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Schausteller und Anwohner im DialogIst das Rheinufer der richtige Ort für die Kirmes?

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Das Kettenkarussell „Aeronaut 1880“ ist 80 Meter hoch. 

Köln – Es ist Tradition, dass die Schausteller der Deutzer Kirmes Politiker, interessierte Bürger und Presse zum persönlichen Austausch einladen. Diesmal stand die Zusammenkunft unter dem Eindruck der Ausschreitungen beim ersten Familientag am vergangenen Mittwoch und die von der Stadtverwaltung angeordnete Kürzung der Öffnungszeit um eine Stunde. „Die Lage war nicht außer Kontrolle. Als wir merkten, dass es unübersichtlich voll wird, haben die Eingänge bereits um 21.30 Uhr dicht gemacht“, beschreibt Willi Krameyer die Lage aus Sicht der Schausteller. „Dramatisch war nur, was sich auf dem Rheinboulevard abspielte, aber das hat nichts mit der Kirmes zu tun“, so der Bratwurststand-Betreiber weiter.

Berichte über „aggressive Stimmung“ auf Deutzer Kirmes

Doch es gibt auch anderslautende Berichte. Joep Hoefnagels, Betreiber des Kettenkarussells „Aeronaut“ hatte der Rundschau nach den Vorfällen in der vergangenen Woche von einer „aggressiven Stimmung“ berichtet. Als er sein Kassenhäuschen geschlossen hatte, habe sich eine Menschentraube gebildet. „Die haben gegen die Wände und Scheiben geschlagen“, sagte Hoefnagels. Eine Dreiviertelstunde habe er in seinem Häuschen ausharren müssen, weil er sich mit seiner Kasse nicht in die Menschenmenge getraut habe.

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Die Deutzer Kirmes 

Edda B. wohnt direkt gegenüber an der Siegburger Straße. „Wildpinkler gibt es auch, wenn keine Kirmes ist“, meinte die Anwohnerin. Und durch die Bank bekundeten auch die anderen Nachbarn, die der Einladung der Gemeinschaft Kölner Schausteller zum Gespräch in „Weber’s Scheune“ gefolgt waren: „Wir sind froh, dass es die Kirmes vor unserer Haustür gibt und tausenden Menschen Freude bereitet.“

Ist das Deutzer Rheinufer der richtige Ort für die Kirmes?

Für den Brandbrief, den die Bürgerinitiative Deutzer Werft an die Stadt schickte, hat Detlev Lang, zweiter Vorsitzender der Bürgervereinigung Deutz, kein Verständnis. „Im persönlichen Gespräch hörte sich das anders an. Da schießt einer hinter dem Rücken der Schausteller und aller, die die Kirmes lieben“, meinte Lang, ohne den Namen des Beschwerdeführers zu nennen. Die Bürgerinitiative hatte am vergangenen Donnerstag in einem Brief unter anderem geschrieben, die Kirmes sei ein „Hotspot von Jugendlichen, von denen ein erheblicher Teil Krawall sucht“. Auch von „Dauerstaus“, „krawallartigen Zusammenballungen“, „Geschrei und Pöbeleien“ und „Verschmutzung aller Grünanlagen, Straßen und Gehwegen“, war die Rede.

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Die Deutzer Kirmes hat einen mehr als regen Besucherzulauf. 

In der Diskussion über die Kirmes geht es schon lange nicht mehr nur um einzelne Vorfälle, sondern um die Grundsatzfrage: Ist das Deutzer Rheinufer der richtige Ort für die Kirmes? Bezirksbürgermeister Andreas Hupke hat für Dienstag, 10. Mai, 19 Uhr, in St. Heribert eine Bürgerversammlung zur Deutzer Kirmes organisiert. Er hofft auf eine „offene respektvolle Diskussion“ zwischen Befürwortern und Gegnern des Verbleibs am bisherigen Standort. Welche Haltung Hupke selbst einnehmen wird, bekundete er im Vorfeld: „Die Kirmes ist ein Kulturgut mit über 100-jähriger Tradition. Das kann nicht weggeworfen werden.“

Besucheraufkommen der Deutzer Kirmes wie vor Corona

Für medial aufgebauscht hält der grüne Stadtrat Hans Schwanitz die Schlägereien und die Vermüllung des Umfelds. Der Vorsitzende des Polizeibeirats berichtete, von Seiten der Ordnungskräfte seien die Vorfälle als „jahrmarkttypisch“ eingestuft worden. Auch Krameyer hatte am Wochenende von einem Besucheraufkommen wie vor Corona berichtet. Der Mittwoch sei die Ausnahme gewesen. Der Familientag, an dem alle Fahrgeschäfte nur die Hälfte kosten, hatte gepaart mit dem guten Wetter und den Osterferien für den großen Andrang gesorgt. Nach den Vorfällen müssen die Schausteller ihre Fahrgeschäfte um 21 Uhr schließen. Vorher war um 22 Uhr Schluss. SPD-Ratsmitglied Mike Homann warf die Frage auf, ob es überhaupt zeitgemäß sei, dass in Deutz die Lichter um 22 Uhr ausgehen müssen? Andere Volksfeste wie die Cranger Kirmes dürfen bis 24 Uhr geöffnet bleiben, in anderen Städten geht es sogar noch länger.

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In Deutz ist das aktuell nicht möglich. Der Bebauungsplan für das Gelände am rechten Rheinufer lässt längere Öffnungszeiten nicht zu. Eine Ausnahme wäre möglich, so der Gedanke von Bezirksbürgermeister Hupke, wenn die Deutzer Kirmes wie der Karneval zum Kulturgut erhoben würde. Die Kirmes endet am Sonntag. Das Abschlussfeuerwerk wurde abgesagt.