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Kölner Insulin-FallGutachterin räumt Fehler ein − Angeklagte bleibtdennoch in Haft

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Im Gericht (Symbolbild)

Köln – Im Prozess gegen eine 42-Jährige wegen versuchten Mordes an ihrem Schwiegervater (82) mit einer Insulin-Überdosis, hat die Angeklagte am Freitag die rechtsmedizinische Sachverständige (49) zum zweiten Mal wegen Befangenheit abgelehnt.

In dem Prozess wird die 42-Jährige beschuldigt, ihrem Schwiegervater am Nachmittag des 5. Juli 2020 zunächst im Kaffee ein Beruhigungsmittel verabreicht zu haben. Anschließend soll sie versucht haben, ihn mit einer Überdosis Insulin zu ermorden. Der Senior war am Folgetag bewusstlos aufgefunden worden. Er überlebte, ist seither aber ein schwerer Pflegefall. Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe vehement. Die Mutter von zwei kleinen Kindern sitzt seit annähernd zwei Jahren in Untersuchungshaft.

Es sei ein „Bauchgefühl“

Der Grund für den neuen Befangenheitsantrag: In ihren Stellungnahmen und Gutachten habe die Rechtsmedizinerin „die Möglichkeit von Rechenfehlern oder das Vorliegen unzutreffend gewählter Annahmen“ zurückgewiesen — bis ihr von einem Gegengutachter „klare mathematische Fehler“ nachgewiesen worden waren. Daraufhin hatte die forensische Toxikologin am vorvergangenen Verhandlungstag den Rechenfehler eingeräumt und ihn mit einem „Denkfehler“ zu erklären versucht. Der Vorsitzende Peter Koerfers hatte daraufhin die Verhandlung abrupt unterbrochen und sie zu einer Neuberechnung verdonnert (die Rundschau berichtete).

In dieser Neuberechnung kam sie zu Ergebnissen, die sie zuvor selbst für „nicht plausibel“ erklärt hatte. So war sie zunächst von einer Verabreichung von bis zu 2,2 Insulin-Pens ausgegangen. In ihrer Neuberechnung kam die Frau auf rund 24 Insulin-Pens, die die Angeklagte ihrem Schwiegervater verabreicht haben müsste, um die ungewöhnlich hohe Insulinkonzentration im Blut am Folgetag noch erklären zu können.

Haftsituation bleibt bestehen

Dass diese Berechnung nun die richtige sei, begründete die Gutachterin auf Nachfrage der Kammer schließlich — recht unwissenschaftlich — mit ihrem „Bauchgefühl“. Ferner wollte die Rechtsmedizinerin nicht ausschließen, dass eine unbehandelte Insulinüberdosis auch über viele Stunden hinweg überlebt werden könne. Eine Meinung, die die Gegengutachter — beide renommierte Diabetologen mit jeweils hunderten wissenschaftlichen Publikationen in diesem Bereich — kategorisch ausgeschlossen.

Dennoch hielt es das Gericht nicht für geboten, etwas an der Haftsituation der Angeklagten zu ändern. Was die medizinischen Sachverständigen vorgetragen hätten, „kann nicht isoliert betrachtet werden“, sagte Koerfers. Es gebe zahlreiche andere Indizien, die für eine Täterschaft der Angeklagten sprächen. (bks)