- Am 1. September tritt William Wolfgramm (44) sein Amt als Leiter des neuen Dezernats für Umwelt, Klima und Liegenschaften an.
- Im Rundschau-Interview spricht er über Hochwassergefahr, Klimaschutz-Management und den Umgang mit Fördergeldern.
Sie sind Diplom-Geograph. Was qualifiziert Sie eigentlich als Klimaschutzexperte?
Im Geographie-Studium befasst man sich automatisch mit dem Klimawandel. Ich habe mich sehr intensiv damit beschäftigt. Dabei ging es mir weniger um die naturwissenschaftliche Seite – was verursacht den Klimawandel? –, sondern um die Frage nach den Auswirkungen. Ich habe mich früh auf den Bereich Naturgefahren spezialisiert. Mein Fachgebiet waren Hochwasser und Überschwemmungen, meine Diplomarbeit habe ich über Risikomanagement in der kommunalen Hochwasservorsorge geschrieben.
Ein sehr aktuelles Thema. Haben Sie in diesem Bereich auch gearbeitet?
Ja, unter dem damaligen NRW-Umweltminister Johannes Remmel wurden Stellen zur Umsetzung der Europäischen Hochwassermanagement-Richtlinie aufgelegt. Ich bekam eine dieser neu geschaffenen Stellen, wurde also in dem Fachbereich tätig, den ich studiert habe. Es ging darum, dass man Risiken ermittelt und aufzeigt. Dass man politischen Entscheidungsträgern, Wasserverbänden und Firmen die Risiken bewusst macht und fragt: Wie gehen wir damit um? Also zum Beispiel, nicht mehr in Auengebiete zu bauen. Da musste ich viel Überzeugungsarbeit leisten und war viel in politischen Gremien unterwegs.
Zur Person
William Wolfgramm (44, parteilos) wurde in Leverkusen geboren. Mit 16 zog er nach Köln. Sein Abitur machte er am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, 2007 schloss er sein Geographie-Studium in Bonn ab. Er arbeitete im Tiefbauamt Bonn, dann bei der Bezirksregierung Düsseldorf als Dezernent in der Abteilung für Wasserwirtschaft und Umweltschutz. Regierungspräsidentin Anne Lütkes machte ihn zum Büroleiter und stellvertretenden Pressesprecher. 2015 wechselte er nach Köln in das OB-Büro von Henriette Reker, dessen Leitung er 2018 übernahm.
17 Jahre spielte Wolfgramm in der Hockey-Bundesliga, unter anderem für Rot-Weiß Köln. Er ist ledig und wohnt in Lindenthal. Zu seinem Dezernat mit 1500 Mitarbeitenden gehören Liegenschaftsamt, Umwelt- und Verbraucherschutzamt, Grünflächenamt und die Koordinationsstelle Klimaschutz. (fu)
2015 holte Oberbürgermeisterin Henriette Reker Sie aus Düsseldorf in ihr OB-Büro...Als der Ruf kam, musste ich nicht lange überlegen. Ich habe dadurch zwar mein ursprüngliches Fachgebiet verlassen. Aber die Aussicht, in der Stadt, in der ich lebe, Einblick in alle kommunalpolitischen Themen zu bekommen, war für mich sehr spannend.
Warum wollten Sie Beigeordneter werden?
Als nach der Kommunalwahl das neue Dezernat geschaffen wurde, habe ich mir gesagt: Hier könnte ich an einer wesentlichen Stelle die Stadt mitgestalten – und zwar in meinem Fachbereich, der mir selbst und auch gesellschaftspolitisch enorm wichtig ist.
Als Dezernent für Klimaschutz fehlt Ihnen aber die Zuständigkeit für den Bereich Verkehr, der hierbei doch von entscheidender Bedeutung ist. Ein Handicap?
Beim Klimaschutz ist ja nicht nur der Verkehr Thema, es geht auch ums Bauen, um die Energiewirtschaft und vieles mehr. Für mich ist entscheidend: Wie erhält man Querschnittskompetenz, wie bekommt man Durchschlagskraft in der Stadtverwaltung. Mit dem neuen Mobilitätsdezernenten Ascan Egerer habe ich mich schon ausgetauscht, mein Eindruck ist, dass er dem Thema Klimaschutz sehr zugewandt ist, was aber auch für die anderen Beigeordneten gilt.
Wie sehen Sie Ihr Verhältnis zu den anderen Dezernaten?
Im Verwaltungsvorstand hat jeder seine Rolle und seinen Aufgabenbereich, aber es ist auch ein Team, das funktionieren muss. Das Liegenschaftsamt ist ein Amt mit gewichtiger Stimme, das Querschnittskompetenz hat und über die Flächen auf viele Themen Einfluss nehmen kann. Der neue Dezernatszuschnitt erlaubt es mir, mich noch mehr auf Umwelt und Klima zu fokussieren, als mein Vorgänger (der bisher unter anderem für Umwelt zuständige Beigeordnete Dr. Harald Rau, Anmerkung der Redaktion), der auch den Bereich Soziales verantwortet hat. Das ist ein großer Mehrwert.
Wie wollen Sie diese Querschnittskompetenz ausüben?
