Ab Februar soll es ein Verweilverbot geben, der Platz soll temporär eingezänt werden. Die IG Gastro, Dehoga und die Politik befürchten Verlagerung des Problems.
Zapfenstreich in KölnWie Menschen auf das Verweilverbot am Brüsseler Platz reagieren
Die Stadt Köln hat angekündigt, ab dem 1. Februar 2025 ein Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz umzusetzen. Die Verwaltung arbeite derzeit aus, inwieweit der Bereich in den Zeiten — freitags, samstags und vor Feiertagen von 22 bis 6 Uhr — temporär eingezäunt werden kann. Zudem müssen die Gastronomen ihre Außenbereiche an diesen Tagen ab 22 Uhr zu machen. Die Rundschau sammelte die Reaktionen darauf:
Was sagen die Anwohnenden?
Das ist die komplexeste Frage, denn die Meinungen gehen auseinander. Eine der Anwohnerinnen, die auch zur Gruppe der Klagenden gehört, erklärt: „Wir sind froh, dass die Stadt endlich in die Gänge kommt. Das Verweilverbot ist den Versuch wert. Wir hoffen, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen.“
Eine andere Position haben Lena und ihr Freund Ben Georgi. Sie sind vor einem halben Jahr an den Brüsseler Platz gezogen. „Es ist eigentlich was total Schönes, dass man direkt vor der Tür Trubel hat und Leute zusammenkommen“, sagt Lena. „Zu gegebenen Anlässen wie Karneval wird es ein bisschen lauter, aber das sind einzelne Tage im Jahr. Das weiß man ja auch, bevor man hier hinzieht.“ Das Paar wohnt direkt neben der Gastronomie Hallmackenreuther. Die beiden empfinden die Außengastronomie nicht als störend. „Die Leute, die sich am Brüsseler Platz zum Bier trinken treffen, sind eher das Problem. Die Außengastronomie stört uns persönlich gar nicht“, so Ben Georgi.
Was sagt die Juristin?
Stefanie Beyer vertritt einen Teil der Kläger. Sie erklärt: „Das Verweilverbot ist überfällig. Es bleibt abzuwarten, ob dieses auch effektiv durchgesetzt wird und ob es ausreichend ist, um die gesundheitsgefährdenden Lärmwerte auf ein zumutbares Maß zu reduzieren.“ Die Kölner Anwältin für Verwaltungsrecht berichtet zudem von aktuellen Messungen, die vom 4. bis 17. Dezember auf einem Balkon von einem der Kläger durchgeführt wurden. Diese könnten in Zukunft als Vergleichswerte dienen.
Was sagen Mitarbeiter und Kunden des Kiosks?
Der „Le Kiosk“ spürt ebenfalls die Auswirkungen der aktuellen Regelungen. Jeden Abend versammeln sich Menschen vor dem Kiosk, der bei jungen Leuten ein Treffpunkt zum Zusammenkommen geworden ist. René Brandenburger arbeitet seit zwei Jahren dort und berichtet unter anderem von Problemen mit dem Ordnungsamt. Der Kioskmitarbeiter und Stammkunden sehen die neuen Maßnahmen kritisch. „Es muss ein anderer Ort zum Chillen geboten werden“, sagt Brandenburger. „Aber eigentlich wollen wir hierbleiben“, entgegnet Lennart Hermann, als er sich gerade ein Bier kauft. Luisa Faggo ist ebenfalls Kundin im Kiosk. Sie erklärt: „Man hat viele Leute kennengelernt, wenn das weg ist, wäre das schon traurig.“
Welche Wirkung haben die Veränderungen?
„Es ist total schade und wird uns auf jeden Fall auch im Sommer wahnsinnig beeinträchtigen“, erzählt eine Mitarbeiterin einer Gastronomie am Brüsseler Platz, die namentlich nicht genannt werden möchte. „Das Gefühl vom Kölner Nachtleben geht total verloren, ich habe als Jugendliche schon immer auf dem Brüsseler Platz gesessen.“
Die Einschränkungen, die bereits am Platz existieren, seien für sie auch abseits des Jobs deutlich spürbar: „Man fühlt sich sicherer, wenn die Orte und die Plätze in Köln belebt sind. Seit die Kontrollen mit den Behörden strenger sind, fühlt man sich ab einer gewissen Uhrzeit auch unwohl am Brüsseler Platz, vor allen Dingen als Frau“. Sie erzählt, dass sie nach Feierabend direkt in ein Taxi steigt, statt den Weg zu Fuß über den Platz zu gehen.
