AboAbonnieren

„Da droht etwas zu kippen“Kirchen rufen zu einem Schweigegang in Köln auf

Lesezeit 3 Minuten
Dr. Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine( v.l.)

Dr. Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine( v.l.)

Am 8. November soll bei einem Schweigegang in Köln die Solidarität mit Israel angesichts des Hamas-Terrors demonstriert werden.

Viel zu oft brauche es nur Sekunden, bis auf das „Ja“ ein „Aber“ folge, mahnt Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent der Evangelischen Kirche in Köln und Region. Doch am kommenden Mittwochabend soll es bei einem Schweigegang beim „Ja“ bleiben. Einem „Ja“ zur Solidarität mit Israel, das durch den Terrorangriff der Hamas unfassbares Leid erfahren hat. Organisiert wird der Schweigegang von der evangelischen und der katholischen Kirche in Zusammenarbeit mit dem Katholikenausschuss Köln.

Das Morden soll nicht relativiert werden

„Es sind Taten, die das Blut in den Adern gefrieren lässt“, sagt Robert Kleine, Stadtdechant der katholischen Kirche. Kinder seien gemordet und Entführt worden. Das sei der Ausgangspunkt gewesen für den Krieg, der nun im Nahen Osten stattfinden. „Und das soll nicht relativiert werden“, begründet Seiger das Schweigen. Es soll ein Schweigen sein in Gedenken der Opfer die durch den Überfall aus dem Gazastreifen heraus zu beklagen seien.

Was sie neben den Gräueltaten zudem erschreckt, das sei der „aufkeimende Antisemitismus“. „Wir erleben, dass etwas kippt“, sagt Kleine. Die Stürmung des Flughafens im russischen Dagestan unter judenfeindlichen Parolen, oder auch die jüngsten Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, nennt der Stadtdechant als Beispiele. „Wir müssen klar benennen, das ist antisemitisch.“ Das sei nun der Zeitpunkt, zu dem das „Nie wieder“ als Reaktion auf den Holocaust unterstrichen werden müsse.

Deutschland nehmen die beiden Kirchenmänner bei dieser Kritik nicht aus. Auch, wenn es in der Bundesrepublik noch nicht solche Szenen wie eben in der Türkei oder Russland gebe. Aber auch der Angriff auf die Synagoge in Berlin sei ein erschreckender Akt. Vor diesem Hintergrund sei der Gang am kommenden Mittwoch ein „beredtes Schweigen“.

Am Mittwochabend soll also geschwiegen werden. Aber darüber hinaus? Darüber hinaus ruft Seiger ausdrücklich zum Reden auf. Gerade vor der Hintergrund der großen türkischen Community in Köln lautet seine Empfehlung: „Jeder, der Kontakt zu muslimischen Mitbürgern hat, sollte die Diskussion suchen. Jetzt ist jeder gefragt.“ Wobei er damit nicht sagen will, dass er die Gleichung aufmacht: muslimisch gleich antisemitisch. Aber eben auch das könne durch die Diskussion miteinander herausgefunden werden, dass es auch unter den Muslimen in Köln ein breites Meinungsspektrum gebe.

Klares Zeichen aus dem Rat der Religionen

Als besonders positives Zeichen werten es Kleine und Seiger, dass der Rat der Religionen in Köln kürzlich eine Stellungnahme abgegeben hat, in der er einstimmig die Angriffe der Hamas auf Israel verurteilt hat. „In Köln haben wir eine gute Kommunikation unter den Glaubensgemeinschaften. Wie gehen hier aufrecht miteinander um“, sagt Seiger dazu. Und vor allem zwischen den evangelischen und katholischen Christen gebe bei allem Stolz auf die eigene konfessionelle Geschichte in der Positionierung gegen Krieg, Antisemitismus und Hass eine 100-prozentige Einigkeit. Und beide Kirchen stünden bei dem Thema Antisemitismus aufgrund ihrer eigenen Schuld unter anderem in der Zeit des Nazi-Regimes, in der Verantwortung.

Getragen wird der Schweigegang am Mittwoch. 8. November, von einer breiten Basis, zu der zahlreiche kirchliche und gemeinnützige Organisationen gehören. Der Gang startet um 18 Uhr am Roncalliplatz, führt zur Glockengasse an den Standort der dort in der Pogromnacht niedergebrannten Synagoge und endet schließlich in der Roonstraße an der Synagoge der jüdischen Gemeinde, wo Kerzen aufgestellt werden.