Kommentar zum Muezzin-RufDie kölsche Toleranz muss für einiges herhalten
Köln – Die kölsche Toleranz muss für einiges herhalten. Manche Nachlässigkeit im Großstadtschmuddel lässt sich so galant wegerklären, wer aber anderseits den Großmut in Frage stellt, rüttelt am kölschen Selbstverständnis. Auch das zweijährige Modellprojekt zum Ruf des Muezzin hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit dem Kleid von Respekt und Vielfalt umhüllt. „Wenn wir in unserer Stadt den Ruf des Muezzin hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt gelebt wird“, sagt die OB. Und wenn nicht? Dann nicht?
Die Oberbürgermeisterin hat in einem schlichten Verwaltungsakt das Modellprojekt ausgerufen. Der Zeitpunkt kam überraschend. Dass dieser sensible Inhalt nicht auf eine breitere Basis gestellt wurde, dass der Stadtrat nicht einmal vorab informiert worden ist, hat ihr zu Recht Kritik eingebracht. Natürlich sind die Muslime Teil der Stadtgesellschaft. Und die Religionsfreiheit ist ebenso selbstverständlich ein hohes Gut im gar nicht mehr so „hillijen Kölle“. Inwieweit der Ruf des Muezzin Teil dessen sein muss und darf, ist aber strittig und hat in anderen Städten lange Gerichtsverfahren nach sich gezogen.
Dazu kommt: Toleranz sollte doch im Idealfall für beide Seiten gelten. Die Ditib ist dadurch nicht besonders aufgefallen. Schlimmer noch: Sie hat die ausgestreckte Hand der Unterstützer wie Alt-OB Fritz Schramma ausgeschlagen. Abgeschirmt von der Stadtgesellschaft wurde vor drei Jahren die Großmoschee unter skandalösen Umständen eröffnet. Reker hat ihre Teilnahme damals übrigens abgesagt.
Viele sehen in der Ehrenfelder Moschee inzwischen ein Symbol türkischer Staatsreligion. Nun erklärt die Ditib, die 2008 getroffene Vereinbarung zum Verzicht auf den öffentlichen Gebetsruf müsse neu verhandelt werden. So geht Toleranz eher nicht.