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Nach dem Urteil läuft die UhrWie geht es weiter mit den Dieselfahrverboten?

Lesezeit 4 Minuten

Die Messstelle am Neumarkt wird monatlich ausgewertet. Wenn das Fahrverbot greift, sollen auch dort die Grenzwerte erreicht werden.

  1. Das Münsteraner Urteil zum Dieselverbot in Köln hat Klarheit für die betroffenen Regierungen geschaffen.
  2. Jetzt geht es darum, den Richterspruch umzusetzen.
  3. Doch wie geht es nun konkret weiter?
  4. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Köln – Nach dem „Diesel-Urteil“ für Köln am Oberverwaltungsgericht in Münster ist zu allerst einmal klar: Stadt, Bezirks- und Landesregierung nehmen es an. Der Richter Max-Jürgen Seibert hat die Berufung zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen.

Doch diesen Weg will keiner der Beklagten gehen. Darum geht es jetzt ans Umsetzen des Richterspruches. Der ließ an Deutlichkeit im Grunde nichts vermissen. Doch wie geht es jetzt konkret weiter?

Wurden Fahrverbote konkret verhängt?

So klar wie nur möglich. „Nach derzeitigem Stand müssen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5/V und älter in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden, um eine zügigere Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid (40 Mikrogramm) jedenfalls an folgenden Messstellen zu erreichen: Clevischer Ring, Justinianstraße, Luxemburger Straße und Neumarkt“, urteilte der Richter.

Wann kommen die Fahrverbote?

Regierungspräsidentin Walsken ging nach dem Urteil davon aus, dass Fahrverbote wenn überhaupt erst ab Mitte 2020 kommen könnten, wenn nicht gar erst 2021. Sie bezog sich dabei vor allem auf den Passus des Urteils: „Sollte allerdings aufgrund der bereits ergriffenen Maßnahmen der Jahresmittelwert für 2019 entgegen der bisherigen Prognose der Bezirksregierung an einzelnen Stellen günstiger ausfallen (...), kann dort gegebenenfalls (...) von einem Fahrverbot abgesehen werden.“ Und wann liegen die Jahresmittelwerte für 2019 auf dem Tisch? „Nicht vor April oder Mai kommenden Jahres“, sagt ein Sprecher des Landesumweltamtes.

Darum geht Walsken davon aus, dass vorher kein Fahrverbot eingerichtet werden muss. Zumal sie sich überzeugt gab, dass bis dahin wegen günstiger Prognosen der Grenzwert am Neumarkt und an der Luxemburger Straße sicher erreicht sei. Die Stadtverwaltung ist zurückhaltender und zitiert auf die Frage nach dem Umsetzungszeitpunkt den Richter: „Die Bezirksregierung Köln muss den Luftreinhalteplan 2019 unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, fortschreiben. Dies dauert erfahrungsgemäß mehrere Monate.“

Sinken die Messwerte zurzeit wirklich?

Gesunken sind sie vor allem am Clevischen Ring – und das wegen der Zufahrtssperren zur Mülheimer Brücke, weil die gerade saniert wird. Doch die umfangreichen Messdaten des Landesumweltamtes zeigen ein gemischtes Bild: Im April 2019 wurde an der Justinianstraße ein Mittelwert von 48 Mikrogramm Stickoxid gemessen. Am Neumarkt waren es im April 49 Mikrogramm. In den Sommermonaten sanken die Werte zwar. Aber: „Aus diesen Zahlen dürfen auf keinen Fall Tendenzen abgeleitete werden“, warnt ein Sprecher des Landesumweltamtes. Allein das Wetter könne schon großen Einfluss ausüben. „Dadurch entstehen Unschärfen von über 30 Prozent.“

Wird es Ausnahmen von den Verboten geben?

Die Handwerkskammer fordert die für ihre Unternehmen bereits ein. Das Gericht hat die Regelung von Ausnahmen in die Hände der Bezirksregierung delegiert, aber auch klar gesagt, am Ende muss der Grenzwert eingehalten werden. Im Ermessen der Bezirksregierung liegt auch, wie groß die betroffenen Abschnitte beispielsweise auf der Luxemburger Straße sein sollen.

Wie viele Kölner sind betroffen?

Laut städtischer Statistik gibt es in Köln 84 322 angemeldete Dieselfahrzeuge mit Euro 1 bis 5. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr bereits gesunken. Schon die Diskussion über Fahrverbote zeigte Wirkung.

Wie werden die Verbote kontrolliert?

Wahrscheinlich nur sporadisch. Zur Kontrolle müssen älter erscheinende Fahrzeuge herausgewunken und kontrolliert werden. Das darf nur die Polizei. Die hat dafür kaum Kapazitäten.

Richter Max-Jürgen Seibert

Seinen feinsinnigen Humor hatte Richter Max-Jürgen Seibert am Oberverwaltungsgericht schon bei einem Vorverhandlungstermin zu den Revisionsverfahren aufblitzen lassen. Damals hielt er der Kölner Stadtverwaltung das Kölsche Grundgesetz vor. Et kütt wie et kütt und et hätt noch immer jot jejange gelte nicht bei der Luftreinhaltung, tadelte er die aus seiner Sicht jahrelange Untätigkeit. Beim Verhandlungstermin am Donnerstag legte er nochmals nach.

Dass er die Sitzordnung habe verändern lassen, hätten die Parteien sicherlich schon gemerkt, eröffnete Seibert zum Prozessstart. Durch das „Stühlerücken“ saß nun beispielsweise eine Anwältin der Beklagten direkt neben dem Anwalt der klagenden Deutschen Umwelthilfe. Seibert wandte sich direkt an die Beiden: „Betrachten sie das ruhig als eine Art Speed-Dating“, so sein Rat.

Die Messwerte würden sich verbessern, die Prognose sei auch für den Neumarkt und die Luxemburger Straße durchaus gut. Fahrverbote brauche es deshalb nicht. So lautete während der Verhandlung im Berufungsverfahren immer wieder die Argumentation der Kölner Stadtverwaltung, der Bezirksregierung und die der Vertreter der Landesregierung. Der Vorsitzende Richter Seibert ging darauf lange nicht direkt ein, hakte höchstens mit Sachfragen zu den von ihm kritisch gesehenen Prognosen nach. Doch als die Argumentation bei den „Plädoyers“ erneut aufkam, konterte er: „Ich muss da mal die Bibel nach Johannes zitieren: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“ Und er ergänzte: „Nicht an ihren Versprechungen.“