schule kommen. Etwa 70 Schüler sind das. Sie müssen nicht kommen, aber sie dürfen. So lautet die Entscheidung des NRW-Schulministeriums.
Drei Wochen vor Ort fürs Abi lernen
Drei Wochen lang sollen alle Abschlussjahrgänge die Möglichkeit haben, vor Ort für ihre Prüfungen zu lernen. Diese Regelung, über die lange und ausführlich gestritten wurde, gilt nicht nur für Abiturienten. Auch Schüler der Abschlussklassen in den Haupt-, Real-, Gesamt- und Berufsschulen sind betroffen. Wie viele das genau in Köln sind, konnte die Stadt auf Anfrage nicht mitteilen. Nur soviel scheint klar: Es dürfte um die 10 000 betreffen.
Die Reaktionen auf die Entscheidung aus Düsseldorf sind gespalten. Von „Hau-Ruck-Verfahren“ und „Chaos“ spricht Eva-Maria Zimmermann, Kölner Geschäftsführerin der Gewerkschaft Erziehung und Wissen. Ihre Gewerkschaft plädiert nach wie vor dafür, dass die Prüfungen wegfallen und eine „Durchschnittsabschluss-Note“ für den Schulabschluss errechnet werden soll.
Was ist mir vorerkrankten Schülern?
Die BezirksschülerInnen-Vertreter sehen das differenzierter. „Grundsätzlich befürworten wir, dass es die Möglichkeit für Unterricht vor den Prüfungen gibt“, sagt Lasse Schäfer. Auch die Prüfungen an sich werden nicht per se abgelehnt. Aber die Schülervertreter sorgen sich um vorerkrankte Schüler, die nicht zum Unterricht kommen können. Ihr Vorschlag: die Prüfungen nach hinten verlegen oder Schüler zwischen Prüfung und Durchschnittsnote entscheiden lassen.
Dass die Abschlussnote beispielsweise für die ZP10-Prüfung, die Schüler an Haupt- und Realschulen ablegen, sehr entscheidend sein kann, betont ein Hauptschullehrer. Je nachdem wie gut die Note ist, macht sie den Weg zum Abitur frei. Auch die Angst vor einem „NRW-Abi“, das nicht überall anerkannt wäre, war ein Argument für Abschlussprüfungen.
Schulleiterin Wachten kennt die unterschiedlichen Blickwinkel und Argumente. Die Schulöffnung für angehende Abiturienten hält sie für richtig. „Ich halte es für geboten, im Sinne einer Chancengleichheit.“ Denn längst nicht alle Schüler haben ungehinderten Zugang zu digitalen Angeboten, und manche brauchen auch den persönlichen Austausch mit den Lehrkräften.
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Diese konnten übrigens angeben, ob sie zu Risikogruppen gehören. Grundsätzlich könnten sie dann auf eigene Verantwortung freiwillig arbeiten. „Wir können das gut regeln“, ist Schulleiterin Wachten optimistisch. Ihre pragmatische Einstellung: „Besondere Zeiten erfordern einen besonderen Umgang.“ Auch die Stadt sieht sich gut gerüstet für eine schrittweise Öffnung der Schulen. „Wir passen da gut auf und halten uns an die Hygiene-Vorgaben des Robert Koch-Instituts“, sagte Stadtdirektor Stephan Keller. Obwohl der ÖPNV hochgefahren werde, ist seine Empfehlung an die Schüler: „Mit dem Rad zur Schule fahren.“
Drei Fragen an... Lutz Tempel
Lutz Tempel, Vorsitzender der Schulpflegschaft, Eltern-Ansprechpartner
Die Abschlussjahrgänge sollen kommende Woche in die Schulen zurückkehren. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Die Aufgabe wird es sein, das aufzuholen, was bereits in den drei Wochen vor den Osterferien ausgefallen ist. Wir als Elternvertreter kritisieren, dass die Schüler nun mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen wieder zur Schule gehen. Schwierig wird es für Schüler, die zu Hause nicht die Möglichkeit hatten, gut zu lernen. Die Verunsicherung ist groß.
Nun sollen kleine Gruppen unterrichtet werden. Eine Rückkehr aller Klassen ist kaum vorstellbar.
Das Hauptproblem werden die fehlenden Flächen in den Schulen sein. Man wird also neue Stundenpläne brauchen, um schichtweise kleinere Klassen unterrichten zu können. Wichtig wird es sein, jene Kinder wieder in die Schule zu bringen, die demnächst vor einem Abschluss stehen. Denen fehlen am Ende mehrere Wochen vernünftiger Unterricht. Wie das aufgeholt werden soll, ist uns unklar. Die Abiturprüfungen in diesem Jahr halte ich für verzichtbar, denn die Schüler haben 12 oder 13 Jahre lang bewiesen, dass sie den Stoff beherrschen. Ein Abschlusszeugnis mit den zuletzt erzielten Noten halte ich deshalb für sinnvoll.
Wie stressig ist ihr Amt momentan?
Täglich beschäftige ich mich etwa drei Stunden mit Schulthemen. Es melden sich auch viele Eltern, deren Kinder die Haupt- oder Realschule besuchen. Förderschulen sind ein eigenes Thema, die in der ganzen Debatte stark vernachlässig werden. Außerdem wird die Umsetzung der Hygienemaßnahmen eine Herausforderung für die Schulen werden.