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Kölner HochschuleWie Studierende der Internationalen Filmschule neue Welten erschaffen

Lesezeit 4 Minuten
Studentin Monika Schmitt im Spezial-Anzug, der ihre Bewegungen werden auf einen Avatar übertragen.

Studentin Monika Schmitt im Spezial-Anzug, der ihre Bewegungen werden auf einen Avatar übertragen.

An der Internationalen Filmschule in Köln erschaffen Filme mit Hilfe digitaler Technik. Viele Studierende landen später einmal bei internationalen Top-Produktionen.

Ein Sturm aus der Windmaschine zieht im Studio an der Schanzenstraße auf, reißt Schindeln vom virtuellen Dach, Gegenstände fliegen durch klaffende Löcher im Dachboden, eine Frau blickt verängstigt auf mysteriöse Gänge. „VFX“ heißt das Zauberwort, das in Laboren der Internationalen Filmschule (ifs) analoge und digitale Welten in Filmszenen für ein Psychodrama verschmilzt. Virtual Compositing nennt sich die aufwendige Technik. Studierende übertragen zum Beispiel mit einem präparierten Motion-Capture-Anzug Bewegungen und Mimik ihrer Hauptfigur in Echtzeit auf den Avatar, fangen mit der Kamera die Bewegungen ein, experimentieren mit virtuellem und realen Studioset, das in den Werkstätten gerade gebaut wird.

„Wir sind hier eine Neue-Welten-Erschaffungsbude, erklärt Aron (20): Der Student checkt im VFX-Studio Licht und Kamerastandorte, um visuelle Effekte detailliert vorzubereiten. „Mit Hilfe digitaler Technik kann man die Szenen viel anschaulicher zeigen und vorstellbar machen“, erklärt der 20-Jährige, der schon als Schüler kleine Animationen selber machte. Nun arbeitet er im Team an der „Prävisualisierung“, der vorab am PC erschaffenen Szenen für ein Filmprojekt, das gerade produziert wird. Dabei sprechen sich alle beteiligten Gewerke eng ab. VFX, Animation, Simulation, Szenenbild, Licht- und Kamera – alles muss genau „sitzen“ bevor es heißt: Film ab.

Aron Schwab ist für die visuellen Effekte zuständig.

Aron Schwab ist für die visuellen Effekte zuständig.

Das Psychodrama „The Lumber Room“ entsteht im Bachelorstudiengang Film. Es dreht sich um eine junge Frau, die in einem mysteriösen Hotel eincheckt und sich dabei auf eine Reise ins Innere begibt. Die psychologischen Räume wurden als echtes Set im Studio der ifs und für eine externe Location entworfen. „Wir üben hier Wirklichkeit“, sagt Szenenbild-Fachbereichsleiterin Petra Maria Wirth beim Gang durch die Werkstätten, wo „in echt“ gebohrt, gehämmert und gemalt wird. Dort entstehen mit Unterstützung von Studioleiter Andreas Müller die Kulissen, werden Wände auf alt getrimmt und ein Pappboden zur Holzdiele umgestaltet.

„Ich wünsche mir, nach dem Studium mal an größeren Filmen mitarbeiten zu können“, sagt Student Aron. Und das ist gar nicht unwahrscheinlich, so VFX-Fachbereichsleiterin Donna Hanisch: „Von unseren Absolvierenden arbeiteten viele in internationalen Produktionen mit wie der Science Fiction-Saga Star Wars und Mandalorian.“ Die eingesetzte Technik sei nicht nur ein kreatives Gestaltungswerkzeug, sondern auch ein wichtiges Planungstool, um die Produktion vorab auszuprobieren und festzustellen, wo zum Beispiel die besten Positionen für Licht, Kamera und Special Effects vorzusehen sind.

ifs: „Kooperative Zusammenarbeit auf Augenhöhe“

Die Dozierenden vermitteln in kleinen Gruppen das Basis-Knowhow und begleiten die Studierenden in den Bachelor- und Masterstudiengängen. „Die ifs zeichnet sich durch große Branchennähe aus, hier sollen sich junge Menschen ausprobieren und sich bestmöglich auf den Arbeitsmarkt vorbereiten, kooperative Zusammenarbeit auf Augenhöhe wird gelebt“, betont ifs-Geschäftsführerin Nadja Radojevic. Die renommierte Schule habe seit ihrer Gründung einen „breiteren Filmbegriff“ und sei aufgeschlossen für neue Formate. So wurde als europaweit erster internationaler Studiengang an der ifs der Master Serial Storytelling vor zehn Jahren aufgelegt, geleitet von Drehbuchautor und Medienwissenschaftler Professor Joachim Friedmann („Lindenstraße“, „Der letzte Bulle“, „Die jungen Ärzte“ u.a.).

Gerade schloss der jüngste Jahrgang ab, darunter Anna-Maria Böhm. Die studierte Verfahrenstechnikerin ist ausgebildete Schauspielerin, arbeitete als Moderatorin und Modeberaterin, interessiert sich für Wissenschaft und Politik – und hat ihren Traum vom Drehbuch-Schreiben sogar trotz ihrer Lese- und Rechtschreibschwäche wahr gemacht. „Ich hatte vorher mehr Sicherheit, aber jetzt bin ich glücklich“, sagt Anna-Maria zu ihrer Berufswahl. Nach der Vorstellung ihrer Abschluss-Comedy-Serie „Und bitte!“ mit Pilot-Drehbuch rund um eine verkopfte Ingenieurin, die ihren Ängsten in einem Schauspielkurs stellt, kamen bereits erste Anfragen aus der Branche.

Der Hype von heute kann schnell der alte Schuh von morgen sein

Jeweils rund 15 Autorinnen und Autoren aus aller Welt erforschten und entwickelten klassische und neue Formen des Erzählens in Serie. Viele Bewerber träumten davon, als Autor von Netflix-Produktionen a la „Emily in Paris“ groß rauszukommen. Aber der Hype von heute kann schnell der alte Schuh von morgen sein.

In vier Semestern werden den Masterstudierenden die Grundlagen praxisnah vermittelt, um Stoffe „in zeitgemäßen und zukunftsorientierten Serienformaten flexibel umsetzen zu können“, betont Friedmann mit Blick auf die sich rasant wandelnde Branche. „Künstlerisches Denken und Marktfähigkeit schließen sich dabei nicht aus.“ Im Mittelpunkt steht Teamwork. „Serien sind meist die Arbeit von Vielen. Es gilt, das eigene Ego etwas zurückzunehmen und dennoch seine Kreativität voll einzubringen.“