So wie Unternehmen das auch machen. Ich stelle mir vor, dass man sektorübergreifend Kennzahlen definiert, die klimarelevant sind und von meinem Dezernat kontrolliert werden. Das Finanzdezernat arbeitet auch so, es stellt einmal im Jahr im Stadtvorstand vor, wie sich die Finanzkennzahlen der einzelnen Ressorts entwickelt haben. Mit einem vergleichbaren Klima-Controlling will ich künftig darstellen, wie sich die verschiedenen Sektoren im Klimaschutz bewegen. Ich kann anderen Dezernaten zwar keine Anweisungen geben. Aber wenn sie ihre Kennzahlen vorlegen, wird sehr deutlich werden, ob sie ihre Ziele erreichen oder nicht.
Laufen Sie nicht Gefahr, ein König ohne Land zu sein, und am Ende sind neue Wohnungen, Schulen und Gewerbeflächen wichtiger als Klima- und Naturschutz?
Nein. Das Klimadezernat ist kein Feigenblatt. Wichtig ist, dass wir gemeinsam Ziele für den Klimaschutz definieren und umsetzen. Die Dekarbonisierung muss zügig erreicht werden, das ist Fakt, es gibt sogar ein Urteil des Verfassungsgerichts dazu.
Wie gehen Sie da ran? Sehen Sie sich als Missionar, der die anderen überzeugen muss, wie wichtig Klimaschutz ist?
Als Missionar sehe ich mich nicht. Sondern als Verwaltungsmanager, der die Dinge umsetzen soll und dabei ganz viele Leute einbinden muss.
Angesichts der knappen Flächen in Köln wird die Konkurrenz immer größer: Baut man Wohnungen, Schulen und Büros oder legt man Frischluftschneisen und Solarparks an? Wie wollen Sie sich gegen andere Dezernate durchsetzen?
Ich sehe eine große Bereitschaft bei meinen Kollegen, im Klimaschutz voranzugehen. Ich möchte ein strategisches Flächenmanagement etablieren, um die Flächennutzung künftig systematischer anzugehen. Im Bündnisvertrag des Ratsbündnisses ist zum Beispiel ein Entsiegelungskataster vereinbart, um Flächen zu finden, die renaturiert werden können. Ich will nicht Wohnen oder Soziales gegen Klima ausspielen. Das muss man austarieren.
Wenn Schulen während der Sanierung in Grünflächen verlegt werden, weil man keine andere Idee hat, wie beim Dreikönigsgymnasium, müssen Sie als Klimadezernent doch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen...
Nein, das tue ich nicht. Selbstverständlich stehe ich als zuständiger Dezernent vorrangig für die Themen Umwelt und Klima ein, aber im Verwaltungsvorstand kann ich nicht einfach sagen, es muss sich alles dem Klimaschutz unterordnen, wenn es manchmal keine andere Lösung gibt. Ich komme aus dem Teamsport, ich weiß, manche Dinge kann man nur als Team lösen. Auch Schulen haben oberste Priorität, da muss man gemeinsam Lösungen erarbeiten und notfalls auch mal so eine Lösung akzeptieren und sehen, wie man es an anderer Stelle kompensiert bekommt.
Das drohende Bürgerbegehren zur Klimaneutralität der Rheinenergie ist vorerst vom Tisch. Sie waren an dem Mediationsverfahren beteiligt. Wie sehen Sie den Kompromiss?
Ich freue mich darüber und halte das Ergebnis für bedeutend, weil es gelungen ist, dass alle Akteure an einem Strang ziehen. Natürlich wollte die Initiative Klimawende Köln mehr. Aber auch die Rheinenergie musste sich stark bewegen.
Laut dem Kompromiss muss die Rheinenergie bereits ab 2022 nur noch Ökostrom liefern, kann den aber zukaufen und sich beim Ausbau der eigenen Anlagen für erneuerbare Energie viel Zeit lassen. Eine Mogelpackung?
Ich sehe es nicht so, dass es eine Mogelpackung ist. Ich denke, wenn der Vorstand der Rheinenergie so ein Papier unterschreibt, ist das kein Papiertiger, sondern ernst gemeint. Wir bereiten gerade eine Vorlage für den Stadtrat vor mit dem konkreten Maßnahmenplan. Meines Erachtens hat sich durch den Prozess auch bei der Rheinenergie die Wahrnehmung verändert. Mit dem neuen Klimaplan kann sie zum Vorreiter für andere Akteure und Unternehmen werden.
Der Klimarat hat das von Oberbürgermeisterin Reker und dem Ratsbündnis ausgerufene Ziel, Köln bis 2035 klimaneutral zu machen, als unrealistisch eingeschätzt. Hat die Politik den Menschen Sand in die Augen gestreut?
Nein. Zum Beispiel hat die Rheinenergie ihr Zieldatum ja bereits von 2040 auf 2035 vorgezogen. Der Klimarat ist von dem ausgegangen, was er nach jetzigem Stand für machbar hält. Aber kommende Rahmenbedingungen werden die Prozesse beschleunigen. Wichtig ist, dass wir jetzt handeln und keine Zeit mehr verlieren!
Wie wollen Sie Klimaneutralität bis 2035 erreichen?
Ein wichtiger Baustein ist die Solaroffensive. Wir werden den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf städtischen Gebäuden, Schulen und Sporthallen beschleunigen und im privaten Bereich mit Fördergeldern ankurbeln.
Die Förderung lief in der Vergangenheit eher schleppend...
Im Haushalt 2022 stehen 76 Millionen Euro für Klimaschutzprojekte bereit, es dürfen künftig gerne mehr werden. 20 Millionen stehen für Förderprojekte zur Verfügung. Wir müssen zusätzliche Fördermittel von Bund und Land einwerben und mit schneller Planung und Umsetzung dafür sorgen, dass das Geld auch ausgegeben wird.