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„Besseres Gefühl“Kölner Gerichtsvollzieher endlich mit Schutzwesten ausgerüstet

Lesezeit 5 Minuten
Georgi Papapostolou und Christian Stumpf mit der neuen sicheren Bekleidung.

Georgi Papapostolou und Christian Stumpf mit der neuen sicheren Bekleidung.

Es hat lange gedauert, aber nun sind sie da: Im Kölner Amtsgericht sind am Montag die ersten von landesweit 750 Schutzwesten für Gerichtsvollzieher übergeben worden.

„Beim Einsatz hat man jetzt ein besseres Gefühl“, sagt die Kölner Gerichtsvollzieherin Georgi Papapostolou, nach dem sie die Weste übergestreift hat.

Der Deutsche Gerichtsvollzieherbund (DGVB) begrüßte die Anschaffung, kritisierte aber gleichzeitig den langen Vorlauf. „Nur auf einen Trabi musste man länger warten“, so der Landeschef des DGVB, Frank Neuhaus. Sein Verband habe schon seit Jahren auf die Schutzausrüstung gedrängt, betonte Neuhaus: „Bei der Bestellung hat sich das Ministerium der Justiz NRW nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wir erwarten bei der Ausstattung mit weiterer Sicherheitsausrüstung eine bessere Kommunikation, bessere Abwicklung und bessere Planung.“

„Bei der Bestellung hat sich das Ministerium der Justiz NRW nicht gerade mit Ruhm bekleckert“.
Gewerkschaft der Gerichtsvollzieher

Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hatte jüngst erklärt, dass die Schutzwesten schon längst hätten da sein sollen. Es habe aber Lieferprobleme gegeben, unter anderem weil die Bundeswehr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beim gleichen Hersteller einen Großauftrag platziert habe. Laut Limbach investiert das Land 400 000 Euro in die Westen. Zudem sollen die Gerichtsvollzieher bald mit Pfefferspray ausgerüstet werden.

Stellte die Westen vor: Amtsgerichtspräsident Dr. Dietmar Dunke.

Stellte die Westen vor: Amtsgerichtspräsident Dr. Dietmar Dunke.

Sowohl für die Schutzweste als auch das Pfefferspray werde es keine Tragepflicht geben, so Limbach. Die Westen sind laut Amtsgericht Köln personalisiert, so dass sie jedem Gerichtsvollzieher und jeder Gerichtsvollzieherin genau passen. Die übrigen Gerichtsbezirke sollen laut Ministerium nach und nach ausgestattet werden.

Der Kölner Amtsgerichtspräsident Dietmar Dumke sagte bei der Übergabe der ersten Westen, Gerichtsvollzieher hätten nicht nur einen anspruchsvollen, „sondern zum Teil auch gefährlichen Beruf.“ Die Vollzieher kämen oft in Situationen, auf die sie in dem Moment nicht vorbereitet seien. Insbesondere bei Zwangsräumungen oder Kindeswegnahmen sei die Situation „häufig emotional sehr aufgeladen.“ Dumke betonte, dass die Schutzwesten ein weiterer Baustein für die Sicherheit der Gerichtsvollzieher seien.

Das sind die neuen Schutzwesten.

Das sind die neuen Schutzwesten.

Gerichtsvollzieherin Georgi Papapostolousagte bei der Vorstellung der neuen Westen, dass die stark gestiegenen Preise und die allgemeine schwierige Wirtschaftslage den Menschen vermehrt zu schaffen macht. Dies gelte besonders für ihr 'Einsatzgebiet, den Bezirk Kalk. Dort sei es definitiv so, dass sie häufiger zu Kölnern fahren muss, weil die Mieter ihre Strom- oder Gasrechnungen nicht mehr bezahlen können. So könne es vorkommen, dass auch Strom, Wasser und Gas komplett abgestellt werden müssen. „Das ist auch für uns ein schwieriger Schritt. Es ist kalt. Die Menschen können noch nicht mal ihre Toilette abspülen“, erklärt Papapostolous. Bis es soweit komme, würden aber zahlreiche Mahnungen bei den Betroffenen eingehen. „Es zieht sich manchmal über ein Jahr“, sagte die Gerichtsvollzieherin weiter. Ein Problem sei, dass die Mieter sich nicht kümmern würden und die Briefe einfach in den Müll schmeißen: „Der Kopf wird in den Sand gesteckt“. Dabei seien die Gläubiger auch gesprächsbereit „und wir sind es auch“. Was sie erschreckt ist, dass die Krise auch im Mittelstand angekommen ist. So müsse sie in Deutz mehr zu Schuldnern fahren, als in der Vergangenheit.

