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Brüsseler Platz„Das Belgische Viertel hat inzwischen fast Ballermann-Charakter“

Lesezeit 3 Minuten

Rund 130 Interessierte kamen zur Bürgerversammlung in St. Michael.

Ergebnislos verlief eine Bürgerversammlung von Anwohnerinnen und Anwohnern des Belgischen Viertels.

Schlaflose Nächte, vermüllte Straßen, Spaziergänge durch Scherben und Beleidigungen von Feiernden. Für viele Anwohner des Belgischen Viertels hat sich die Wohnsituation seit mehr als einem Jahrzehnt drastisch gewandelt. Durch die Außengastronomie und das rege Treiben am Brüsseler Platz, der in der Vergangenheit zum Treffpunkt im belgischen Viertel geworden ist, ist für Anwohnende nicht mehr an ruhige Abende zu denken. Bezirksbürgermeister der Innenstadt, Andreas Hupke, lud am Dienstagabend zu einer Bürgerversammlung in die Kirche St. Michael am Brüsseler Platz ein, um Anwohnerinnen und Anwohnern einen Raum für ihre Fragen und Sorgen zu bieten. Vertreter der Stadt, der Politik und des Ehrenamts, die sich um den Brüsseler Platz und das Belgische Viertel kümmern, standen für Fragen zur Verfügung.

Nach dem Aus des Bebauungsplans für das Belgische Viertel und einem jahrelangen Rechtsstreit von Stadt und Anwohnern verpflichtete das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster die Stadt Köln dazu, die Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr einzuhalten. Das unterstützt der zuständige Rechtsanwalt Wolfram Sedlak, der sowohl die Kläger des Belgischen Viertels, als auch den klagenden Anwohner des Heumarktes, vertritt: „Die Nachtruhe muss nun mal für die Anwohner gewährleistet werden. Auch mit der Außengastronomie.“ Die Stadt Köln habe bei ihrem Umgang mit dem belgischen Viertel und dem Brüsseler Platz „Veranstaltereigenschaften“ angenommen. Sie stellte eine öffentliche Toilette auf, genehmigte Großveranstaltungen wie die „Tour Belgique“ und spreche weder Verwarnungen, noch Bußgelder aus. Zuletzt reichte sie eine Nichtzulassungsbeschwerde der Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Kompromiss dringend gesucht

„Das Belgische Viertel hat inzwischen fast Ballermann-Charakter“, sagt eine aufgebrachte Anwohnerin. Die Straßen seien nach langen Partynächten voller Pizzakartons und Flaschen, die Kinder müssten morgens zwischen Erbrochenem und Scherben zum Bäcker gehen. Während manche Bewohner die Außengastronomie, die sich seit der Pandemie immer weiter vergrößerte, als den Kern des Problems sehen, steht für einen Großteil aber auch die Stadt in der Verantwortung. „Es ist immer noch ein Wohnviertel, da sollten die Anwohner im Vordergrund stehen“, sagt Sedlak. Lutz Heineken, ein Bewohner, sagt: „Keiner möchte hier die Idylle eines Kurortes. Aber ich persönlich bin davon überzeugt, dass inzwischen spezielle Maßnahmen nötig sind, um dieses schöne, lebhafte Viertel zu erhalten.“ Die optimale Lösung wäre ein Kompromiss, mit dem sowohl die Anwohner, als auch die Gastronomie und die Feiernden zufriedenstellt und das „vielfältige Leben“ und die Kultur in Köln beibehält. „Mit Kultur hat das für mich nichts mehr zu tun. Ist das Kultur, sich abends zu betrinken?“, fragt Anwohnerin Kathrin.

Das Ordnungsamt und Polizei seien zuständig, dass die Nachtruhe eingehalten und der Platz ordentlich gehalten werde. Zu Stoßzeiten sei es laut der Anwohner aber gar unmöglich, bei den Behörden jemanden zu erreichen. Maja Schinkel, zuständige Bezirkspolizistin, versuchte den rund 130 anwesenden Anwohnern die Lage aus polizeilicher Sicht näherzubringen: „Wir versuchen, für alle Zufriedenheit zu schaffen. Aber die Lage hat nun mal diverse Ebenen, die abgedeckt werden müssen.“ Der Personalmangel verstärke dabei die Probleme. Die restliche Kriminalität der Stadt müsse ja auch noch bekämpft werden, so Schinkel.

Versammlung ohne Ergebnis

Ein richtiges Ergebnis ging aus der Bürgerversammlung nicht hervor. Anwohnerin Kathrin ist sicher: „Es muss etwas getan werden, so kann es nicht weiter gehen.“ Wolfram Sedlak erwartet in spätestens einem Jahr ein endgültiges Gerichtsurteil. Bis dahin kann man nur vermuten, wie sich die Situation weiterentwickelt und welche Kompromisse Anwohner und Gastronomie eingehen müssen.