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Brüsseler PlatzVerwaltungsgericht kippt Verweilverbot – was man nun wissen muss

Lesezeit 5 Minuten

Seit Februar galt das Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz an Freitagen, Samstagen und vor Feiertagen von 22 bis 6 Uhr.

Stadt Köln unterliegt in Eilverfahren und setzt das Verbot auf dem Brüsseler Platz vorerst aus.

Die Allgemeinverfügung der Stadt Köln über ein nächtliches Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz ist voraussichtlich rechtswidrig. Das teilte am Donnerstag das Verwaltungsgericht in Köln mit. Das Gericht gab damit den dagegen gerichteten Eilanträgen mehrerer Anwohner und den Betreibern einer ansässigen Gaststätte statt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

Worum geht es bei dem verhängten Verweilverbot?

Das Verweilverbot war am 5. Februar von der Stadt verhängt worden, zunächst für Freitage, Samstage und vor Feiertagen von 22 bis 6 Uhr. Die Begründung: Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster müssen Anwohnende vor gesundheitsgefährdenden Lärmimmissionen geschützt werden. Dem voran geht ein fast ein Jahrzehnt dauernder Rechtsstreit zwischen der Stadt und lärmgeplagten Anwohnerinnen und Anwohnern. Die Kölner Stadtverwaltung entschied sich nach dem Urteil des OVG für ein Verweilverbot, da die Lärmbelästigung laut Stadt bereits auch von kleinen Menschenansammlungen ausgingen. Die nächtlichen Lärmgrenzen liegen laut Gerichtsurteil bei 60 Dezibel, regelmäßig wurden diese überschritten. Zunächst sollte die Allgemeinverfügung der Stadt bis Ende Juli gelten und dann von einer ordnungsbehördlichen Verordnung abgelöst werden - die dann für alle Wochentage gelten sollte.

Wer hat die Eilanträge gestellt?

Das Verwaltungsgericht hat gleich mehreren Eilanträgen gegen das Verweilverbot stattgegeben. Wie zu erfahren war, werden drei Parteien anwaltlich vertreten. Dazu gehören rund zehn Anwohnende des Belgischen Viertels sowie die Betreibergesellschaft einer am Platz ansässigen Gaststätte, die den Platz nicht totberuhigt haben möchten. Öffentlich äußern wollte sich auf Nachfrage keiner der gegen das Verbot klagenden Anwohnenden.

Ein beliebter Treffpunkt ist der ansässige Kiosk — auch er schließt um 22 Uhr.

Wie urteilt das Verwaltungsgericht?

„Die Stadt hat das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Zum einen seien die aus den Lärmmessungen gezogenen Schlüsse, dass auch bei bloßer Anwesenheit von mehreren Personen durch normale Unterhaltung Lärmgrenzwerte überschritten werden, „nicht nachvollziehbar“. Die Messungen im Juli 2022 zeigten vielmehr, dass vor allem lautes Rufen, Lachen, Schreie und lautes Klirren von Glasflaschen für die Lärmspitzen verantwortlich seien – nicht die Menschenmenge an sich. Auch die neuesten Messungen aus 2024 seien nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, um die von der Stadt behauptete Gesundheitsgefahr schon bei einfachen Unterhaltungen zu plausibilisieren. Eine weitere Ursachenforschung sei nicht betrieben worden. Zum anderen, so das Gericht, sei das Verweilverbot unverhältnismäßig, weil die Stadt mildere Mittel zur Durchsetzung der Nachtruhe, insbesondere ein Alkoholverbot, ohne hinreichende Prognose verworfen habe.

Was sagt die Kölner Politik dazu?

