Eine lange Mängelliste erschwert die Zwischennutzung des Gebäudes als Kulturort bis zur eigentlichen Sanierung.
Asbest, Brandschutz, marode TechnikMillionen-Investition könnte Zeughaus und Alte Wache in Köln wiederbeleben
Wie kann das seit drei Jahren leerstehende, marode Zeughaus von 1606 samt der Alten Wache von 1841 mit einer kulturellen Zwischennutzung wiederbelebt werden? Diese Frage steht im Raum, seit das Kölnische Stadtmuseum sein früheres Domizil 2021 nach einem Wasserschaden und Asbestfunden endgültig geräumt hat. Im November 2022 erteilte der Kulturausschuss der Stadtverwaltung den Auftrag, eine „kurzfristige und sparsame Lösung“ zu entwickeln, wie die freie Szene die leerstehenden Räume mit Ausstellungen, Lesungen und anderen Kulturformaten bespielen könnte.
Ein Jahr später erklärte die Stadt nach einer Erstbegehung, es seien aufwendigere Untersuchungen erforderlich, man müsse eine externe Prüfung veranlassen. Deren Ergebnisse liegen nun vor. Zusammenfassen lassen sie sich mit den Worten: ja, aber. Ja, eine kulturelle Zwischennutzung bis zur Generalsanierung des Ensembles wäre möglich. Aber: Die Kosten dafür wären beträchtlich. Denn die Mängelliste ist lang. Sie reicht von Asbest in Putzen und Dichtungen über marode Haustechnik und Lücken im Brandschutz bis hin zu eingeschränkter Barrierefreiheit.
Laut einer baufachlichen Einschätzung der Firmen M&P Project GmbH und Freischwimmer Architekten, die eine Studie zu Gebäudezustand, Nutzungskonzept und notwendigen Maßnahmen erstellt haben, müsste die Stadt Köln je nach künftigem Nutzungszweck zwischen 39.000 und 560.000 Euro ausgeben. Dabei handelt es sich um die mindestens anfallenden Kosten für „die minimal notwendigen baulichen Eingriffe“.
Gutachter haben zehn Varianten untersucht
Dazu gehört etwa, dass die Wände, die mit asbesthaltigem Putz versehen sind, neu gestrichen und Dübellöcher verschlossen werden dürfen. Mehr aber auch nicht. Jede Baumaßnahme würde hingegen sofort eine große Asbestsanierung auslösen. Müssen Löcher in die Wand gebohrt werden, dürfen dies nur zertifizierte Fachfirmen tun. Weitere Beispiele: Die Toiletten müssen saniert, die Wasserleitungen auf Legionellenbelastung untersucht und alle 72 Stunden gespült werden. Brandschutzelemente fehlen, der Aufzug entspricht nicht den aktuellen Richtlinien.
Zehn verschiedene Varianten haben die Gutachter untersucht. Die höchsten Kosten erwarten sie, wenn Zeughaus und Alte Wache für Musik- oder Brauchtumsveranstaltungen genutzt würden. Dann würden mindestens 560.000 Euro benötigt. Sollte dort dauerhaft Kunst ausgestellt werden, müsste die Stadt laut Gutachten mindestens 405.000 Euro investieren. Derselbe Betrag wäre erforderlich, wenn die historischen Bauten für Sonderausstellungen genutzt würden.
Im März hatte das Stadtmuseum seine neue Dauerausstellung im Modehaus Sauer eröffnet (siehe Infotext unten). Sie ist als Interim gedacht, bis das Museum ein neues Domizil in der geplanten „Historischen Mitte“ am Dom finden sollte. Da dieses Projekt aber aus Kostengründen begraben wurde, ist die Frage nach der künftigen dauerhaften Heimat des Stadtmuseums wieder offen.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat dafür das Zeughaus wieder ins Spiel gebracht. Museumsdirektor Matthias Hamann betont, sein Haus benötige während des Interims zusätzliche Flächen für größere Sonderausstellungen, denn dafür ist im Modehaus kein Platz. Konkrete Pläne gibt es für Zeughaus und Alte Wache bisher nicht, vor einigen Jahren hatte die Stadt den Finanzbedarf für eine Generalsanierung des Ensembles auf rund 91 Millionen Euro geschätzt.
Auch wenn Zeughaus und Alte Wache übergangsweise als Spielstätte für Schauspiel und Theater genutzt würden, wären die Kosten beträchtlich. Die Gutachter gehen von mindestens 375.000 Euro aus. Würde es dort nur temporäre Kunstausstellungen geben, erwarten sie Kosten von mindestens 215.000 Euro, bei Lesungen 170.000 Euro. Vergleichsweise preiswert wäre eine Zwischennutzung als Künstlerateliers (91.000 Euro) oder Proberäume für Schauspiel/Theater (89.000 Euro). Proberäume für Musiker einzurichten, würde demnach nur mit rund 39.000 Euro zu Buche schlagen.
Ohne Behebung der Mängel keine Zwischennutzung
Fazit der Gutachter: „Die umfangreich festgestellten Mängel, besonders die sicherheitsrelevanten Mängel, sind vor einer Inbetriebnahme zwingend abzustellen. Eine Innutzungnahme, unabhängig von der Nutzungsart, wird ohne die Behebung dieser Mängel als nicht möglich eingestuft.“ Der erwartete Kostenrahmen zeige „ein hohes Niveau. Inwieweit eine interimistische Nutzung für eine Dauer von bis zu drei Jahren diese Kosten rechtfertigt, kann unsererseits nicht bewertet werden.“
Das Kulturdezernat will nun dem Rat mehrere Varianten zur Entscheidung vorlegen. „Hierbei ist auch die Nutzung des Ensembles durch das Kölnische Stadtmuseum zu berücksichtigen“, betont Kulturdezernent Stefan Charles.
Stadtmuseum ist erfolgreich ins Interim gestartet
8000 Besucher haben sich in den ersten dreieinhalb Wochen nach der Eröffnung am 23. März die neue Dauerausstellung des Kölnischen Stadtmuseums angesehen. Auf 750 Quadratmetern zeigt das Museum im umgebauten früheren Modehaus Franz Sauer an der Minoritenstraße eine völlig neu konzipierte Schau mit vielen Highlights der umfangreichen Sammlungsbestände – vom Kölner Verbundbrief aus dem Mittelalter über Kölns ältestes Automobil bis in die Gegenwart.
Wie erfolgreich der Start in das Interim war, zeigt ein Blick auf das Vorjahr. Die kleinen Ausstellungen, die das Stadtmuseum von Januar bis Juli 2023 in seiner „Pop-up-Bar“ an der Rückseite des Hauses veranstaltet hat, wurden während sieben Monaten von insgesamt 12.671 Menschen besucht. Wie die Museumsmacher betonen, kommen jetzt – anders als früher im Zeughaus – deutlich mehr junge Besucher ins Stadtmuseum, der Anteil der Personen unter 40 Jahren sei sehr hoch.
Einschränkungen ergeben sich aus der baulicher Situation. Die neue Dauerausstellung im Haus Sauer kann nur von maximal 200 Personen gleichzeitig besucht werden.
Mehr als 16.000 Menschen folgen dem Stadtmuseum mittlerweile auf dem Social-Media-Kanal Instagram. Unter den Kölner Museen hat nur das Museum Ludwig mehr Follower, liegt mit knapp 90.000 aber auch deutlich an der Spitze.