Christian Stumpf ist ebenfalls Kölner Gerichtsvollzieher. Er hat nicht die großen Probleme mit säumigen Kunden, wie seine Kollegin. Stumpf ist für den Bereich Weidenpesch und Riehl zuständig. Dass es nun Schutzwesten gibt, kann er nur begrüßen. Er erzählt von der Räumung einer Wohnung. Stumpf ging mit einem Kollegen zum Einsatzort. „Wir wurden mit einem Messer bedroht und haben uns direkt zurückzogen“, erinnert sich Christian Stumpf. Er habe die Polizei gerufen, ihm sei nichts passiert. Damals gab es noch keine Westen.

Angriffe auf Einsatzkräfte sind immer wieder ein Thema: Schlagen, wegschubsen oder anspucken – das sind die häufigsten Übergriffe gegen Rettungskräfte. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Gewalt gegen Rettungskräfte im Einsatz“, die am Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Aggressionen gegen Einsatzkräfte seien nicht nur körperliche Übergriffe. Drohungen, Beleidigungen und Beschimpfungen seien weitaus häufiger zu verzeichnen als körperliche Aggressionen. Obwohl diese keine körperlichen Auswirkungen haben, könnten sie zu einer erheblichen Belastung für die Betroffenen führen


Rückblick: Der Fall Kurt Braun

Am 13. Dezember 2019 wurde der Mitarbeiter der Kämmerei, Kurt Braun, in Dünnwald von dem psychisch kranken Schuldner Clemens K. an der Haustür mit einem Messer erstochen. Danach stellte sich die Frage, ob die Tat hätte verhindert werden können, wenn Informationen über die Gefahr, die von K. ausging, innerhalb der Verwaltung weitergegeben worden wären. Bereits am 6. März 2019 war K. gewalttätig geworden, er hatte eine Mitarbeiterin der Betreuungsstelle der Stadt mit einem Schraubendreher angegriffen. Davon wusste Braun nichts, als er neun Monate bei K. klingelte, um 387,80 Euro einzutreiben.

Nach dem tragischen Vorfall ist bei der Stadt Köln eine Datenbank über Menschen mit Gefährdungspotenzial eingerichtet worden. Dadurch sollen beispielsweise Vollstreckungsbeamte der Kämmerei vor einem Außentermin erfahren, ob ein Schuldner möglicherweise gefährlich ist oder eine gewalttätige Vergangenheit hat. Der 60-Jährige galt nach Informationen aus Polizeikreisen schon vor dem tödlichen Angriff als gewalttätig. Es soll bereits im März 2019 eine städtische Mitarbeiterin mit einem Schraubendreher attackiert und verletzt haben – die Staatsanwaltschaft wertete dies als versuchten Mord. In einer psychiatrischen Klinik soll er zudem gegen zwei Pflegekräfte gewalttätig geworden sein. Bereits mehrere Jahre vor dem tödlichen Angriff hatten sich gesetzlich bestellte Betreuer mit dem Mann beschäftigt, der sich oft sehr widerwillig gegenüber den Betreuern verhalten haben soll. Das Gericht wertet die Tat als heimtückischen Mord und ordnet an, dass Clemens K. im Maßregelvollzug einer Psychiatrie untergebracht wird. Der Täter leidet an einer paranoiden Schizophrenie und soll den Rest seines Lebens in einer psychiatrischen Einrichtung verbringen.

Gerichtsvollzieherin Georgi Papapostolous war bei dem Einsatz dabei: „Dieser Fall hängt mir noch nach. Ich war nicht direkt am Tatort. Aber ich habe schnell mit bekommen, dass etwas passiert ist.“ (ta)