In den verschiedenen politischen Gremien wurde das Verweilverbot von Beginn an kritisiert. Die Fraktionen von Grünen, CDU, Volt, SPD und Linken hatten sich vor allem dagegen ausgesprochen, dass die Stadt das Verweilverbot am Brüsseler Platz auf alle Wochentage ausdehnt. Nach dem nun stattgegebenen Eilanträgen fordert die SPD-Ratsfraktion die Stadtdirektorin Andrea Blome auf, auch das Wochenend-Verweilverbot zurückzunehmen. „Wir haben immer davor gewarnt, am Brüsseler Platz mit der drastischsten Maßnahme eines Verweilverbotes als Erstes zu beginnen“, sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Maria Helmis-Arend. Nun habe das Verwaltungsgericht der Stadtdirektorin die Quittung für den Alleingang gegen Beschlüsse des Stadtrats ausgestellt.

Bernd Petelkau, CDU-Fraktionsvorsitzender im Rat, sagte auf Nachfrage: „Der Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt unsere Auffassung: Ein nächtliches Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz ist ein schwerwiegender Eingriff in Grundrechte – und darf nur das letzte Mittel sein.“ Die CDU-Fraktion habe sich stets dafür eingesetzt, zunächst mildere Maßnahmen zu prüfen und umzusetzen.

Auch die FDP-Fraktion im Rat begrüßte die Entscheidung des VG und fordert die Abschaffung des Verweilverbots. „Das Gericht hat heute bestätigt, was wir von Anfang an gesagt haben: Ein pauschales Verweilverbot ist nicht das mildeste Mittel und nun voraussichtlich auch rechtswidrig. Statt mit dem Vorschlaghammer zu agieren, hätte die Stadt intelligentere Lösungen finden müssen – zum Beispiel mit besserer Präsenz des Ordnungsdienstes oder gezielten Lärmschutzmaßnahmen“, erklärt Volker Görzel, Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion. Der vom Verwaltungsgericht attestierte Ermessensfehler mache deutlich, dass bei solch weitreichenden Eingriffen in Freiheitsrechte nicht aus politischem Druck heraus gehandelt werden dürfe – hier brauche es Sorgfalt, Transparenz und eine saubere juristische Grundlage, so Görzel weiter.

Welche Maßnahmen könnten nun umgesetzt werden?

Das OVG hatte in seinem Urteil im vergangenen Jahr verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen: ein nächtliches Alkoholkonsumverbot, das Verweilverbot oder als letztes Mittel sogar eine Einzäunung des Platzes. Die Wahl soll nun auf ein „milderes Mittel“ fallen: Ein Alkoholkonsumverbot auf den nicht gastronomisch genutzten öffentlichen Flächen des Platzes wäre nach Wunsch von CDU- und SPD-Fraktion ein erster sinnvoller Schritt, um die Situation am Brüsseler Platz zu entspannen, ohne den öffentlichen Raum für alle zu sperren. Die Einführung scheint sehr wahrscheinlich.

Gilt das Verweilverbot weiterhin?

Das Urteil wirkt sich streng genommen nur auf die Antragstellerinnen und Antragsteller aus, nur sie dürfen sich auf dem Platz aufhalten. Für alle anderen gilt das Verbot weiter. Allerdings hat die Stadtverwaltung den Vollzug des Verweilverbots bis auf Weiteres ausgesetzt: Man werde nun zunächst die am Donnerstag eingegangene schriftliche Begründung des Urteils auswerten und prüfen. „Gleichwohl wird das Ordnungsamt am Wochenende für die Einhaltung der Lärmgrenzen am Brüsseler Platz sorgen“, teilte eine Stadtsprecherin mit.

Wie geht es nach dem Eilverfahren nun weiter?

Die Stadt kann innerhalb von zwei Wochen, also noch bis zum 8. Mai, eine Beschwerde gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht in Münster einlegen. Wird sie das tun, geht das Verfahren in die nächste Instanz. Ebenso könnte die Stadtverwaltung die Allgemeinverfügung zurückziehen und damit das Verweilverbot wieder aufheben. Vermutlich wird dann zunächst ein Alkoholkonsumverbot für den Platz verhängt, wie es sich die Politik wünscht. Für die ansässigen Gastronomen wird sich aber vermutlich wenig ändern: Laut der IG Gastro soll die Außengastronomie auf der Platzfläche weiterhin um 22 Uhr schließen.