Er trägt einen großen Namen und wurde in New York geboren: Jugendseelsorger Tobias Schwaderlapp über Weihnachten und seinen Weg zum Priester
Kölner Jugendseelsorger Tobias Schwaderlapp„Weihrauch macht glücklich“
Wie sieht Ihr Terminplan ab dem 24.12. aus?
Ich bin traditionell am Heiligen Abend morgens zum Frühstück in Düsseldorf bei einer Familie. Die geben mir noch ein paar Blümchen für meine Mutter mit, und dann bereite ich meine Predigten vor. Um 19 Uhr feiere ich die Christmette im Altenberger Dom. Direkt im Anschluss fahre ich seit vielen Jahren nach Solingen, um in St. Engelbert eine Jugend-Christmette zu leiten. Erfahrungsgemäß bin ich gegen 2 Uhr im Bett, um schon um 5 wieder aufzustehen.
Ein hartes Brot.
Alles zum Thema Erzbistum Köln
- Sanierung Schimmel in der Marienheider Wallfahrtskirche
- Zwischen Himmel und Erde In Rhein-Berg planen viele Kirchengemeinden Solardächer
- Beladen wie die Weihnachtsmänner Bornheimer packten Pakete für Soldaten in der Ukraine
- Bistum Aachen Plant die Kirche den Rückzug aus der Fläche, Herr Generalvikar?
- KJG-Gruppe von 1974 Diese Lindlarer Jugendfreundschaft hält jetzt schon seit 50 Jahren
- Landgericht Köln Kölns Kardinal Woelki soll vor Gericht aussagen
- Relief wird nicht gerettet Pfarrhaus in Bergheim weicht acht Doppelhaushälften
Ich gehe dann joggen, um fit zu werden. Um 7 feiern wir die sogenannte Hirtenmesse im Altenberger Dom. So richtig schön im Dunkeln. Damit bin ich dann liturgisch erst mal durch.
Direkt die erste kritische Frage: Ist der Weihnachtsmann eine Erfindung von Coca Cola?
Ich traue den Marketingleuten von Coca Cola viel zu, aber nicht die Erfindung des Weihnachtsmanns. Der ist ja eigentlich eher eine säkularisierte Form des heiligen Nikolaus. Ich glaube, er wurde durch holländische Aussiedler in die USA importiert – Mit Zipfelmütze statt Mitra. Womöglich ist er dann über Coca Cola nach Europa zurückgekommen.
Wie wurde der Nikolaus so populär?
Sankt Martin ist der Heilige des Teilens, Nikolaus der Heilige des Schenkens. Deshalb ist er auf der ganzen Welt sehr beliebt. Und damit verknüpft sich die große Tradition des Schenkens und Beschenktwerdens an Weihnachten.
Mal zwischendurch: Als Kind habe ich mich immer gefragt, warum St. Martin dem armen Bettler nur den halben Mantel gegeben hat.
Das frage ich mich auch. (lacht) Ich gehe mal davon aus, dass diese Soldatenmäntel recht groß waren. Vor allem jedoch geht es darum, vom Eigenen die Hälfte zu geben, um die Not des Anderen zu lindern − eine große Botschaft!
Der Weihnachtsmann mit dem Vornamen Nikolaus bringt die Geschenke. Wie passt das Christkind in diese Geschichte?
Das Christkind ist das große Geschenk an Weihnachten! Gott sieht, was den Menschen fehlt, und hat sich deshalb selbst an uns verschenkt. Um uns reich zu machen an Geborgenheit, an Liebe. All das drückt sich in dieser Menschwerdung und damit im Kind in der Krippe aus.
Und so animiert uns das Christkind dazu, auch andere zu beschenken?
Genau. An unseren Geburtstagen sind wir die Beschenkten, aber schöner finde eigentlich die Tradition der Hobbits im Herrn der Ringe: Die beschenken an ihrem Geburtstag die anderen. Im Sinne von: Ich habe so ein Glück, euch um mich zu haben.
Bei den Bettelmönchen in Tibet bedanken sich die Schenkenden, weil sie etwas geben dürfen, habe ich mal gelesen.
Wunderbar, eine schöne Geste.
Letzte Weihnachtsfrage: Ist Rudolf ein englisches oder deutsches Rentier?
