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100 Jahre Chargesheimer„Unter Krahnenbäumen“ - neue Bilder einer völlig veränderten Straße

Lesezeit 3 Minuten
Der Ton des Veedels: Studentinnen und Studenten der Musikschule sieht man häufig in der Straße Unter Krahnenbäumen.

Der Ton des Veedels: Studentinnen und Studenten der Musikschule sieht man häufig in der Straße Unter Krahnenbäumen.

Chargesheimer, der am Sonntag 100 Jahre alt geworden wäre, hat den alten Charme der Straße verewigt. Rundschau-Fotograf Costa Belibasakis hat heute seine Eindrücke festgehalten.

Diese Straße ist heute eine andere. Sie hat keinen Dorfcharakter mehr, hier tobt kein Leben, es gibt keine Ausschweifungen mehr zu beobachten auf dem grauen Pflaster – keine Lebensfreude mit Liebe und Glück oder auch Tränen.

Schattenspiele: Ein Mann schaut von einer Eisentreppe auf die Straße.

Schattenspiele: Ein Mann schaut von einer Eisentreppe auf die Straße.

„Unter Krahnenbäumen“ ist zu einer unscheinbaren Verbindungsstraße geworden.

„Unter Krahnenbäumen“ ist zu einer unscheinbaren Verbindungsstraße geworden.

Die Straße „Unter Krahnenbäumen“, im Kuniberts- und Eigelsteinviertel gelegen, ist untrennbar mit dem Namen Chargesheimer verbunden. Kölns berühmter Fotograf, der am Sonntag, 19. Mai, 100 Jahre alt geworden wäre, hat mit seinem Bildband die Identität der Straße nicht nur sichtbar gemacht, sondern gleichzeitig verewigt. Die Bilder stehen für das einfache Leben in Köln, auch für eine Ausgelassenheit und kleines Glück, das sich in der Nachkriegszeit ausbreiten konnte.

In Bewegung: Ein junger Mann kickt vor einem E-Scooter einen Ball an eine Hauswand.

In Bewegung: Ein junger Mann kickt vor einem E-Scooter einen Ball an eine Hauswand.

Abgang: Eine Treppe führt heute vom westlichen Teil der Straße hinter der Nord-Süd-Fahrt weiter Richtung Musikhochschule.

Abgang: Eine Treppe führt heute vom westlichen Teil der Straße hinter der Nord-Süd-Fahrt weiter Richtung Musikhochschule.

„Unter Krahnenbäumen“: Das Leben verweilt hier nicht mehr

Heute ist „Unter Krahnenbäumen“ eine unscheinbare Verbindungsstraße im Schatten der großen Verkehrsachsen. Die Nord-Süd-Fahrt hat sie in zwei Teile zerlegt, die Bebauung zeigt der Straße die kalte Schulter: abweisende Häuserrückseiten von Bürobauten, einer Schule, eines Instituts. Das Leben verweilt hier nicht mehr. Die alten Häuser, die Chargesheimer in den 50er Jahren vorfand, sind längst abgerissen. Der alte Charme der Straße ist verschwunden.

Ein Hauch von „Köln, 5.30 Uhr“, einem anderen berühmten Chargesheimer-Buch: Ein Hund quert die Straße.

Ein Hauch von „Köln, 5.30 Uhr“, einem anderen berühmten Chargesheimer-Buch: Ein Hund quert die Straße.

Vor fast 66 Jahren ist das kleinformatige Fotobuch im Greven-Verlag erschienen. Kann man heute diese Straße noch neu entdecken? Rundschau-Fotograf Costa Belibasakis hat sich einige Tage „Unter Krahnenbäumen“ aufgehalten. Er hat Menschen getroffen, das Leben beobachtet , ist wiedergekommen, hat Begegnungen gesucht und die Straße fotografiert. Nicht, um Chargesheimer nachzuahmen, sondern seine eigenen Eindrücke zu sammeln und ein neues Bild zu zeichnen. „Die Atmosphäre hat nichts mehr mit dem alten Köln zu tun“, sagt er. „Es ist eine Durchlaufstraße.“ Viele gehen mit ihren Instrumenten zur Musikhochschule.

Eine alte Rückwand als Spur in die Vergangenheit vor Brautmoden.

Eine alte Rückwand als Spur in die Vergangenheit vor Brautmoden.

Eine Anwohnerin schaut zwischen den Stoßstangen auf die Straße.

Eine Anwohnerin schaut zwischen den Stoßstangen auf die Straße.

Das Fotobuch von Chargesheimer in den 50er Jahren war ein Abgesang auf das traute Miteinander in der städtischen Lebenswelt. Ein Jahr lang lebte er zwischen den Menschen, wurde Zeuge unzähliger Begebenheiten: Kinder beim Spielen auf der Straße, Tanzende auf der Kirmes, Flirts und Streitigkeiten. All das hat Böll eindrucksvoll in Worte gefasst, Willi Ostermann und Wolfgang Niedecken haben es besungen. Es ist ein Nachgesang auf eine Straße, die es so nicht mehr gibt. Der Kölner Fotograf Eusebius Wirdeier hat das Fotoerbe „UKB“ in Ehren gehalten und das Buch 1998 und 2007 als Vintage-Reprint mit Markus und Christoph Schaden erneut auf den Markt gebracht. Heute ist es nur noch zu Spitzenpreisen antiquarisch zu bekommen. Der Foto-Nachlass von Chargesheimer befindet sich im Rheinischen Bildarchiv, darunter sind die Fotos von „Unter Krahnenbäumen“. Wirdeier hat kürzlich einen Bildband mit bis dato unveröffentlichten Südstadt-Aufnahmen herausgegeben. Es gibt also noch immer Chargesheimer-Schätze zu bergen.