- Am 4. März tagte der Krisenstab der Stadt zum ersten Mal zur Corona-Krise. Stadtdirektor Stepan Keller leitet das Gremium.
- Im Interview spricht er über Verbote, Quarantänekoller und die Arbeit im Krisenstab.
- Sein Credo: Wir können uns nur gemeinsam vortasten.
Köln – Seit rund zwei Monaten leitet Stadtdirektor Stephan Keller den Krisenstab der Stadt. Über die Herausforderungen der Krise sprachen Matthias Hendorf und Jens Meifert mit dem 49-Jährigen.
Herr Keller, wie viele schlaflose Nächte hat Ihnen die Corona-Krise schon bereitet?
Stephan Keller: Es sind viele Themen dabei, die man auch mit nach Hause nimmt, bei denen man sich fragt: Haben wir alles bedacht? Das war vor allem in der Anfangsphase so. Aber es ist nicht so, dass ich deswegen nicht mehr schlafen kann.
Die Krise war erst weit weg, nun dominierte sie alles. Wann war Ihnen klar, dass wir es mit einer enormen Herausforderung zu tun haben?
Keller: Als plötzlich 30 Feuerwehrmänner nicht mehr zum Dienst kommen durften, weil zwei infiziert und die anderen in Quarantäne waren, wussten wir, dass die Krise auch Köln erreicht hatte. Wir waren direkt von Anfang an mit der Aufgabe konfrontiert, die zentralen Organisationen wie Feuerwehr, Polizei, Ordnungsdienst am Laufen zu halten, genau wie wichtige Infrastrukturen wie die Rheinenergie, Kliniken, Pflegeeinrichtungen und natürlich auch die Stadtverwaltung. In unserem Krisenstab sitzen alle relevanten Akteure an einem Tisch, hier beraten wir und entscheiden schnell und effizient.
Die Schutzmaßnahmen werden viel diskutiert. Häufig wird nachjustiert. Köln ist etwa beim Kontaktverbot mehrfach abgewichen, warum?
Keller: Wir sind eher vorangegangen: So brauchten wir bei Veranstaltungen Regelungen, die unabhängig von der starren Zahl von 1000 Besuchern funktionieren sollten. Wir haben die Gastronomie geschlossen, weil die Branche Klarheit brauchte. Und wir haben früh den Kontakt auf zwei Personen beschränkt, um die Infektionszahl effizient zu senken. Ich bin ein Verfechter von klaren Regelungen, die inhaltlich widerspruchsfrei und für jeden nachvollziehbar sind. Inzwischen gibt es zum Glück eine für alle gültige Corona-Schutzverordnung des Landes.
Viele Gastronomen wollen wieder öffnen, sie sagen: Gebt wenigstens die Biergärten frei, da können wir Abstandsregeln besser überwachen, als wenn sich die Leute im Park treffen. Stimmen Sie zu?
Keller: Wichtig ist, dass wir das Infektionsrisiko möglichst gering halten. Wenn ich im Park Abstand halten kann, geht das – auch weil wir uns daran gewöhnt haben – auch auf einer Terrasse. Besonders bei der Gastronomie wäre das auch eine erste Perspektive. Wir müssen bei jedem Schritt die aktuelle Entwicklung beobachten. Mit den Einschränkungen greifen wir tief in fundamentale Rechte der Menschen ein. Das dürfen wir nicht länger als notwendig aufrecht halten, denn wir leben in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Wichtig ist, dass wir die Wirtschaft nicht irreparabel beschädigen. Es geht im Moment darum, die Lage jeden Tag neu zu bewerten und unsere Maßnahmen entsprechend anzupassen.
Welche Lockerungen würden sie ins Auge fassen?
Keller: Bund und Länder haben entschieden, zum Beispiel Spielplätze, Zoos und Kultureinrichtungen wieder zu öffnen. Das befürworte ich, weil es nach Wochen der Quarantäne auch für Familien wieder mehr Möglichkeiten eröffnet. Als nächstes müssen wir uns um das Thema Veranstaltungen kümmern und Wege finden, wie wir sie in Zeiten von Corona durchführen können. Eine Möglichkeit wäre, das weniger über die Teilnehmeranzahl, als über die Einhaltung der Infektionsschutz-Regeln zu steuern. Veranstaltungen mit 200 Teilnehmern und genügend Abstand sind sicher vertretbarer, als wenn sich 50 Menschen in einem engen und schlecht belüfteten Raum treffen. Das gilt für Konzerte, Theater und andere Kulturveranstaltungen, aber natürlich auch für Tagungen und Messen. Dann könnten auch Hotels mit reduzierten Kapazitäten wieder aufmachen. Natürlich gilt immer, dass wir sehr verantwortungsvoll handeln müssen.