Wie wehrt sich die IG Gastro?
„Die Einschränkung der Außengastronomie ist ein Ausverkauf der Wirtinnen und Wirte vor Ort. Eine existenzbedrohliche Maßnahme, wirtschaftlich für die Gewerbetreibenden und für das urbane und vielfältige Leben, für das Köln sich sonst so gern feiert. Das ist hier ist keine ausgewogene Lösung, hier wird die Gastronomie dem Bedürfnis Einzelner geopfert“, so Maike Block, Geschäftsführerin IG Kölner Gastro. Block nennt die angeordnete Schließung der Außengastronomie um 22 Uhr eine „hilflose Maßnahme“: „Köln riskiert sich selbst zu kastrieren. Wer jetzt klatscht, weil die Ruhe ,gewonnen' wurde, zerstört langfristig genau das, was Städte lebendig macht. Ein Brüsseler Platz ohne Gastronomie ist ein toter Platz. Und wenn wir das jetzt hinnehmen, welcher Platz kommt morgen dran? Die Frage ist nicht, ob, sondern wann dieses Verbot die nächsten Viertel trifft.“ Für sie ist das Verbot „ein fataler Präzedenzfall und ein Armutszeugnis für die Stadtverwaltung. Köln darf keine Stadt der Verbote werden.“
Wie sieht es der Verband?
„Man kann das sicherlich auch differenzierter machen“, bemängelt Mathias Johnen. Laut dem stellvertretenden Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Nordrhein, müsse differenziert werden zwischen der Außengastronomie und dem öffentlichen Raum. So könne eine Beschirmung der Gastro-Flächen mit sogenannten Lärmschutzschirmen den Unterschied machen. Ein Alkoholverbot müsse die Landespolitik möglich machen, in Großstädten in anderen Bundesländern funktioniere das bereits. Johnen mahnt zudem, dass die Feiernden angesichts der Verbote nicht das Feiern einstellen, sondern sich andere Orte suchen werden.
Was sagt die Politik?
Dies sieht auch Volker Görzel, Chef der FDP-Fraktion als problematische Folge der Maßnahmen an: „Feiernde Jugendliche werden sich alternative Plätze suchen und das Problem wird lediglich verlagert. Die nächste Lärmschutzklage ist damit vorprogrammiert.“ Der Jurist kritisiert: „Die nun drohenden Verbote sind Ausdruck absoluter Hilflosigkeit von Stadt und Ordnungsamt und ein Albtraum für die Gastronomen, die mit massiven Umsatzeinbußen rechnen müssen.“
Manfred Richter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat, konstatiert: „Die Einzäunung der Kirche oder des Platzes ist schlichtweg lebensfremd – das lehnen wir ab. Es muss eine andere Lösung geben. Ein generelles Verweilverbot wäre ein weitreichender Eingriff in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Wir werden die Vorschläge der Verwaltung jetzt genau prüfen.“
Die CDU-Fraktion sieht den Fragenkatalog des Oberverwaltungsgerichts in Münster sehr kritisch. Der Vorsitzende Bernd Petelkau sagt: „Das Urteil des OVG Münster hat der Stadt Köln klare Vorgaben gemacht, um die Lärmsituation am Brüsseler Platz zu verbessern. Der vom Gericht vorgegebene Maßnahmenkatalog ist jedoch sehr eingeschränkt und stellt die Stadt vor große Herausforderungen. Wichtig ist uns, dass die Gastronomen, die sich auch in der Vergangenheit an die Regeln für ihre Außengastronomie gehalten haben, nun nicht unter den verschärften Maßnahmen leiden.“
Für die SPD-Fraktion erklärt der ordnungspolitische Sprecher Gerrit Krupp: „Ein Platzverbot oder gar einen Zaunbau sehen wir kritisch, da diese den Konflikt weiter verschärfen, statt ein friedliches Miteinander zu befördern. Die Anwohner am Brüsseler Platz haben nach den jahrelangen Querelen einen Anspruch darauf, dass endlich eine tragfähige Lösung gefunden wird, die Nachtruhe ermöglicht ohne den Platz zur Sperrzone zu machen.“
Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Volt-Fraktion, Isabella Venturini, äußert: „In gewisser Weise verstehen wir beide Seiten. Es stellt sich aber immer mehr die Frage, ob die regulativen Schranken dem pulsierenden Leben in einer Millionenstadt gerecht werden.“