Dass der Weihnachtsmann von Rentieren gezogen wird, ist mir nur aus der englischsprachigen Musik bekannt. Ich habe Rudolf über eine Platte der Kelly Family kennengelernt, die meine Schwester hatte.
Warum sind Sie in New York geboren?
Meine Eltern haben da für kurze Zeit gewohnt. Ich bin dort nicht aufgewachsen.
Klingt aber cool in der Biografie.
Mega cool, ich bin da auch sehr stolz drauf. (lacht)
Hatten Sie ein Erweckungserlebnis auf Ihrem Weg zum Priester?
Ich bin in einer katholischen Familie großgeworden. Mein Patenonkel mütterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits sind Priester geworden, und ich habe sie als glückliche Menschen erlebt. Ich war auch sehr gerne Messdiener und habe mich früh für Fragen der Philosophie und des Glaubens, rund um die Wahrheit, Schönheit, das Glück und den Sinn des Lebens interessiert.
Weil ich auch Messdiener war: Macht Weihrauch high?
Er macht zumindest glücklich. Ich rieche Weihrauch total gern. Und der „Pyromane“ in mir hat auch Freude, wenn es so richtig dampft.
Was erlebt man, wenn man mit dem Namen Schwaderlapp aufwächst?
Mit meiner kopierten Kreditkarte hat mal jemand tausend Euro von meinem Konto abgehoben, ich musste Anzeige erstatten. Ich also zur Polizei und sage auf Aufforderung: Mein Name ist Schwaderlapp. Der Polizist sieht mich an, sieht den Priesterkragen und lacht sich schlapp. Ist mir sogar schon bei Beerdigungen passiert, mit den Bestattern.
Wie erklärt sich Ihr Familienname etymologisch?
Unsere Familie kam wohl im 17. Jahrhundert aus Belgien in den Westerwald. Ich vermute mal, dass die viel geredet haben und hier im Rheinland aus dem Spitznamen der Nachname geworden ist: Der „Schwadlappe“, der Schwaderlapp.
Welche Sorgen bekommen Sie als katholischer Jugendseelsorger mit?
Der eine ist unzufrieden in der Ausbildung, die andere hat vielleicht eine Glaubensfrage: Wie kann ich diesen Gott erfahren, an den ich irgendwie glaube, den ich aber nicht erlebe?
Nehmen Sie auch Beichten ab?
Beichtgespräche sind eine ganz besondere Form der Seelsorge. Wenn so ein 15-, 16-Jähriger sich in diesem geschützten Rahmen im Gespräch öffnet, hört man von Erlebnissen, die es in sich haben. Häufig geht es um Einsamkeit, um Mobbing. Gerade junge Frauen erzählen auch einmal von Übergriffen, mit denen sie nicht umgehen können, die sie nicht einmal in ihrem Freundeskreis besprechen können.
In Deutschland leidet vor allem die katholische Kirche unter einer Austrittswelle. Gibt es im Islam und im Judentum vergleichbare Tendenzen?
Wir können sie halt gut messen, weil die Leute zum Standesamt müssen, um ihren Austritt zu erklären. Gefühlt ist die Kultur bei uns, egal ob katholisch oder evangelisch, stärker säkularisiert. Auch die Shellstudie hat gezeigt, dass ein erheblich höherer Anteil von jungen Muslimen sagt: Dieser Glaube hat für mich eine Lebensrelevanz.
Als Sie selber jung waren, sind Sie viel in der Welt herumgekommen.
Ich habe in Bonn angefangen, war ein Jahr in Berkeley/Kalifornien und zweimal drei Jahre in Rom. In Bonn ging es typisch deutsch akademisch und detailverliebt zu. In den USA habe ich gelernt, zielgerichteter zu arbeiten. Rom wiederum hat mich weniger akademisch als menschlich fasziniert. Da prallt einfach die ganze Weltkirche aufeinander. In meinem Seminar waren 40 Leute aus 20 Ländern, viele davon aus Afrika, Südamerika und Asien.
Deren Biografien unterschieden sich von der Ihren vermutlich wesentlich.
