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Auf Virus-Suche im PlastikröhrchenSo arbeitet Köln größtes Labor während der Pandemie

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Handarbeit und komplexe Technik im Labor Dr. Wisplinghoff.

Köln – Noch ist das Röhrchen mit dem positiven Testergebnis eines von Zehntausend anderen an diesem Tag. Ein Röhrchen aus Plastik mit einem pinken Schraubverschluss und einem aufgeklebten Barcode. Anderthalb Stunden bis zum Ergebnis braucht der Thermocycler, eine Maschine, die an ein Kopiergerät erinnert.

96 Röhrchen stecken drin. Erhitzen, abkühlen. Erhitzen, abkühlen. 45 Durchgänge lang. Dann taucht auf dem Monitor eine dünne, blaue Linie aus einem ganzen Bündel von Strichen auf. Sie wird zur Kurve und steigt steil nach oben. Covid-19. Der Test ist positiv.

Bis zu 15 000 Abstriche täglich

Pro Tag werden in diesen Tagen im Kölner Labor Dr. Wisplinghoff bis zu 15 000 Corona-Abstriche ausgewertet – aktuell sind rund zwei Prozent von ihnen positiv. Gearbeitet wird Tag und Nacht, durchgehend an sieben Tagen pro Woche. Seit dem ersten Corona-Test Ende Januar hat sich für Mitinhaber Dr. Fabian Wisplinghoff quasi alles verändert.

Schon immer war das Familienunternehmen Wisplinghoff, 1977 von seiner Mutter Uta gegründet, eines der größten Labore in Köln: Blutuntersuchungen für Kliniken, Virusnachweise für Arztpraxen, HIV-Tests oder Gen-Analysen, das alles gehört zum täglichen Geschäft. „Seit Ende März arbeiten wir unter Hochdruck“, sagt Wisplinghoff. Ein halbes Jahr nach dem ersten positiven Testergebnis in Köln hat das Labor mehr als 100 Mitarbeiter, um alleine die Corona-Tests zu analysieren und zu katalogisieren.

Viele studentische Mitarbeiter

Viele sind Studenten. Die Technik wurde aufgerüstet, neue Geräte angeschafft. „Rund eine Million Corona-Tests haben wir seit Beginn der Pandemie ausgewertet.“Mehr Personal und mehr Geräte brauchen auch mehr Platz. Ein Glück, sagt Wisplinghoff, dass das Labor erst vor zweieinhalb Jahren ins Industriegebiet von Marsdorf umgezogen sei. 20 000 Quadratmeter hat das neue Gebäude.

Im dritten Stock dreht sich alles um Corona: An einer Wand reihen sich die Röhrchen mit Abstrichen, auch im Kühlhaus sind die Regale gut gefüllt. Bereits bearbeitete Proben werden eingefroren. An sterilen Werkbänken erledigen die Mitarbeiter zunächst eine der wichtigsten Arbeiten: Die Tupfer, mit denen die Abstriche in Nase und Rachen gemacht wurden, werden ausgewaschen – alles von Hand.

Mit Glasscheibe gegen Viren geschützt

Nur flüssiges Material kann weiter untersucht werden. Dabei sind die Laboranten hinter einer Glasscheibe gegen Viren geschützt, durch ein spezielles Gebläse kann keine Luft nach außen dringen. Bei der Arbeit habe sich bisher kein Mitarbeiter infiziert, sagt Wisplinghoff. „Das war bei vielen Mitarbeitern aber tatsächlich eine der ersten Fragen, wie hoch das Risiko sei.“

In einem weiteren Schritt der Testauswertung wird ein so genannter Primer mit einer Pipette zugegeben, dann wird in einer speziellen Maschine das Erbmaterial extrahiert. Zum Abschluss kommt das Röhrchen für rund anderthalb Stunden in den Thermocycler, wo es mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) untersucht wird. „Es ist eigentlich ein Schlüssel-und-Schloss-Prinzip – ist eine Probe positiv, kann man das am exponentiellen Wachstum des Materials ablesen“, erklärt Wisplinghoff.

Dutzende Maschinen laufen gleichzeitig

Je 96 Röhrchen werden in dutzenden Maschinen gleichzeitig untersucht. Die Arbeitsschritte sind auch räumlich getrennt – nichts soll die Testergebnisse verfälschen können. Noch mehr Kapazität haben die mittlerweile neun Vollautomaten des Labors. Hochtechnologisierte Geräte, die gleich mehrere Schritte der Testung übernehmen können. Hier gibt es das Testergebnis schwarz auf weiß. 1000 Tests am Tag schafft eine Maschine, liebevoll Panther genannt.

Demnächst soll es auch Geräte zur Auswertung der Anti-Gen-Tests geben, den so genannten Schnelltests. Antikörpertests, so Wisplinghoff, spielten im Moment nicht mehr eine so große Rolle. Wie berichtet, hat das Labor mit dem Gesundheitsamt kürzlich auch die Rachenspülung als Alternative zum Abstrich in einer Studie getestet– mit Erfolg. Die „Gurgel-Tests“ werden schon von der Stadt durchgeführt.

Drive-in-Tests

Das Labor Dr. Wisplinghoff testet in Marsdorf auch selbst: Für den Abstrich fahren die Menschen im Auto vor. Die Anmeldung für den Corona-Test, oft nach Überweisung vom Hausarzt, erfolgt ausschließlich online.

www.wisplinghoff.de

Etwa vier Stunden dauert der Prozess, bis ein Ergebnis feststeht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Befund auch immer so schnell vorliegt. „Eilt“ oder „Dringend“ steht auf einzelnen Proben, manchmal der Zusatz „Schule“ oder „Krankenhaus“. „Nach Richtlinien, die das Robert-Koch-Institut vorgibt, werden die Proben kategorisiert“, erklärt Fabian Wisplinghoff.

Schnell muss es gehen, wenn zum Beispiel ein Altenheim betroffen ist oder ein Patient bereits auf der Intensivstation liegt. Hinten angestellt werden dann etwa die Abstriche von Reiserückkehrern aus einem Nicht-Risikogebiet. Viele wissen das vielleicht nicht, vermutet Wisplinghoff. In der Telefonzentrale in Marsdorf klingelt es im Akkord, viele möchten schnell ihr Testergebnis erfahren oder zumindest, wie lange es noch dauert. „Ich verstehe das“, so der Mitinhaber. „Wir können das bei dieser Zahl an Tests aber nicht leisten.“

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Gut angenommen werde die Benachrichtigung per App. Jeder Getestete bekommt einen Barcode, mit dem er online auf seinen Befund zurückgreifen kann. Wie ein Mensch jedoch auf das positive Testergebnis reagiert, das erfährt im Labor in Marsdorf keiner. „Wir wissen aber, was auf dem Spiel steht.“