Ist es für Sie eine Option, Plätze notfalls zu sperren, wenn das Kontaktverbot nicht eingehalten wird?
Keller: Das ist im Moment nicht nötig, denn die Abstandsregeln werden von den Kölnerinnen und Kölnern überwiegend gut eingehalten. Am Rheinboulevard kommt es zwar immer wieder zu Grüppchenbildungen, doch dagegen gehen unser Ordnungsamt und die Polizei konsequent vor. Wir brauchen jetzt nicht noch mehr Verbote.
Wie finden Sie es, wenn Bürger auf Verfehlungen anderer Bürger beim Ordnungsamt hinweisen, manche sagen auch, sie anschwärzen?
Keller: Oftmals ist es die beste Lösung, den anderen offen anzusprechen. Das kommt natürlich immer auf die Situation an. Nicht jeder, der bei uns anruft, ist ein Denunziant. Viele haben Sorge um die eigene aber auch um die Gesundheit anderer.
Was ist insgesamt Ihr Eindruck: Wie meistern die Kölner die Krise?
Keller: Ich denke, dass wir alle den Ernst der Lage erkannt haben und angemessen mit der Situation umgehen. Von einigen wurde bemängelt, dass die Lockerungen so verstanden wurden, als wäre die Krise vorbei. Soweit sind wir leider noch nicht. Wir können uns nur gemeinsam schrittweise vortasten.
Wie glauben Sie , wie wird sich Köln durch die Pandemie verändern?
Keller: In vielen Ländern gehören Alltagsmasken schon lange zum Leben dazu, das wird hier in den nächsten Monaten auch so sein. Auch nach der Corona-Krise wird es nicht mehr so sein wie vorher. Wir werden zu einer anderen Normalität zurückfinden. Das Thema Gesundheit hat einen ganz neuen Stellenwert bekommen, und wir spüren jeden Tag, wie wichtig ein gutes Gesundheitssystem ist. Die Krise wird noch lange in unserem Bewusstsein bleiben, schon alleine auch wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen.
Können Sie sich vorstellen, dass wir nächstes Jahr Karneval feiern werden, ganz frei und unbefangen?
Keller: Karneval ist nicht nur Feiern und Party, dieses Fest gehört zur kulturellen DNA dieser Stadt, und das hat viel mit menschlicher Nähe zu tun. Was möglich sein wird, bleibt abzuwarten und hängt auch davon ab, wann wir wirksame Medikamente oder einen Impfstoff haben.
Der Corona-Krisenstab
Am 4. März tagte der Krisenstab der Stadt zum ersten Mal zur Corona-Krise. Stadtdirektor Stepan Keller leitet das Gremium, Stellvertreterin ist Verkehrsdezernentin Andrea Blome. Ständig dabei sind: Gesundheitsdezernent Harald Rau, Kämmerin Dörte Diemert, Feuerwehr-Chef Christian Miller, der Leiter des Rettungsdienstes, Alex Lechleuthner, Schuldezernent Robert Voigtsberger, zudem Vertreter von Gesundheits- und Presseamt. Zweimal in der Woche (dienstags und freitags) tagt ab sofort der Krisenstab. Zu Beginn kam man täglich zusammen, zuletzt alle zwei Tage. Abhängig von der aktuellen Lage werden unter anderem auch die Polizei, die Kölner Verkehrs-Betriebe, Kulturdezernat, das Ordnungsamt und ein Vertreter des Büros der Oberbürgermeisterin eingebunden. (mft)
Sie bewerben sich bei der Kommunalwahl als Düsseldorfer Oberbürgermeister. Eine delikate Situation. Taugt Corona als Wahlkampfthema?
Keller: Ich gebe als Stadtdirektor von Köln weiterhin 100 Prozent. Das habe ich immer gesagt, und das mache ich auch, gerade in der Krise und als Leiter des Krisenstabs. Der Wahlkampf verläuft derzeit überall sehr gedämpft, es wird sogar über die Durchführung der Wahl diskutiert. Corona ist kein Wahlkampfthema, es zeigt aber auch Unterschiede in der Herangehensweise zwischen verschiedenen Akteuren.
Das könnte Sie auch interessieren:
Ihr Sohn bereitet sich aufs Abitur vor. Wie wurde bei Ihnen über die Rückkehr zur Schule diskutiert?
Keller: Die Unsicherheit, ob die Abiturprüfungen überhaupt stattfinden, hat uns alle beschäftigt. Mein Sohn hätte auch die Durchschnittsnote der Qualifikationsphase genommen und wäre damit ganz gut gefahren. Aber jetzt bereitet er sich auf die Prüfungen vor und nimmt das sehr ernst.