Zwei meiner kongolesischen Mitseminaristen hatten über drei Jahre im Busch einen Kilometer neben ihrem Dorf gewohnt, weil dort marodierende Horden durchzogen und Männer, Frauen und Kinder ermordeten. Aus dem Irak besuchte uns um 2003 herum der Bischof von Mossul. Zuhause riet er allen Christen, auszuwandern, blieb aber selber am Ort – „Mein Platz ist bei der Herde.“ Ein halbes Jahr, nachdem er uns besucht hatte, wurde er vor seiner Kathedrale erschossen. Man wird sehr bescheiden, wenn man so etwas hört.
Wie gehen Sie damit um, dass Ihr Chef relativ häufig massiv in der Kritik steht?
Kardinal Woelki war damals Direktor im Priesterseminar, als ich mich angemeldet habe. Ich bin ihm persönlich sehr verbunden und bin von seiner Redlichkeit vollkommen überzeugt. In den Medien, in der Öffentlichkeit entsteht manchmal ein Zerrbild ohne den persönlichen Kontakt.
Wie erleben Sie ihn denn persönlich?
Ich habe den damaligen Direktor, später Weihbischof und Kardinal Woelki als einen sehr bodenständigen Menschen kennengelernt, der zugleich sehr handfest argumentieren kann. Sich für Flüchtlinge einzusetzen, war ihm ebenso ein großes Anliegen, wie die Missbrauchsfälle in der Kirche aufzuarbeiten. Und er sieht sehr deutlich: Gläubig zu sein, ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich, wir sind eine Minderheit geworden. Aber eine Minderheit, die etwas anzubieten hat!
Der für mich interessanteste Teil einer Messe ist die Predigt. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Weihnachten finde ich das immer besonders schwierig. Ich spreche mit Leuten, ich frage, worauf freust du dich zu Weihnachten? Was bedeutet dir Weihnachten? Ich lese noch mal die liturgischen Texte, und gucke, an welchen Worten ich hängenbleibe. Soll es um Frieden gehen, um Herbergssuche? Es findet sich immer etwas, das in mir klick macht. Den schlussendlichen Predigttext formuliere nie aus. Ich mache mir auch keine Notizen, sondern spreche frei, irgendwie bin ich dann auch flexibler.
Seit letztem Jahr fungieren Sie auch als Stellvertretender Generalvikar. Haben Sie einen Karriereplan?
Nein. Ich bin sehr, sehr zufrieden an meiner jetzigen Stelle und hoffe, dass ich dir noch ein paar Jahre innehabe.
Wo finden wir Sie in zehn Jahren?
Tja, wenn ich das wüsste. Ich hoffe, an einem Ort, wo ich irgendjemandem nütze.
Sie haben einmal gesagt, die Arbeit in der, für die Kirche „erfüllt mich“. Was meinen Sie damit?
Mir gefällt nicht zuletzt die Vielfalt meiner Arbeit. Nehmen wir nur den heutigen Tag: Ich hatte ein paar administrative Termine, habe zwei Interviews geführt und heute Abend noch ein seelsorgerisches Gespräch mit einer jungen Frau, die ein Anliegen hat. Diese Abwechslung bereichert mich, ebenso die vielen Gespräche. Wenn ich danach den Eindruck habe, ich konnte ein bisschen helfen, es geht dieser Person jetzt ein bisschen besser als vorher, dann fühle ich mich beschenkt.
Und was wünschen Sie sich als materielles Geschenk zu Weihnachten? Pulle Rotwein?
Ich hätte wirklich gern einen Kanonenofen für die Terrasse, damit ich draußen ein Feuerchen machen kann.
Das sollte der Nikolaus hinkriegen, denke ich.
Zur Person
Tobias Schwaderlapp wurde 1982 in New York geboren und wuchs in Bonn auf. Nach dem Abitur in Bad Godesberg studierte er Theologie in Bonn, Berkeley und Rom. 2008 wurde er zum Priester geweiht. Bevor und nachdem er für die Doktorarbeit 2009−2012 noch einmal in Rom lebte, wirkte er an verschiedenen Orten in Deutschland als Kaplan. Seine Dissertation schrieb er über John Henry Kardinal Newman (1801-1890). 2015 wurde er Stadtjugendseelsorger in Köln, seit 2017 ist er Diözesanjugendseelsorger sowie Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg. 2023 ernannte ihn Kardinal Woelki zum stellvertretenden Generalvikar im Erzbistum Köln.
Tobias Schwaderlapp wohnt in Altenberg.